
Das größte Schulden-Paket in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland soll am heutigen Dienstag beschlossen werden – durch drei Änderungen des Grundgesetzes mithilfe der Stimmen des alten, abgewählten Bundestages.
Neue Schuldenberge in Höhe von 1 Billion oder gar 1,5 Billionen könnten die Folge sein – oder noch deutlich mehr, wie neueste Berechnungen über den Deal von CDU/CSU und SPD mit den Grünen zeigen. Zudem haben zahlreiche Ökonomen die Befürchtung, dass die Schulden-Orgie nicht das erhoffte Wirtschaftswachstum auslösen wird, welches die Kredite am Ende finanzieren soll, sondern – im Gegenteil – eine Krise des Euros das Resultat sein könnte.
David Stadelmann etwa, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Bayreuth, warnt, dass Deutschland das Geld gar nicht sinnvoll und Wachstum-befördernd ausgeben könne. Prof. Stadelmann zu NIUS: „Deutschland hat derart große strukturelle Probleme mit langwierigen Genehmigungsverfahren, Bürokratie und fehlenden Kapazitäten, dass es sehr schwer ist, Geld vernünftig und effizient auszugeben.“
Prof. David Stadelmann
Und weiter: „Ohne Strukturreformen, die einen echten Gewinn staatlicher Effizienz ermöglichen, halte ich – abgesehen von einem kurzen konjunkturellen Strohfeuer – ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum durch die zusätzlichen Schulden für unmöglich. Stattdessen werden zukünftige Generationen das Geld zurückzahlen müssen, ohne von den angekündigten Investitionen zu profitieren.“
Heißt zusammengefasst: Der deutsche Bürokratie-Staat ist so ineffizient und dysfunktional, dass Unmengen an Schulden wenig nutzenstiftend einfach versickern könnten. In zehn bis 20 Jahren blieben einzig die Schuldenlasten.
500 Milliarden Euro soll das Sondervermögen schwer sein, in den kommenden zwölf Jahren 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen, 100 Milliarden Euro für das Ziel „Klimaneutralität 2045“ und 300 Milliarden Euro für andere, bisher nicht näher definierte Investitionen.
Darüber hinaus sollen alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht mehr von der Schuldenbremse gedeckt sein. Heißt: Für alle Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP gilt die Schuldenbremse faktisch nicht mehr, es sollen grenzenlos Schulden möglich sein.
Bei Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP kämen so in den kommenden zehn Jahren 500 Milliarden Euro an zusätzlichen Schulden zusammen, bei drei Prozent des BIP eher 1000 Milliarden Euro. Doch auch diese Zahl – zusammengerechnet also 1500 Milliarden Euro – könnte noch zu klein geschätzt sein.
Denn die Grünen haben ihre Zustimmung für die Schuldenpläne nicht nur an 100 Milliarden Euro für Klimamaßnahmen gekoppelt, sondern auch an die Erweiterung des Verteidigungsbegriffs um Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten.
„Eine noch weitere Fassung des Verteidigungsbegriffs beziehungsweise die Einberechnung weiterer Haushaltsposten könnte den Spielraum noch mal vergrößern“, sagt Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) dem Handelsblatt. So könnte der Berg zusätzlicher Schulden in den kommenden zehn Jahren auf bis zu 1,7 Billionen – in Zahlen: 1.700.000.000.000 Euro – anwachsen.
Der Ökonom Wolf Heinrich Reuter, der bis zum Ampel-Bruch Chef-Ökonom im Bundesfinanzministerium war, geht sogar von „mindestens 1,8 Billionen“ Euro in den kommenden zehn Jahren aus: Demnach würde die Schuldenquote um 33 Prozent auf knapp 100 Prozent steigen, insgesamt würden zwischen 250 und 400 Milliarden Euro allein an Zinszahlungen fällig werden.
Die Ökonomin und Wirtschaftsweise Veronika Grimm warnt ob besagter Unsummen vor einer Krise für die Währung Euro: „Wir manövrieren uns, wenn wir so weitermachen, in den Vorabend einer Euro-Krise. Wenn man da nahe genug dran ist, ist es sehr, sehr schwer, sie aufzuhalten“, sagte sie in einem Podcast der Zeit.
Die Wirtschaftsweise, Prof. Veronika Grimm
Deutschlands Verschuldungs-Orgie könnte andere, bereits viel stärker verschuldete Länder dazu animieren, selbst noch mehr Schulden aufzunehmen, argumentiert sie. Und weiter sagt sie: „Wenn wir jetzt unseren eigenen Schuldenstand erhöhen, dann verlieren wir möglicherweise unsere Rolle als Stabilitätsanker.“ Auch Prof. Stadelmann geht davon aus, dass sich Deutschland „in Richtung von Frankreich“ bewege, was die finanzpolitische Stabilität betreffe.
Schon die Ankündigung des Billionen-Schuldenpakets hatte die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen und die anderer EU-Staaten um 40 Basispunkte ansteigen lassen. Und das, obwohl die Europäische Zentralbank im selben Zeitraum ihrerseits den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte herabgesetzt hatte. Auch die Bau-Zinsen sind um rund 0,3 Prozentpunkte nach oben geschnellt, was Hunderttausende Häuslebauer im Geldbeutel spüren werden.
Die langfristigen Folgen sind, sollte das Schulden-Paket tatsächlich beschlossen werden, jedoch kaum absehbar.
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