
Der irakische Hassprediger Abu Walaa, einst zentrale Figur des Islamischen Staates in Deutschland, soll nach seiner Haftentlassung abgeschoben werden. Damit es dazu kommt, hat die Ausländerbehörde ihm den Aufenthaltstitel entzogen – gegen diesen Verwaltungsakt wehrt sich der Islamist nun juristisch. Am 11. Juni wird das Verwaltungsgericht Düsseldorf über die Rechtmäßigkeit der Ausweisung entscheiden.
Die Brisanz des Verfahrens liegt auf der Hand: Wenn es dem deutschen Staat nicht gelingt, selbst einen verurteilten IS-Terroristen wie Abu Walaa nach seiner Haft auszuweisen und abzuschieben – einen Mann, der als zentraler Akteur eines islamistischen Netzwerks gilt, der junge Männer radikalisiert und direkt in den syrischen Krieg geschickt hat –, dann stellt sich die Frage, bei wem Abschiebungen überhaupt noch gelingen sollen.
Ein Scheitern der Abschiebung würde ein verheerendes Signal senden – nach innen wie nach außen. Es wäre ein Beleg dafür, dass selbst bei den gefährlichsten Straftätern weder politische noch juristische Mittel greifen, um den Schutz der Gesellschaft über das Bleibeinteresse des Einzelnen zu stellen. Wer in einem solchen Fall keine klare Entscheidung herbeiführen kann, dokumentiert letztlich die eigene Ohnmacht.
Der 33-jährige Iraker Abu Walaa während einer Gerichtsverhandlung am Oberlandesgericht Celle im September 2017.
Abu Walaa, mit bürgerlichem Namen Ahmad Abdulaziz Abdullah Abdullah, war 2021 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Celle sah es als erwiesen an, dass er ein zentrales Rekrutierungsnetzwerk für den IS aufgebaut und junge Muslime in den Dschihad geschickt hatte.
Aktuell sitzt er noch in Haft, seine reguläre Entlassung wäre für 2027 vorgesehen. Sollten Abu Wallahs juristische Schritte scheitern, würde er vor Ende seiner Haftstrafe abgeschoben werden. Er war wohnhaft in Tönisvorst im Kreis Viersen und dort gemeldet. Derzeit ist er in der Justizvollzugsanstalt Willich untergebracht.
Schon einmal hatte Abu Walaa versucht, sich mit einem Eilantrag gegen seine Ausweisung zu wehren – ohne Erfolg. Das Gericht stellte damals fest, dass der Mann eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle. Auch seine familiäre Situation – er hat sieben Kinder – wiege nicht schwerer als das Ausweisungsinteresse des Staates.
Polizeikräfte sichern den Eingang des Oberlandgerichts Celle während des Prozesses gegen Ahmad Abdulaziz Abdullah A., auch bekannt als „Abu Walaa“, am 24. Februar 2021.
Das kommende Verfahren soll nun klären, ob die Ausweisung verhältnismäßig ist, indem Bleibe- und Ausweiseinteressen gegeneinander abgewogen werden. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf betonte gegenüber NIUS, dass dieser Ausweisungskomplex einem weiteren Schritt – der eigentlichen Abschiebung – vorgelagert sei.
Abu Walaa hat nämlich beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asylantrag gestellt. Er begründet seinen Antrag mit der Gefahr einer möglichen Todesstrafe im Irak. Nach deutschem Recht gilt: Eine Abschiebung ist erst möglich, wenn laufende Asylverfahren abgeschlossen sind.
Das Verwaltungsgericht erklärte gegenüber NIUS, dass das Asylverfahren nicht Gegenstand der Verhandlung am 11. Juni sein wird. Allerdings verwies es darauf, dass laut EU-Richtlinien, die in das deutsche Recht übersetzt wurden, Straftätern wie Abu Walaa der Anspruch auf Asyl verweigert werden kann, weil Terroristen wie er nicht in die Kategorie Flüchtling fallen. Allerdings könnten sogenannte Abschiebungsverbote greifen, wenn dem Betroffenen im Zielland konkret Folter oder Tod drohen – vollkommen unabhängig vom Asylstatus.
Der irakische Angeklagte Abu Walaa klopft an eine Glasscheibe, als er am 24. Februar 2021 in einem Gerichtssaal des Oberlandgerichts Celle, eintrifft.
Abu Walaa war im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die ihm nun entzogen wurde. Darüber hinaus hatte die Ausländerbehörde angeordnet, dass er sich nach der Haft in einer bestimmten Stadt aufzuhalten und sich täglich bei der Polizei zu melden habe – Maßnahmen, die Teil des Verwaltungsverfahrens sind.
Der gebürtige Iraker war 2001 nach Deutschland eingereist und hatte Asyl beantragt. Später trat er als islamistischer Prediger in Erscheinung, vor allem in der Moschee des inzwischen verbotenen Vereins „Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim“. Von dort aus radikalisierte er Jugendliche und knüpfte ein Netzwerk salafistischer Extremisten. Die Zentrale für politische Bildung informiert: „Über Jahre war die Hildesheimer Moscheegemeinde – auch durch das Betreiben von Abu Walaa – ‚das faktische Zentrum des IS in Deutschland‘ (Klevesath et al.) und ein Brennpunkt dschihadistischer Ausreiseaktivität in Deutschland – ein sogenanntes ‚Hotbed‘ (deutsch: „Brutstätte“).“
Abu Walaa geriet nicht nur ins Visier der Behörden, sondern auch in Konflikt mit anderen prominenten Salafisten in Deutschland. Während Abu Walaa offen Sympathien für den IS zeigte, lehnten bekannte Prediger wie Pierre Vogel die Terrormiliz ausdrücklich ab. Die ideologischen Differenzen führten zu einer tiefen Spaltung innerhalb der Szene – mit drastischen Konsequenzen: Der IS rief seine Anhänger daher zur Tötung von Vogel auf. Dieser postete nach der Festnahme Walaas auf seiner Facebookseite: „Möge Allah uns vor dem Übel des ‚Abu Walaa‘ und seinen Lügen bewahren.“
Hassprediger Abu Walaa, der als faktischer Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Deutschland gilt, verbirgt sein Gesicht, als er am 26. September 2017 zur Prozesseröffnung in Celle bei Hannover eintrifft.
Bekannt wurde Abu Walaa als der „Prediger ohne Gesicht“, da er in seinen Videopredigten meist nur von hinten gezeigt wurde. Auf seiner Facebook-Seite folgten ihm über 25.000 Menschen. Die Sicherheitsbehörden hatten ihn schon länger im Visier, konnten ihm aber zunächst nichts nachweisen – bis ein Rückkehrer aus Syrien als Kronzeuge aussagte.
Dieser Kronzeuge, ein junger Deutsch-Türke, hatte nach eigenen Angaben unter Walaas Einfluss den Weg zum IS gefunden. Im August 2015 reiste er mit seiner Familie über die Türkei nach Syrien, ließ sich dort militärisch ausbilden und warb von dort aus weitere Muslime zur Ausreise ins IS-Gebiet an. Als er im September 2016 nach Deutschland zurückkehrte, wurde er am Flughafen Düsseldorf auf Anordnung des Generalbundesanwalts festgenommen. Erst durch seine Aussagen kam die Justiz an belastbares Material gegen Abu Walaa.
Auch Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, soll Teil des Netzwerks um Abu Walaa gewesen sein. Umso bedeutsamer ist die anstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts, ob der Weg zur Abschiebung freigemacht wird. Im bestehenden Asyl- und Migrationschaos wird der Ausgang des Verfahrens nicht nur praktisch, sondern auch symbolisch eine große Rolle spielen.
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