
Abu Walaa, der frühere ISIS-Prediger Deutschlands, hat zwei Frauen und sieben Kinder. Eine Veränderung im deutschen Eherecht ermöglichte vor vielen Jahren ein bis heute unbeachtetes Schlupfloch für die Scharia. NIUS sprach mit Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann über den Zweitfrauen-Komplex, der – von Abu Walaa ausgehend – auf ein systematisches Problem verweist.
Am Mittwoch entschied das Düsseldorfer Verwaltungsgericht, dass Ahmad Abdulaziz Abdullah A., besser bekannt als Abu Walaa, ausgewiesen werden darf, da er eine zu große Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt – NIUS berichtete vor Ort. Auch Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann, die seit Jahren zur islamistischen Szene in Deutschland recherchiert und schreibt, schaute sich das Prozessende an. NIUS traf sie im Anschluss an das Verfahren zu einem Interview.
NIUS: Frau Herrmann, Sie sprechen im Fall von Abu Walaa von einem sogenannten „Zweitfrauen-Komplex“. Islamisten wie er würden gezielt die Schwächen des deutschen Rechts ausnutzen – vor allem im Umgang mit islamischer Vielehe –, um den Staat finanziell auszubeuten. Was ist das „Geheimnis der Zweitfrauen“?
Sigrid Herrmann: Ja, das ist ein systematisches Phänomen. Die Praxis der islamischen Eheschließung hat in den letzten zehn, fünfzehn Jahren stark zugenommen – auch, weil sich das deutsche Eherecht geändert hat. Früher war eine religiöse Trauung erst nach einer standesamtlichen erlaubt. Heute ist das freigestellt – das heißt, viele lassen sich nur noch religiös trauen, etwa durch einen Imam. Für das deutsche Recht ist das dann keine gültige Ehe – die Frau ist also rechtlich kaum abgesichert. Aber in der Praxis hat diese Lockerung die Bedeutung der islamischen Ehe stark aufgewertet.
NIUS: Und was bedeutet das für die Kinder solcher Ehen?
Herrmann: Da macht es keinen Unterschied. Seit 1998 sind nichteheliche Kinder ehelichen gleichgestellt – auch erb- und unterhaltsrechtlich. Wenn der Vater die Vaterschaft anerkennt, ist die rechtliche Lage weitgehend dieselbe.
Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann beobachtet und analysiert den Aufbau islamistischer Strukturen seit vielen Jahren – detail- und kenntnisreich.
NIUS: Und was genau ist bei Abu Walaa der Vorteil bei den früh geschlossenen Ehen?
Herrmann: Ganz platt gesagt: Die erste Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit sicherte ihm den Aufenthalt. Ich habe mir notiert: Heirat im November 2003 – also mit Anfang 20. Er kam 2001 als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Schon damals lief nach meiner Erinnerung viel über die NGO Pro Asyl, die besonders Menschen aus dem Nordirak unterstützte. 2001 bekam er eine Aufenthaltserlaubnis, 2003 heiratete er eine Deutsche – damit war sein Aufenthalt gesichert.
NIUS: Warum schloss Abu Walaa noch eine zweite Ehe?
Herrmann: Mehr Kinder, Sex, Status. In der JVA Willich soll er gesagt haben, er habe „Anspruch auf vier Frauen“. Das zeigt, wie stark dieses islamische Denken – Männer dürfen vier Ehefrauen haben – bei ihm verankert ist. Und welchen Wert er sich selbst beimisst.
NIUS: Nach islamischem Recht ist Vielehe doch nur erlaubt, wenn man die Frauen auch versorgen kann.
Herrmann: Genau. Und das kann er eben nicht – da springt der deutsche Sozialstaat ein. Für Imame ist das aber kein Problem. Denn im islamischen Denken ist Allah der Versorger. Solange Geld da ist – egal woher –, wird das nicht hinterfragt. Der deutsche Staat ermöglicht also unfreiwillig auch islamistische Strukturen.
NIUS: Das heißt, auch die Imame akzeptieren diese „Versorger-Fiktion“? Es ist ja nicht der islamische Mann, der seine Familie versorgt – sondern der deutsche Staat. Und trotzdem wird genau diese staatliche Alimentierung im islamischen Kontext als Versorgungskraft anerkannt. Das ist eigentlich absurd.
Herrmann: Ja – aber im islamischen Denken ist es nicht absurd. Für sie kommt das Geld letztlich von Allah. Der deutsche Steuerzahler wird da ausgeblendet. Deshalb gibt es da auch selten Unrechtsbewusstsein. Manche Prediger raten ihren Anhängern schon, ihrer Pflicht als Mann nachzukommen, aber die Unterstützung vom Amt sieht ja keiner.
NIUS: Wissen Sie, ob die Frauen Musliminnen sind?
Herrmann: Die zweite Frau vermutlich ja – nach einem Pressebericht wurde die Frau mit Hijab gesehen. Bei der ersten bin ich mir nicht sicher. In der Verhandlung fiel der Nachname „P.“ [Name von Redaktion anonymisiert], das klingt deutsch. Aber: Welche nicht-muslimische Frau würde freiwillig zur Zweitfrau werden, wenn sie von der anderen weiß? Das ist ja auch bei normalen Muslimen unüblich.
NIUS: Sie würden sagen, Abu Walaa hat sich das deutsche Sozialsystem sehr gezielt zunutze gemacht?
Herrmann: Absolut. Seine Erwerbsbiografie spricht für sich. Von 2002 bis 2006 zahlte er wohl in die Rentenversicherung ein. Danach: lange nichts. Dann mal kurz 2015. Seit 2016 Hartz IV. Nach üblichen Maßstäben bestenfalls ein Gelegenheitsarbeiter – mit sehr fragwürdiger Arbeitsmoral. Aber wohl recht erfolgreich in der Schattenwirtschaft islamistischer Seminare.
Abu Walaa wird aus dem Saal des Verwaltungsgerichts abgeführt.
NIUS: Und jetzt will er sich „selbstständig machen“, wie er dem Gericht sagte.
Herrmann: Ja. Als was? Seminare geben? Er ist völlig ungebildet. „Beruf und Berufung“ sind islamistische Vorträge. Das wirft auch steuerliche Fragen auf: Viele dieser Prediger leben wohl von Spenden, Sammlungen, religiösen Reisedienstleistungen. Aber wird das ausreichend geprüft? Ich hoffe immer, dass Finanzamt und ggf. die Steuerfahndung da ein Auge darauf hat.
NIUS: Um nochmal zurück zum Anfang zu kommen: Müsste man das deutsche Eherecht nicht einfach wieder verschärfen? Die Möglichkeit, erst religiös und dann standesamtlich zu heiraten, hat das Problem ja erst geschaffen.
Herrmann: Auf jeden Fall, wobei ich das nicht einmal als Verschärfung sehen würde. Es geht gar nicht darum, wen jemand heiratet – sondern in welcher Reihenfolge getraut wird und mit wie vielen Personen man gleichzeitig verheiratet sein kann. Wenn man die Regel wieder einführen würde, dass religiöse Ehen erst nach einer standesamtlichen erlaubt sind, könnten diese Imam-Ehen nicht so leicht geschlossen werden, eher im Ausland. Und dann gäbe es weniger Fälle, in denen Zweitfamilien parallel vom Bürgergeld leben.
NIUS: Also der deutsche Staat hilft bei der Scharia ein bisschen mit?
Herrmann: Überspitzt gesagt: Der deutsche Staat fördert sie sogar. Ohne es zu wollen, aber sehr wirksam. Und jede Regelung, die eigentlich auf Offenheit und Toleranz abzielt, kann missbraucht werden – von Leuten, die genau wissen, wie sie ihren Vorteil daraus ziehen.
NIUS: Wohin führt diese Entwicklung?
Herrmann: Es gibt ganze Familien, die über Generationen hinweg Hassprediger hervorgebracht haben. In Bonn etwa gibt es einen, der heute noch predigt, ein Weggefährte von Pierre Vogel, dessen Vater schon auffiel. Oder Usama A., ein alter Islamist aus dem Hamburg-Umfeld von 9/11. Sein Sohn baut gerade neue Strukturen in Wuppertal auf. Es ist ein Milieu, das sich reproduziert. Wenn man solche Leute nicht ausweist – auch wenn es hart erscheint –, schadet man am Ende der Gesellschaft. Und auch den Kindern. Mit einem Terroristen- oder Hassprediger-Vater kann man nicht zur Klassenfeier.
NIUS: Vielen Dank für das Interview!
Lesen Sie auch:Religiöser Druck an Hamburgs Schulen: Muslimische Kinder bedrohen Mitschüler