
Man muss kein guter Ping-Pong-Spieler sein, um Timo Boll zu bewundern. Aber jeder, der wie Ex-Gesundheitsminister Lauterbach schon mal im Keller an der Platte den Schläger geschwungen hat, sollte diesen Sportler verehren.
Timo Boll ist Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler aller Zeiten. Im Ping-Pong-Mutterland China braucht er Polizeischutz, er ist bekannter als Angela Merkel. In Deutschland lebt er am liebsten mit seiner Familie in einem Wohnwagen, damit er seine Lieben möglichst oft sehen kann. Boll hat 40 Medaillen bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, Europa- und deutschen Meisterschaften gewonnen, er war dreimal die Nummer Eins in seinem von Chinesen dominierten Sport. In wenigen Tagen spielt er zum letzten Mal. Er ist 44 Jahre alt. Er ist in seinem Sport ein Weltstar wie Boris Becker im Tennis. Aber dass ich ihn verehre, hat weniger mit Tischtennis zu tun.
Timo Boll ist 300 Tage im Jahr in der ganzen Welt unterwegs. Er kennt alle Metropolen von Paris über Tokio nach Peking, denn er hat überall schon gespielt. Aber nach einem langen Sportlerleben sehnt er sich nach dem, was ihn geprägt hat – nach seiner Heimat.
Timo Boll ist Deutschlands erfolgreichster Tischtennisspieler aller Zeiten. In China ist er bekannter als Angela Merkel.
Er ist in Erbach in Hessen geboren worden. Er lebt im Odenwald, er trainiert am Rande des Städtchens Höchst – immer noch in seiner alten Halle. Still, idyllisch, gemächlich ist es dort: Wiesen, Kuhweiden, kleine Wäldchen. Das ist der Ort, an dem vor 30 Jahren eine einzigartige Karriere begann, die einen Odenwälder Jungen zum Weltstar werden ließ.
Was er über seine Heimat sagt, könnten Millionen Menschen sagen. Er formuliert ein Gefühl, das tief in ihm steckt – und dass er, ohne zu zögern ausspricht. Er sagt: „Wir wohnen hier im Grünen am Waldrand, morgens höre ich Vogelgezwitscher. Meine Familie und Freunde sind hier. Und da geht’s beileibe nicht immer um Tischtennis. Dieses Abschalten im ganz normalen Leben, das habe ich über all die Jahre gebraucht, um zu entspannen. Irgendwann habe ich mir das auch in meine Verträge schreiben lassen, dass ich weiter zu Hause wohnen und trainieren kann. Das ist ein seltenes Privileg.“
Was nun ist an Timo Boll so besonders? Als Tischtennisspieler sage ich vielleicht: sein Linkshänder-Vorhand-Topspin. Und von mir aus auch sein Aufschlag.
Aber mein gesunder Menschenverstand bewundert an ihm noch etwas anderes: Er ist einer von uns geblieben. Er kennt alle Großen des Sports, denn er ist selbst einer. Er liebt Fußball (Borussia Dortmund), Basketball (sein bester Freund ist Dirk Nowitzki) – er ist buchstäblich der Mann für alle Bälle. Aber er ist nicht abgehoben, niemals. Und er ist fair wie kaum ein andrer. In einem Halbfinale einer Weltmeisterschaft gegen einen Chinesen gab der Schiedsrichter den Ball seines Gegners aus. Boll korrigierte – und verlor am Ende. Ehrlichkeit war ihm wichtiger als der Sieg.
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