
Ganz Aachen zeigte sich vergangene Woche schockiert. Der Grund: ein Angriff auf das indische Restaurant „Maharaja“, wo in der Nacht zum 26. Juni Unbekannte einbrachen, Hakenkreuze sowie Nazi-Parolen wie „Sieg Heil“ an die Wände schmierten. Zudem verwüsteten die unbekannten Täter das Inventar und legten Feuer mittels Benzin. Der Restaurantbesitzer Param Jid schilderte daraufhin den Schock: „Als ich ankam, brannte es im Ladeninneren, die Feuerwehr und die Polizei waren vor Ort.“
Wie auf Kommando folgte das übliche Ritual der Solidarität und demokratischer Selbstvergewisserung. Die parteilose Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen verkündete auf Instagram: „Das ist ein Angriff, der sich gegen Menschen richtet, gegen Vielfalt, gegen alles, wofür unsere Stadt steht.“ Die Aachener Zeitung berichtete ausführlich über den „rassistischen“ Anschlag, die „Omas gegen Rechts“ und das Bündnis „Wir sind Aachen“ organisierten am Sonntag eine Kundgebung am Elisenbrunnen, zu der laut Polizei 400 Menschen kamen. Die Linke verkündete: „Aachen steht zusammen“. Und selbst der einstige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet reiste in die geschichtsträchtige Stadt, wo einst Karl der Große residierte, um seine Solidarität auszudrücken.
Die Außenfassade des Restaurants im Alexianergraben in Aachen
Instagram-Kacheln mit Hashtags wie #AachenGegenRassismus fluteten unterdessen die sozialen Medien, und eine Spendenaktion brachte bis Sonntagmorgen knapp 15.000 Euro für die indischen Wirte ein. Am Samstag öffneten die Betreiber das verwüstete Lokal für Besucher, die Blumen, Schokolade und Hilfsangebote mitbrachten. Zwei Vertreterinnen der Gemeinschaft kurdischer Studierender überreichten Jid eine Karte und erklärten: „Den rassistischen Brandanschlag können wir nicht rückgängig machen. Wir können aber entschlossen gegen den Rechtsextremismus stehen.“
Doch die Erzählung vom rechtsextremen Anschlag erscheint immer fraglicher. Auffällig seien die Schmierereien selbst: Die Hakenkreuze sind falsch aufgesprüht – wie es überzeugt rechtsextreme Täter eigentlich nie sprühen würden. Auf dem Boden des Lokals prangt der Schriftzug „ACAB“, also eine Parole, die eher dem linksextremen Spektrum zugeordnet wird. Dazu kommen eklatante Rechtschreibfehler, etwa wurde der Satz „Dein Esen schmeckt scheise“ (in der Küche) oder „Ausländer Drecks“ (auf einer Mittelsäule) hinterlassen. Auch angesprühte Penisse und Teufelsgesichter wirken für ein rechtsextremes Gesamtwerk eher befremdlich.
Auch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft lassen Zweifel aufkommen. Staatsanwältin Johanna Boomgaarden erklärte bei Bild: „Entweder war der Täter selbst Ausländer oder es handelt sich um einen Deutschen mit sehr schlechten Deutschkenntnissen.“ Ein Marketing-Mitarbeiter des Restaurants wies ebenfalls auf die Fehler und die untypische Parole hin. Die Staatsanwaltschaft ermittele in alle Richtungen, heißt es, hält einen rassistischen Hintergrund aber für keineswegs gesichert.
Die Parolen wurden mit roter Farbe angebracht.
„Ausländer Drecks“ steht auf einer Wand.
Auch das Innere wurde verwüstet.
Solch eine Tat dürfte, unabhängig von den Tätern, dennoch zweifelsfrei Einzug in die politisch motivierte Kriminalität (PMK) rechts halten, nutzten die Täter doch rassistische Beleidigungen und ein Hakenkreuz. Dieses Phänomen ist nicht neu: In Osnabrück etwa wurde 2023 ein 50-jähriger Mann schuldig gesprochen, 41 rechtsextreme Drohschreiben fingiert zu haben, die Moscheen, Kirchen und Kitas bedrohten und Bezug auf den NSU 2.0 nahmen. Erst nach monatelanger Empörung und Schutzmaßnahmen für die betroffenen Einrichtungen stellte sich heraus, dass der Täter psychisch krank war und sich durch einen privaten Konflikt um 1.250 Euro rächen wollte. Auch in Herne war vor wenigen Monaten der Fall eines erfundenen rassistischen Angriffs auf eine Mutter mit Kind publik geworden.
Der Vorfall in Aachen erinnert zudem an den Fall eines kurdischen Wirts aus Chemnitz, der 2018 einen rechtsextremen Anschlag auf sein Restaurant fingierte, um Versicherungsbetrug zu begehen. Ali T., Besitzer eines anatolischen Restaurants, inszenierte einen Brandanschlag mit Hakenkreuzen und rassistischen Parolen, um Schadensersatz zu kassieren. Erst nach intensiven Ermittlungen wurde klar, dass er selbst hinter der Tat steckte. Inzwischen wurde T. zu acht Jahren Haft verurteilt.
Ein Hakenkreuz im Büro: Der 64-jährige Wirt hat nun Angst vor Nazis.
Ein möglicher Kontext macht die Sache noch fragwürdiger: Der Besitzer Param Jid berichtete von einem Streit mit einem Gast wenige Tage vor der Tat. Der Kunde habe sich geweigert zu zahlen, sei aggressiv geworden und habe Jids Sohn mit einem Messer bedroht, bevor die Polizei einschritt. Jid zeigte den Mann an.
Ob dieser Vorfall mit dem Angriff zusammenhängt, ist unklar. Der Wirt gab derweil schon bekannt, dass er sich aktuell nicht in der Öffentlichkeit zeigen möchte – aus Angst, von Rechtsradikalen verfolgt zu werden.
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