
Der ehemalige Landtagsabgeordnete aus Baden-Württemberg, Heinrich Fiechtner, muss sich aktuell vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Zuvor wurde er bereits vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von über 70.000 Euro verurteilt. Dabei ist Fiechtner weder vorbestraft noch zuvor jemals strafrechtlich in Erscheinung getreten. Apollo News liegt die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sowie das Urteil des Amtsgerichts vor.
In dem Strafbefehl werden Fiechtner strafbare Handlungen in insgesamt 16 voneinander unabhängigen Fällen vorgeworfen. Doch nicht nur dieses Sammelsurium an Fiechtner vorgeworfenen Straftaten ist bemerkenswert, sondern auch deren zeitlicher Abstand zueinander. Demnach erstrecken sich die der Anklage zufolge strafbaren Handlungen von März 2019 bis in den November 2021.
Verwirklicht haben soll Fiechtner demnach Straftatbestände wie Beleidigung, das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen oder die öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an einer verbotenen Versammlung. Das Amtsgericht Stuttgart ist der Argumentation der Staatsanwaltschaft ganz überwiegend gefolgt. Erstinstanzlich wurde Fiechtner zu einer Geldstrafe von 485 Tagessätzen zu je 150 Euro – also insgesamt 72.750 Euro – verurteilt. Fiechtner ging nun in Revision und zog vor das Landgericht.
Fiechtner wird insbesondere im Zusammenhang mit der Corona-Politik das Begehen von Straftaten vorgeworfen. Auf seinem damaligen Telegram-Kanal „Dr. Heinrich Fiechtner Infokanal“ wurden die insgesamt 17 Bundes- und Landesgesundheitsminister als „Verbrecher“ und „Gesindel“ bezeichnet. Hintergrund des Textes war die Freigabe der Corona-Impfung für 12- bis 17-Jährige, ohne dass die STIKO eine entsprechende Empfehlung herausgegeben hätte. Fiechtner hat den zur Rede stehenden Text jedoch nicht einmal selbst verfasst, sondern dieser wurde lediglich über den Telegram-Kanal weitergeleitet.
Für die Gesundheitsminister Jens Spahn, Daniele Behrens, Claudia Bernhard, Heiner Garg, Petra Grimm-Benne, Kai Klose, Melanie Leonhardt sowie Ursula Nonnemacher war dies aber Grund genug, um Strafantrag gegen Fiechtner zu stellen. Amtsrichterin Anna Wegner erklärte im schriftlichen Urteil, dass diese Äußerungen von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt seien. „Im heutigen Sprachgebrauch“ würden die Worte „Gesindel“ und „Verbrecher“ als „Ausdruck der Missachtung“ gebraucht, hieß es in dem Urteil. Wegner verurteilte Fiechtner folglich allein hierfür zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen.
Die Liste der Vorwürfe geht weiter. In einem Video erklärte Fiechtner mit imitierender Stimmlage: „Geil, Merkel! Wollt ihr den totalen Corona-Kampf?“ Dabei streckte er seinen linken Arm aus dem Auto. Die Staatsanwaltschaft sah hierin das Zeigen des Hitlergrußes und mithin das Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen. Die Verteidigung Fiechtners widersprach dem und berief sich unter anderem darauf, dass selbst im öffentlich-rechtlichen Rundfunk entsprechende Gesten bereits satirisch verarbeitet worden seien.
Amtsrichterin Wegner folgte jedoch auch hier der Staatsanwaltschaft. In der mündlichen Urteilsbegründung erklärte sie: „Sie haben selbst gesagt, Sie werden immer dargestellt als also so ein Rechter, das ist wie gesagt, ich will die politischen Haltungen nicht kommentieren, aber das ist halt ein Auftreten, was Sie in der Öffentlichkeit haben, was man auch zu berücksichtigen hat.“ Die Argumentation des Gerichts hinkte auch daran, dass Fiechtner den linken und nicht den rechten Arm hob. Amtsrichterin Wegner zufolge sei dies jedoch unerheblich. Sie erklärte, dass die Handlung Fiechtners nicht eindeutig als Kritik an dem NS zu erkennen sei. Folglich verurteilte sie ihn auch hierfür zu 70 Tagessätzen à 150 Euro.
Im Übrigen soll sich Fiechtner immer wieder im Zusammenhang mit Corona-Demonstrationen strafbar gemacht haben. Dass er eine Versammlung anders durchgeführt habe, als er bei der Anmeldung angab, brachte Fiechtner eine Strafe in Höhe von 60 Tagessätzen ein. Zu einer untersagten Demo aufgerufen zu haben sowie eine Versammlung trotz Untersagung durchgeführt zu haben, führte dazu, dass Fiechtner noch einmal zu 60 beziehungsweise 70 Tagessätzen verurteilt wurde.
Gegen das Urteil hat Fiechtner Revision vor dem Landgericht eingelegt. Ob Fiechtner hier Erfolg haben wird, ist jedoch fraglich. Einen entsprechenden Beweisantrag, den vermeintlichen Hitlergruß mit einem Verweis auf Beiträge aus dem ZDF Magazin Royale von Jan Böhmermann als Satire zu werten, lehnte Richter Tilman Wagner ab. Stattdessen führte er hingegen eine in der Literatur kaum berücksichtigte Verordnung aus dem Jahre 1935 ein. In dieser heißt es, dass körperlich eingeschränkten Personen das Ausführen des Hitler-Grußes auch mit der linken Hand gestattet ist. Fiechtner kündigte bereits an, gegebenenfalls erneut in Revision zu gehen und das Verfahren im Zweifel auch vor dem Bundesverfassungsgericht auszufechten.