
Als vor 10 Jahren der syrische Bürgerkrieg zahlreiche Menschen entwurzelte und in die Emigration zwang, traf die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel aus Gründen, die bis heute letzten Endes undurchsichtig sind und es wahrscheinlich auch immer bleiben werden, die Entscheidung, die deutschen Grenzen ohne jede Kontrolle auch für solche Flüchtlinge weit zu öffnen, die bereits in einem anderen europäischen Staat einen Erstantrag auf Asyl gestellt hatten.
Ja schlimmer noch: Angela Merkel und der von ihr weitgehend dominierte deutsche Presseapparat sandten Bilder in die ganze Welt aus, welche Teddybärenwerferinnen und deutsche „Willkommenskultur“ auch noch im kleinsten afghanischen Dorf bekannt machen sollten, und übten zudem erheblichen politischen und medialen Druck auf die europäischen Nachbarstaaten aus, es ihnen gleich zu tun und auch die europäischen Außengrenzen weit zu öffnen.
Und vor allem: Merkels Grenzöffnung bewirkte, daß sich den syrischen Flüchtlingen zahllose Wirtschaftsemigranten aus der ganzen muslimischen Welt von Marokko bis Afghanistan anschlossen und Deutschland förmlich mit Asylbewerbern überschwemmt wurde, ganz zu schweigen von der tiefen Spaltung der Bevölkerung angesichts dieser umstrittenen Vorgänge.
Allein 2015 wurde mehr als eine Million neuer Flüchtlinge in Deutschland gemeldet, und bis heute hat sich diese Zahl verdreifacht, wobei die Dunkelziffer noch signifikant höher liegen dürfte. Zu vollgültigen deutschen Staatsbürgern wurden in dieser Zeit sage und schreibe anderthalb Millionen Menschen; allein letztes Jahr 292.000. Diese trockenen Zahlen verbergen eine echte politische wie demographische Revolution, welche die Bundesrepublik auf Generationen hin belasten wird, und eine wie auch immer geartete Lösung der hierdurch geschaffenen Probleme ist nicht in Sicht, ja kann es angesichts des schieren Ausmaßes der Lage auch gar nicht sein. Dabei handelt es sich in gewisser Weise, zynisch gesprochen, sogar um eine Art europäische „Normalisierung“ der Migrationslage in Deutschland, welche viele Bundesbürger erst dazu gebracht hat, endlich das zu verstehen, wovor etwa französische Patrioten schon seit Jahrzehnten warnen.
Denn bis 2015 stammte der überwiegende Teil der in Deutschland ansässigen Menschen mit außereuropäischem Migrationshintergrund aus der Türkei und bekannte sich (bei aller Anhänglichkeit dem Heimatland gegenüber) zum Kemalismus oder doch zu eher liberalen Varianten des Islam, was die Integration in die Bundesrepublik stark vereinfachte.
Was folgt aber aus dieser durch Angela Merkel erzwungenen „Normalisierung“? Die unmittelbaren Folgen sind so oft unterstrichen worden, daß wir sie hier kaum breiter ausführen müssen: steigende Kriminalität, Terrorismus, Belastung des Sozialstaats, kulturelle Fragmentierung gesellschaftlicher Kohäsion, Strapazierung des Bildungssystems und vieles mehr.
Zu bedenken sind aber auch die längerfristigen politisch-demographischen Folgen: In einem Land, dessen Großelterngeneration meist nur ein oder zwei Kinder pro Familie gezeugt hat, droht schon sehr bald ein massiver Überhang der älteren über die jüngeren Menschen – mit allen entsprechenden Folgen für das Renten- und Gesundheitssystem. In einer solchen Lage auch noch die arg belasteten jüngeren Generationen durch den millionenfachen Import „junger Männer“ mitsamt kinderfreudigem Familiennachzug zu minorisieren, dürfte den sozialen Sprengstoff noch weiter verschärfen – umso mehr, als die extrem liberale Handhabung der Einbürgerung gerade ein politisches „fait accompli“ schafft, das ebenfalls tiefe Gräben zwischen den alten und neuen Bürgern aufreißen dürfte, sind die kollektiven Interessen der letzteren doch gänzlich andere als die der ersteren.
Falls es die Absicht Angela Merkels und ihrer Gesinnungsgenossen war, die kulturell-soziale Kohäsion Deutschlands zu schwächen, um nach dem alten Prinzip „divide et impera“ zwar breiten demokratischen Rückhalt zu opfern, dafür aber einfacher durchregieren zu können, so dürfte die Rechnung vorläufig aufgegangen sein, die Folgen langfristig aber auch das Ende der bisherigen links- bzw. rechtszentristischen „Volksparteien“ einläuten.
Denn es ist klar, daß auch die deutsche politische Landschaft sich der französischen angleichen wird und auf Dauer von drei immer radikaleren Polen dominiert werden wird, während das gemäßigte, „macronistische“ Zentrum zusammen mit der sogenannten Boomer-Generation aussterben dürfte: rechts, grünlinks und irgendwann einmal eben auch muslimisch-migrantisch – das dürften auch in Deutschland die drei wichtigsten Kräfte der Zukunft sein.
Das muß nicht unbedingt bedeuten, daß es zu eigenen muslimischen Parteigründungen kommen wird; daß entsprechende ethnokulturelle Parallelstrukturen aber auch, wenn sie außerhalb des parlamentarischen Systems stehen, einen tiefen Einfluß auf politische Entscheidungen ausüben werden, muslimische Partikularinteressen also auch ohne eigene Parteien zunehmend Gesetzgebung und Alltag prägen werden, sollte als ausgemachte Sache gelten.
Auch die politische Rechte hat in der Folge der Merkelschen Grenzöffnung eine bedeutsame Entwicklung durchgemacht, die vorher undenkbar gewesen wäre und bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Splitterparteien ausgenommen, bedeutete eine Positionierung „rechts“ von der CDU lange Zeit vor allem einen D-Mark zentrierten Wirtschaftslibertarismus, hinter dem die Hoffnung stand, die unsichtbare Hand des Marktes würde letztlich alle wichtigen Seinsfragen regeln – eine Position, die ja auch die Frühphase der AfD als liberale und euro-skeptische Professorenpartei prägte.
Die Grenzöffnung hat diese Ausrichtung massiv verändert und aus einer liberalen eine eher solidarisch und identitär orientierte Partei gemacht, wie ja auch überall sonst in Westeuropa Massenmigration, Verarmung und Wokismus zu einer politischen Neuaufstellung der politischen Rechten geführt haben, welche zunehmend zivilisatorische Beweggründe bei der Definition von „innen“ und „außen“, „wir“ und „die“ in den Vordergrund stellt.
Ob diese Rückbesinnung auf das wahrhaft „Eigene“ im Sinne der kollektiven kulturellen Identität und nicht nur des individuellen Kontostandes historisch zu spät kommt und bestenfalls Schlachten, die vor vielen Jahren kampflos verloren wurden, auf noch schlechterem Terrain auszufechten versuchen wird, muß dahingestellt bleiben; daß aber die hiermit umrissenen Probleme überhaupt in das breitere Bewußtsein der Massen eingedrungen sind und bedeutsame politische Konsequenzen zeitigen werden, dürfte außer Frage stehen.
Am Ende bleibt also nur die bittere Feststellung, daß die „Grenzöffnung“ von 2015 weit mehr war als ein bloßer Verwaltungsakt oder eine humanitäre Geste: Sie markierte eine tiefe Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik, einen Bruch mit der bisherigen Vorstellung nationalstaatlicher Selbstbehauptung, europäischer Solidarität und politischer Rationalität. Was damals in einer Mischung aus moralistischem Überschwang, kurzfristigem strategischen Kalkül und eiskalten Zukunftsplänen entschieden wurde, wirkt heute wie eine tektonische Verschiebung, deren wahre Dimensionen sich erst allmählich offenbaren.
Ob Deutschland entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeit doch noch die Kraft besitzen wird, diese Entwicklung politisch zu steuern, oder ob es sich, ähnlich wie andere westeuropäische Staaten, in einer Spirale wachsender ethnokultureller Spannungen, wirtschaftlicher Belastungen, elitärer Selbstermächtigung und politischer Radikalisierung verlieren wird, ist die eigentliche Schicksalsfrage der kommenden Jahrzehnte.
Sicher scheint nur eines: Eine Rückkehr in die vermeintlich „harmonische“ Zeit vor 2015 wird es nicht mehr geben – die Bundesrepublik ist in eine neue, weit konfliktreichere Epoche ihrer Geschichte eingetreten und wird nie mehr so werden wie früher.