Autoritär und dirigistisch: So grün wird die CDU unter Friedrich Merz

vor etwa 2 Monaten

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Bildquelle: NiUS

Es ist ein Satz, der Zuversicht ausdrücken soll und doch die Kapitulation belegt: CDU-Chef Friedrich Merz spricht über die Grünen, auf deren Zustimmung zum Milliarden-Schulden-Paket er angewiesen ist. „Wenn ich es richtig einschätze, dann ist ja vieles von dem, um nicht zu sagen, fast alles, was wir da vorschlagen, auch von den Grünen in der letzten Wahlperiode schon einmal vorgetragen worden.“

Auf offener Bühne gibt Merz zu: Wir machen grüne Politik. Es ist ein Bekenntnis von großer Tragweite, stehen die Grünen doch längst nicht mehr nur für Klimaschutz und Atom-Aus, sondern für ein autoritäres Staatsverständnis, in dem die Gewalt nicht vom Bürger ausgeht, sondern der Bürger seiner Regierung vielmehr zu dienen hat – und von der Regierung verleumdet werden darf, wenn er Kritik übt. Die CDU schickt sich dieser Tage an, mit der Macht auch die autoritären Methoden von den Grünen zu übernehmen.

Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken am Samstag bei der Verkündung der Sondierungs-Ergebnisse. Der Preis für die Union ist hoch.

Konservative sind seit jeher hin- und hergerissen zwischen ihrer Bewunderung für althergebrachte Autoritäten und gewachsene Ordnungen einerseits – und dem Glauben an die Kraft freier Individuen andererseits. Anders als Liberale, die stets die Freiheit wählen, oder Sozialisten, die sich im Zweifel für Kontrolle entscheiden, wägen kluge Konservative ab.

Und so hofften viele Unions-Wähler, dass sie nach Jahren der Merkel-Ära, in denen die individuelle Entscheidungsfreiheit dem Dogma der „Alternativlosigkeit“ wich, endlich ihr Kreuz bei einer liberaleren Union machen könnten. Zumal in den USA die Republikaner als dezidiert rechte Partei gerade eine freiheitliche Bewegung anführen und auch Javier Milei in Argentinien den Liberalismus in Popkultur verwandelt.

Doch die von Angela Merkel erdachten und unter der Ampel zur Vollendung gebrachten autoritären Methoden der Regierungsführung sind zu effektiv und werden von der links-grünen Journalisten-Bubble zu euphorisch gefeiert, als dass sich die Union ihrer entledigen würde.

In Windeseile sind Friedrich Merz und seine Jünger auf den Kurs der „Alternativlosigkeit“ eingeschert, beginnend bei der Außenpolitik. Wie Merkel, die einst den Deutschen weismachen wollte, der Euro sei „alternativlos“, weil sonst Krieg in Europa ausbräche, so erklärt auch Merz die Schulden für alternativlos, indem er mit Krieg droht. Im Gegensatz zu autoritären Herrschern vergangener Jahrhunderte ist es heute nicht mehr der selbst angezettelte Krieg, mit dem deutsche Staatschefs drohen, sondern der Krieg der Anderen: Wenn wir nicht investieren, überrennt Putin Europa.

Auch die Flüchtlingspolitik war 2015 für Merkel alternativlos.

Sogar von der Fake-News, dass Trump bei nächster Gelegenheit aus der Nato austreten werde, ließ sich Merz irreführen. Sie kam ihm gerade gelegen, um Milliarden-Schulden zu rechtfertigen, mit denen er allerdings keineswegs nur die Bundeswehr auf Vordermann bringen, sondern vor allem die Sozialdemokraten bestechen will. 500 Milliarden sollen in die Infrastruktur fließen, womit der Spardruck auf den öffentlichen Haushalt zunichtegemacht wird und eine liberale Finanzpolitik, ein „Afuera!“ in der Bürokratie und der Verwaltung, in weite Ferne rückt. Aber immerhin wird Merz Kanzler. Vielleicht.

Wer sich gegen diese kopflose Verschuldung ausspricht, dem wird – wie schon unter der Ampel – mit dem Tod gedroht. Hieß es damals „Wer gegen die Corona-Auflagen verstößt, bringt seine Oma um“, oder „Wer den CO2-Ausstoß nicht senkt, schickt seine Nachkommen ins Höllenfeuer“, so verbreiten CDU-Parteisoldaten nun auf X die Devise: Wer Merz’ Schulden-Paket kritisiert, ebnet Putin den Weg auf deutsches Territorium.

So bekennt Florian Hustede von der Jungen Union Oldenburg: „Ich bin echt kein Fan davon, die Schuldenbremse anzufassen, aber ich habe auf der anderen Seite auch wenig Lust auf Gulag.“ Für CDU-Mitglied Daniel Eck ist jeder, der im Bundestag gegen die Schulden stimmen will, Putin wohlgesonnen – sogar die Grünen, die bis vor der Wahl noch selbst das Monopol darauf besaßen, ihre Kritiker unter dem Schlagwort „Putin“ zu subsumieren.

Florian Hustede auf X.

Daniel Eck auf X.

Solche Wortmeldungen von eigentlich unbedeutenden CDU-Mitgliedern belegen, welche Rechtfertigungsstrategien man innerhalb der Union für die eigene Politik entwickelt. Gerade in den sozialen Netzwerken sind es häufig junge Parteimitglieder ohne wichtigen Posten, die die Außenkommunikation einer Partei prägen, wie in den vergangenen Jahren etwa bei der SPD und den Grünen zu beobachten war.

Nun erfasst dieses Phänomen auch die Union, wo der Ex-Minister und Merkel-Vertraute Peter Altmaier (CDU) in den autoritären Sound einschwingt und Kritikern der NGO-Fördermillionen vorwirft, sie würden „Narrative autoritärer Staaten bedienen“.

Peter Altmaier auf X.

Womit wir beim nächsten Thema wären, bei dem die Union sich links-grünen Wünschen beugt: den vermeintlichen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), die meist großzügig gefördert werden und sich im Wahlkampf explizit gegen den Kandidaten Merz stellten. Noch am Freitag vor der Wahl wollte die Union in einer Kleinen Anfrage wissen, wie viel Geld die NGOs vom Staat bekommen und in welchem Maße sie parteipolitisch aktiv sind. Mittlerweile aber wird diese Anfrage Unions-intern eher wie ein Fauxpas behandelt. Mit SPD-Chef Lars Klingbeil hat sich Merz „mit Beginn der Sondierungsgespräche auf einen Umgang mit den Fragen der Union verständigt“, wie die SPD die Welt wissen ließ.

Das Herzstück der NGO-Förderung, das im Familienministerium angesiedelte Bundesprogramm „Demokratie leben!“, will die Union laut Wahlprogramm ins Innenministerium verlegen. Die zivilgesellschaftliche Agitation würde also mit den Sicherheitsbehörden verzahnt, ein Traum für eine mögliche Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Die zwischenzeitlich aufflammende Kritik der Union an den NGOs muss man somit wohl als liberalen Ausrutscher der Partei werten.

In der Saarbrücker Johanneskirche wird im Sommer 2024 für die Gleichberechtigung getanzt – gefördert von „Demokratie leben!“

Auch andere Wordings übernimmt die Union mit Freude von den Linken. So ist im Sondierungspapier nicht von „illegaler“, sondern von „irregulärer Migration“ die Rede. Schließlich ist laut der linken Weltsicht „kein Mensch illegal“. Im Papier kündigen Union und SPD zudem an: „Die gezielte Einflussnahme auf Wahlen sowie die inzwischen alltäglichen Desinformationen und Fakenews sind ernste Bedrohungen für unsere Demokratie, ihre Institutionen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In Zeiten geopolitischer Spannungen müssen wir entschiedener denn je dagegen vorgehen. Dafür müssen wir der Digital Services Act (DSA) der EU auf nationaler Ebene konsequent durchsetzen.“

„Desinformation“ ist kein Rechtsbegriff und damit umso besser geeignet, um unliebsame Meinungen zu kriminalisieren. Indem die Union sich explizit an der Bekämpfung „alltäglicher“ Desinformation beteiligen will, setzt sie den Angriff auf die Privatsphäre fort, den die Grünen starteten – ihnen waren sogar die Gespräche am Gartenzaun ein Dorn im Auge, weil sie über diese keine Kontrolle ausüben konnten. Mit dem Plädoyer für den DSA bekennt sich die Union zu Meldestellen wie „REspect“, die als Trusted Flagger über die Kommunikation in sozialen Netzwerken wachen.

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Schließlich hat sich die Union auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik den grünen Phantasmen unterworfen. Ihre Wirtschaftskompetenz wollen die führenden Köpfe der CDU offenbar verleugnen, um die SPD von einem Bündnis zu überzeugen. Noch vor der Wahl ätzte Merz gegen grünen Stahl, der mit Wasserstoff hergestellt wird: „Wenn wir es mit Wasserstoff machen, dann ist die Tonne Stahl immer noch mindestens 300 Euro teurer als so, wie sie bisher konventionell erzeugt wird. Wo soll das Geld denn herkommen?“

Jetzt hat er eine Lösung gefunden, woher das Geld kommen soll. Vom grünen Wirtschaftminister Robert Habeck haben die Sondierer das Konzept der „Leitmärkte“ übernommen. Im Sondierungspapier heißt es dazu: „Wir wollen als marktgerechtes Instrument Leitmärkte für klimaneutrale Produkte schaffen, z.B. durch Quoten für klimaneutralen Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben.“

Konkret bedeutet dies: Die Regierung fördert nicht nur die Produktion des grünen Stahls, sondern zwingt Unternehmen auch dazu, ihn zu kaufen. Mit einem freien Markt hat dies nichts mehr zu tun. Angebot wie Nachfrage werden auf Kosten des Steuerzahlers manipuliert, um der Regierung das beruhigende Gefühl zu vermitteln, etwas fürs Klima getan zu haben. Für die Unternehmen sind solche Regulierungen Gift, verpflichten sie Unternehmen doch dazu, mehr Geld für die Produktion auszugeben als die ausländische Konkurrenz, was in der Folge die Produkte verteuert und die Wettbewerbsfähigkeit schmälert.

Friedrich Merz im vergangenen September bei einem Besuch im Stahlwerk der Georgsmarienhütte in Niedersachsen.

500 Milliarden Euro wollen CDU, CSU und SPD in die Infrastruktur „investieren“, für die Ausrüstung der Bundeswehr soll sogar die Schuldenbremse gelockert werden. Handelt es sich bei dem verteilten Geld, insbesondere für die Infrastruktur, tatsächlich um „Investitionen“, oder nicht eher um bloße Umschichtungen, die der Koalition finanziellen Spielraum für Wahlgeschenke verschaffen? Investitionen jedenfalls messen sich seither daran, dass der Investor ein Risiko eingeht, das sich finanziell auszahlen kann. Die Instandhaltung des Bestehenden zählt eher nicht als Investition.

Im Gesetzentwurf, mit dem die Schuldenbremse im Grundgesetz geändert werden soll, rechtfertigen Union und SPD die 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur mit „Studien“, die zu dem Ergebnis gekommen seien, „dass zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur unter anderem in den Bereichen Dekarbonisierung, Verkehr und Bildung, erforderlich sind“. Priorität beim Verteilen der Milliarden werden also dem Gesetz nach zu urteilen Projekte haben, die der „Dekarbonisierung“, also der CO2-Reduktion, dienen.

Womöglich schaffen es die Grünen bis Donnerstag, weitere Forderungen in den Gesetzesentwurf hineinzuverhandeln und so Merz’ Schulden-Paket zu retten, das ansonsten ohne die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit dasteht. Doch auch, wenn es hier nicht zu einer Einigung kommt, wird in diesen Tagen deutlich: Die Grünen müssen längst nicht mehr selbst regieren, um an der Macht zu sein. Die Union hat sich längst der linken Idee verschrieben, dass der Staat bessere Entscheidungen trifft als der Bürger.

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