
Der 20. Bundestag wird an diesem Sonntag abgewählt. Das Parlament hat in dieser Wahlperiode pures Gold für die Quiz-Redaktionen von Günther Jauch oder Kai Pflaume geschaffen. Etwa dem folgenden Material für die 50-Euro-Frage. Wer oder was war der „Deutschland-Pakt“?
a) Ein Bündnis völkischer Parteien. b) Ein Angebot zur Zusammenarbeit von Olaf Scholz an Friedrich Merz. c) Beides. d) Auch egal, denn es handelt sich um Geblubber von Olaf Scholz und ist daher völlig bedeutungslos.
Die gute Nachricht: Alle vier Antworten sind richtig. Es handelt sich aber auch nur um die 50-Euro-Frage. Solche Überschriften hat der Kanzler des 20. Bundestags, Olaf Scholz (SPD), reihenweise geliefert. Nichts davon war von Bedeutung. Wer etwa zuordnen kann, dass mit der „Fortschrittskoalition“ die SPD gemeint war, zusammen mit FDP und Grünen, der hätte sich bei Jauch durchaus die Million verdient – oder eine Beschäftigung als queerpolitischer Beauftragter im saarländischen Rümmelbach. Was den Steuerzahler dann deutlich mehr kosten würde als nur eine Million.
Die Anfänge des 20. Bundestages liegen gerade mal gut drei Jahre zurück. Doch wirken sie im Rückblick so bizarr, dass sie längst wie Geschichten aus einer viel länger zurückliegenden Zeit wirken. Etwa, dass die Ampel ursprünglich eine Koalition der FDP mit den Grünen war. Zuerst traf sich Christian Lindner (FDP) mit Robert Habeck und Annalena Baerbock (beide Grünen) zum Sondieren. Erst als klar war, dass die beiden Parteien eine „Fortschrittskoalition“ bilden wollten, entschieden sie, wen sie dazu nehmen wollten: Scholz oder Armin Laschet (CDU).
Die neu gebildete Regierung hatte vier Trumpfkarten auf der Hand: eine sichere Mehrheit im Bundestag. Eine in sich zerrissene Oppositionspartei CDU und zwei Ausreden. Zum einen der schlechte Zustand, in dem Angela Merkel (CDU) der Ampel das Land übergeben hat. Zum anderen der Krieg in der Ukraine. Diese Regierung hätte durchaus ihren Bürgern einiges zumuten können, ohne sich – „Zeitenwende“ sei Dank – eng an Versprechen oder Koalitionsvertrag halten zu müssen.
Eine gute Regierung hätte diese Lage für eine gute Arbeit nutzen können. Doch eine gute Regierung war die Ampel nicht. Es war ein Zusammenschluss von Egoisten, die sich vor allem um sich selbst drehten, so wie mustergültig der Vizekanzler Robert Habeck, dem in der Politik drei Sachen wichtig sind: Ich. Wie reagieren die anderen auf mich. Und nochmal ich. Da diese Egoisten sich nur in der Berliner Blase bewegen, sind ihnen auch nur die Reaktionen dieser Blase wichtig. Selbst in der Verbotenen Stadt sind die Herrscher vom Volk nicht weiter entfernt gewesen als in Berlin. Dass sich dessen Parlament einen Graben um seinen Sitz bauen lässt, kann als Metapher gar nicht übertroffen werden.
Die Ampel regierte egoistisch. Was ihren Ministern nicht wichtig war, blieb aus. Etwa eine Reform des kranken Gesundheitswesens, die ihren Namen verdient gehabt hätte. Oder wurde mies erledigt wie die Reform der Krankenhäuser, die den Beitragszahlern höhere Kosten bringt, obwohl gleichzeitig die Klinik vor ihrer Haustür stirbt. Gemacht haben die Minister, wonach ihnen war. Bleiben wir beim Beispiel Karl Lauterbach (SPD). Noch so eine bizarre Geschichte des 20. Bundestags.
Der Mann aus Leverkusen konnte sich nicht entscheiden, ob er Impfstoffe schneller bestellen oder vernichten ließ. Für die Pharmaindustrie war der Sozialdemokrat mit der Vorliebe für noble Restaurants ihr Mann. Um für das Medikament Paxlovid zu werben, zog Lauterbach sogar mehrere Runden durch die Talkshows. Dabei fehlte ihm nur eine Schirmmütze mit dem Schriftzug des Produktes, um ihn als Werbeclown perfekt zu machen.
Scholz erklärte selbst vor der Bundespressekonferenz, dass er seine Minister nicht führen wolle. Er lasse sie machen und schaue, was dann passiere. So konnte sich Habeck die Notwendigkeit zurechtlügen, am Atomausstieg festzuhalten – trotz „Zeitenwende“. Oder in die Heizkeller der Bürger hineinzuregieren. „Arbeitsminister“ Hubertus Heil (SPD) durfte in einem Land, in dem „Arbeitskräftemangel“ herrscht, das Geld für erwerbsfähige Arbeitslose um 25 Prozent innerhalb eines Jahres erhöhen. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) konnte die Bürger in einen Krieg des Staates „gegen Rechts“ führen und die Gefahr des Islamismus für nichtig erklären. Blöd halt nur, wenn mittlerweile monatlich in dessen Namen Menschen Menschen töten. Justizminister Marco Buschmann (FDP) blamierte sich auf der „Jagd“ nach den Saboteuren der Nordstream-Pipeline und setzte ein Gesetz durch, dass es unter Strafe stellt, die Wahrheit beim Namen zu nennen. Der 20. Bundestag war voller bizarrer Handelnden und bizarrer Handlungen.
Entscheidend ist, was hinten raus kommt. Diese Weisheit galt noch im zwölften Bundestag, unter Kanzler Helmut Kohl (CDU). Doch auch eine aus dieser Perspektive gezogene Bilanz fällt nicht besser aus für die Regierung: Zwei Jahre in Folge ist die Wirtschaft geschrumpft, für das dritte Jahr sagt die Deutsche Industrie- und Handelskammer ein weiteres Schrumpfen von 0,5 Prozent voraus. Die Bundesrepublik ist in der größten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte – und es ist keine konjunkturelle Krise, die automatisch irgendwann endet, sondern eine strukturelle Krise, für die sich auch im 21. Bundestag keine Besserung abzeichnet.
Die Armee ist nicht verteidigungsfähig. Das sagt niemand Geringeres als ihr eigener Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Von Christine Lambrecht (SPD) oder Anne Spiegel (Grüne) schweigen wir an der Stelle. Die Polizei lässt sich von der Regierung instrumentalisieren, um deren Kritiker morgens um 6 Uhr mit Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen zu bestrafen. Doch die gleiche Polizei geht dem nicht nach, wenn ein Araber 100 Mal ankündigt, massenweise Menschen töten zu wollen – bis er das dann auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt tatsächlich macht. Wobei die staatlichen und staatsnahen Medien gerade ihren Umgang mit diesen Tätern ändern: Bisher hat die Wissenschaft bewiesen, dass diese Täter alle psychisch krank waren, folglich unzurechnungsfähig und sowieso Einzelfälle sind. Nun sollen diese unzurechnungsfähigen Einzelfälle Teil einer russischen Verschwörung gegen Deutschland sein. Der 20. Bundestag bot so bizarre Geschichten, dass es oft wie Ironie klingt, wenn man einfach nur schreibt, was ist.
Aber wir waren mit der Bilanz noch nicht fertig. Die Beiträge zur Krankenkasse steigen im Bundestag jedes Jahr. Sogar die Höhe der Steigerung steigt jährlich. Zuletzt dramatisch. Auch die Pflegebeiträge erhöht der 20. Bundestag mehrfach. Trotzdem müssen die Bewohner der Heime mittlerweile 3000 Euro an monatlichen Zusatzkosten zahlen und sind die Heime derart unterfinanziert, dass sie sich in einer Pleitewelle befinden. Das Schulsystem spuckt immer mehr Analphabeten aus – trotz oder wegen neun- oder zehnjähriger Schulzeit. Und das Recht auf Kinderbetreuung ist auch mehr theoretischer Natur. Die Bilanz des 20. Bundestags ist vielleicht bizarr, aber sicher nicht lustig.
20 Jahre lang hat Merz die machtpolitisch talentiertere Merkel ausgesessen. Nun will er nach 20 Jahren Reservebank im Schlafwagen ins Kanzleramt fahren. Seine eigene politische Bilanz der letzten drei Jahre: die Wahl des sozialdemokratischen Bundespräsidentenapparatschiks unterstützt. Eine Quote für Frauen durchgesetzt, der Frauen einen höheren Anteil in den Ämtern und Mandaten garantiert, als der Frauenanteil in der Partei ist. Öfters mit der Regierung gestimmt als gegen sie. Das Frauchen des Brüsseler Bürokratie-Monsters, Ursula von der Leyen (CDU), im Amt gehalten. Und in der eigenen Parteien Mitarbeiter befördert, die ihn vorher öffentlich brüskiert und offen bekämpft haben. Der 20. Bundestag kennt viele bizarre Geschichten. In vielen davon spielt Friedrich Merz die Hauptrolle.
Mit der Wahl geht der 20. Bundestag unweigerlich seinem Ende zu. Doch der 21. dürfte kaum besser werden. Entweder wird Merz Kanzler unter Habeck und Saskia Esken (SPD). Oder Scholz eine Volksfront aus linken Splitterparteien anführen wie den Grünen, den Linken, dem Bündnis Sahra Wagenknecht oder der FDP. Für eine Rückschau auf den 21. Bundestag droht das Wort „bizarr“ zu wenig, zu euphemistisch zu sein. Aber wer weiß, vielleicht ist die Kritik an der Regierung bis dahin auch offiziell verboten und es geht nur noch um die Frage, wer auf der nächsten Staatskundgebung das Plakat tragen darf: „Für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Gemeinsam mit unserer Zukunftsregierung gegen rechten Hass und Hetze“. Das wird toll.