Abstimmungen im alten und neuen Bundestag

vor etwa 2 Monaten

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Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h) steht auf der Tagesordnung des Bundestages für den 13. März 2025 (213. Sitzung). TE hat berichtet, dass die Mechaniker der Parteienbürokatie die Feststellung des Wahlergebnisses verzögert haben, damit der alte Bundestag mit Zweidrittelmehrheit beschließen kann, welche die Wähler den Rest-Ampel-Parteien zusammen mit CDU/CSU im neuen Bundestag nicht mehr gegeben haben.

Wie die Abstimmungen am 13. März ausgehen, wird die Stimmung für den Tag der Kanzlerwahl durch den neuen Bundestag weiter anheizen. Greifen die Fraktionen zum schärfsten Disziplinierungsmittel, der namentlichen Abstimmung, können sie nicht sicher sein, ob das diesmal mehr zu ihrem gewünschten Ergebnis beiträgt oder mehr dagegen.

333 Abgeordnete des alten Bundestages gehören dem neuen nicht wieder an. Ihnen schlägt der Zorn enttäuschter und wütender Wähler zuhause in ihren Wahlkreisen genauso entgegen wie den neu gewählten Abgeordneten. Aber den meisten von ihnen können die Fraktionsvorderen nicht mehr nutzen oder schaden. Außerdem hat der eine oder andere mit einem oder mehreren der Oberen alte Rechnungen offen. Das Potential abweichender Stimmabgabe oder einfach des Fernbleibens von der Abstimmung ist unkalkulierbar groß.

Der Bundeskanzler wird vom neuen Bundestag gewählt. Von heute aus gesehen ist wahrscheinlich, dass Bundespräsident Steinmeier Merz als Kandidaten vorschlagen wird. Die Abgeordneten haben ihre Stimmen dann geheim abzugeben. Der neue Bundestag hat 630 Abgeordnete. Die notwendige absolute Mehrheit – traditionell  „Kanzlermehrheit“ genannt – beträgt daher 316 Stimmen. Die Unionsfraktion hat 208 Mitglieder, die der SPD 120, der Grünen 85, der Linken 64 – der AfD 152, dazu kommt ein Fraktionsloser.

Merz wäre gewählt, bekäme er alle Stimmen der geplanten Koalition der Unwilligen von Union und SPD (328) – oder kompensierten Einzelne von den Grünen oder aus anderen Fraktionen genug Stimmen, was von den Abgeordneten der Union und der SPD fehlte.

Verfehlt Merz die Kanzlermehrheit, muss innerhalb von 14 Tagen der zweite Wahlgang stattfinden. Wann genau, liegt bei der Geschäftsordnungsmehrheit, der einfachen Mehrheit der anwesenden Abgeordneten. Im zweiten Wahlgang hat der Bundespräsident keine Rolle. Neue Kanzlerkandidaten, die nicht Mitglied des Bundestages sein müssen, können von jedem Mitglied des Bundestages vorgeschlagen werden. Dass Merz auch im zweiten Wahlgang vorgeschlagen wird, halte ich für wahrscheinlich (sicher ist es nicht). Jeder Abgeordnete könnte andere Vorschläge machen. Der Phantasie, wer da was aus der Union selbst heraus oder anderen Fraktionen an taktischen Zügen machte, sind keine Grenzen gesetzt.

Erreicht keiner die Kanzlermehrheit, findet unverzüglich (vor Ablauf der oben genannten 14 Tage insgesamt) ein dritter Wahlgang statt. Das Vorschlagsrecht entspricht dem im zweiten Wahlgang. Erreicht ein Kandidat die Kanzlermehrheit, muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen zum Bundeskanzler ernennen. Erreicht ein Kandidat nur die relative Mehrheit, die meisten Stimmen, muss der Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen ernennen oder den Bundestag auflösen (und damit Neuwahlen auslösen).

In der aktuellen Lage könnten im zweiten Wahlgang sowohl Merz wie Klingbeil als Kandidaten vorgeschlagen werden – und weitere. Wählen 120 SPD-Abgeordnete, 85 der Grünen und 64 der Linken relativ geschlossen Klingbeil, bräucht es an die 40 Abgeordnete aus anderen Fraktionen für die absolute Mehrheit. Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Dass CSU-Söder vorgeschlagen wird, halte ich für unwahrscheinlich, aber ausgeschlossen ist nichts. Ob die AfD Weidel vorschlägt als Gelegenheit für Proteststimmen aus allen anderen Fraktionen? Ob jemand Baerbock und/oder Habeck benennt? Oder, oder? Der Phantasie, wer da was an taktischen Zügen machte, sind, wie oben im zweiten Wahlgang, keine Grenzen gesetzt.

Was bei den Abstimmungen über die Verfassungsänderungen im alten Bundestag für die 333 Abgeordneten gilt, die ausscheiden, gilt im neuen Bundestag bei der Kanzlerwahl für alle, da geheim gewählt wird. Jeder könnte irgendwem irgendwas heimzahlen. Offene Rechnungen, vor allem in der eigenen Fraktion, aber auch in denen früherer Koalitionspartner, gibt es zuhauf.

Im zweiten Wahlgang könnten auch viele AfD-Abgeordnete Merz wählen, um seine Wahl zu „kontaminieren“. Dann träte für Merz der „Brandmauerfall“ ein. Nähme er die Wahl an, wäre die Brandmauer gefallen. Es würde die erste Minderheitenregierung in der BRD-Geschichte geben. Nähme Merz die Wahl nicht an, wäre wohl der Kandidat mit der nächstgrößten Stimmenzahl gewählt. Oder neue Kandidaten treten an. Und dann wie gehabt. Wer die meisten Stimmen hätte, wäre gewählt – und so weiter.

Diese Kanzlerwahl kann ganz glatt laufen oder ganz spannend. Licht am Ende des Tunnels für Land und Leute sehe ich nicht, aber unterhaltsam bleibt es. Pardon fürs Zynische daran.

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