
Es sollte eine Koalition des Aufbruchs, der Tatkraft und des neuen Stils sein: Anpacken statt streiten. Doch schon bei den ersten größeren Vorhaben hakt es zwischen dem Bundesfinanzministerium von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) und dem Kanzleramt. Hintergrund ist der sogenannte „Investitionsbooster“, der auch im Koalitionsvertrag in Zeile 1430 glasklar formuliert ist: „Wir werden einen Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 einführen.“
„Wir werden“ und „2025“ klingen für normale Ohren nach einer Einigung, die klarer und eindeutiger nicht geht. Doch im Referentenentwurf des Finanzministeriums, der NIUS vorliegt, findet sich eine Formulierung, die aufhorchen lässt: „Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nach dem 30. Juni 2025 und vor dem 1. Januar 2028 angeschafft oder hergestellt worden sind, kann der Steuerpflichtige statt der Absetzung...“
Mit anderen Worten: Investitionen, die Firmen im ersten Halbjahr 2025 in Treu und Glauben auf die mündlichen Ankündigungen des Kanzlers getätigt haben, fallen nicht unter den „Booster“.
Erst dieser Tage hatte Friedrich Merz (CDU) in den ARD-Tagesthemen erneut darauf hingewiesen, dass die Sonderabschreibungen rückwirkend ab 1. Januar 2025 gelten sollten. „Wir sind auf einem guten Weg, dafür zu sorgen, dass die Steuererleichterungen für die Unternehmen in Kraft treten können (…) wir wollen ja auch die Abschreibungsmöglichkeiten rückwirkend für das ganze Jahr 2025 ermöglichen“, so der Kanzler noch am vergangenen Mittwoch. Dies habe er auch mit Vizekanzler und „ausführlich besprochen“. Offenbar nicht ausführlich genug, als dass es auch in den Entwurf gefunden hätte.
Finanzminister Lars Klingbeil.
Wer versucht, bei den Wirtschaftspolitikern und Haushältern der Koalition herauszufinden, ob der Finanzminister hier einen kleinen Aufmerksamkeitstest eingebaut hat, ob die Abgeordneten im Bundestag auch die Vorlagen wirklich lesen, bekommt keine Antwort. Das Parlament kann die Vorlagen der Regierung selbstverständlich noch ändern und die volle Gültigkeit für das Jahr 2025 in den Text schreiben.
In dieser frischen Phase der Koalition halten sich die Fachpolitiker von Union und SPD allerdings erst einmal bedeckt, weil man weder die eigenen Frontleute beschädigen will, noch einen Streit vom Zaun brechen, wenn es sich womöglich doch nur um ein Versehen handeln sollte. Letzteres ist bei Beamten im Finanzministerium allerdings eher unwahrscheinlich. Wer gerade nach einem Regierungswechsel als kleiner Zuarbeiter anfängt, selbst Politik machen zu wollen, findet sich schnell in der sprichwörtlichen „Besenkammer“ wieder und kann seine Karriere vorerst vergessen.
„Wahrscheinlicher ist, dass Klingbeil es einfach mal versuchen wollte, ob und wie weit er damit durchkommt“, sagt ein Finanzpolitiker der Union, der nicht genannt werden will. Denn wo immer solche kleinen vermeintlich technischen Streitigkeiten auftauchen, können hinter den Kulissen Pokergeschäfte aufgemacht werden, weil die SPD Steuersenkungen im Grunde überhaupt nicht will. Im Gegenteil.
Damit aber die Stimmung nicht gleich nach dem Start mit solchen Vorwürfen belastet wird, halten sich erst einmal alle zurück. Und nehmen die Erkenntnis mit, in Zukunft sämtliche Vorlagen mit größter Aufmerksamkeit zu lesen.