
In Thüringen bahnt sich ein politisches Erdbeben an: Die AfD und das BSW scheinen hinter den Kulissen ein Bündnis zu schmieden, das dazu dienen könnte, den ersten AfD-Regierungschef Deutschlands zu wählen. Frank Augsten, der Chef der BSW-Fraktion in Thüringen, hatte sich kürzlich mit seinem AfD-Pendant Björn Höcke getroffen und von einem „konstruktiven“ Gespräch berichtet. Auch die Spitzen beider Parteien – Alice Weidel, Tino Chrupalla und Sahra Wagenknecht – zeigen inzwischen Gesprächsbereitschaft.
Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke
„Wir haben ein intensives zweistündiges Gespräch geführt und konstruktiv die Lage des Freistaates Thüringen besprochen“, sagte Höcke in einer Mitteilung nach dem Treffen. Während der Sommerpause denke man über Lösungen konkreter Probleme nach. Augsten sagte: „Wir haben verabredet, dass wir uns nach der Sommerpause und nach Absprache mit unseren Fachleuten und Koalitionspartnern gegebenenfalls noch einmal zusammensetzen, um zu schauen, wie wir bei diesem ernsten Problem weiterkommen.“
Frank Augsten ist Fraktionsvorsitzender des BSW in Thüringen.
Es ist die erste konkrete Annäherung zwischen der AfD und dem BSW. Und eine Zusammenarbeit könnte direkt dafür sorgen, dass ein AfD-Politiker Regierungschef in einem Bundesland wird.
Fakt ist: Mit den 32 Sitzen der AfD und den 15 Mandaten des BSW hätte ein blau-violettes Bündnis mit 47 Stimmen die absolute Mehrheit im Erfurter Landtag. 45 Stimmen sind für die Mehrheit nötig. Die aktuelle Regierungskoalition aus CDU, BSW und SPD hat nur 44 Stimmen und ist im Zweifel jedes Mal auf die Zustimmung der Linken angewiesen.
Inzwischen ist die thüringische Gesprächsbereitschaft auch auf die Bundesebene geschwappt: „Es gibt Gespräche mit dem BSW“, sagte AfD-Chef Tino Chrupalla bei Welt. „Ich rede in Sachsen mit vielen Politikern, im Übrigen mit allen Parteien. Und da mache ich keinen Unterschied. Natürlich sprechen wir miteinander, natürlich gibt es Gespräche, natürlich spreche ich auch mit Frau Wagenknecht“, so Chrupalla weiter.
AfD-Chef Tino Chrupalla sagt, er Rede bereits mit BSW-Politikern.
Sahra Wagenknecht wollte zwar bisher nicht bestätigen, dass es bereits Gespräche zwischen den Parteispitzen gegeben hat, sagte jedoch zu Bild: „Wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja, selbstverständlich. Das sollte normal sein in einer Demokratie.“
Heißt: Nicht nur auf Landesebene, auch die Parteispitze ist dazu bereit, in Gesprächen mögliche Gemeinsamkeiten zu erörtern. Gerade im Osten der Republik entsteht so eine echte Machtoption für beide Parteien.
Wie NIUS aus hohen Parteikreisen der AfD erfuhr, wird darüber diskutiert, gemeinsam mit dem BSW den aktuellen Ministerpräsidenten Mario Voigt (CDU) abzuwählen, um gemeinsam einen AfD-Ministerpräsidenten ins Amt zu befördern. Offen ist, ob Landeschef Björn Höcke dieser Kandidat sein könnte.
Innerhalb der Partei ist auch von einem „Geert-Wilders-Szenario“ die Rede. Das niederländische Gesicht der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid hatte keinen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erhoben, um eine Regierung mit einem anschlussfähigeren Kandidaten zu ermöglichen. Höcke gilt als streitbarste Figur der Partei. Offen ist, ob Höcke auch dazu bereit wäre, für eine Regierungsbeteiligung seiner Partei einen Schritt zur Seite zu gehen.
Mehr NIUS: Sonntagsfrage: AfD holt wieder auf, BSW zurück bei 5 Prozent