
Wirkungstreffer Weidel.
Immer wieder arbeitete sich Kanzler Friedrich Merz (CDU) in der Generaldebatte des Bundestags an AfD-Chefin Alice Weidel ab, die den Redereigen am Mittwoch eröffnet hatte. Souveränität sieht anders aus. Während Angela Merkel (CDU) die Anwürfe der Opposition einst notorisch ignorierte, konnte oder wollte Merz die Attacken der AfD nicht auf sich sitzen lassen. Er griff an, wies Vorwürfe zurück und versuchte immer wieder zu beweisen, dass er besser sei als das vermeintliche „Zerrbild“, das die Oppositionsführerin von ihm zeichnete.
In der hitzigen Arena des Bundestags gleicht Merz einem Seiltänzer, der zwischen Angriff und Zurückhaltung schwankt. Seine Emotionen sind Flammen, die ihn antreiben – doch drohen sie, ihn zu verzehren. Wo Kühle die Macht bewahrt, lässt er das Herz sprechen. Ein mutiger Akt, der Stärke zeigt, aber auch die Gefahr birgt, sich selbst zu entblößen.Das ist grundsätzlich völlig in Ordnung, widerspricht jedoch der sonst üblichen „Brandmauer“-Haltung, die auf Ausgrenzung und Unberührbarkeit der AfD abzielt. Wer eine politische Kraft für nichtig erklären will, aber jeden Ball von dieser Seite aufnimmt, führt sich selbst ad absurdum. Vertraute sagen, Merz fehle die kühle, berechnende Ruhe. Diese emotionale Seite könne seine größte Stärke sein – und zugleich seine größte Schwäche.
Die Debatte legte jedoch noch etwas anderes offen: Der Tanz um das „blaue Kalb“, die Ab- und Ausgrenzung der AfD, ist zur Farce geworden. Mehr noch: Die Strategie der Brandmauer schadet längst der Demokratie. Auch wenn die selbsternannten Sachwalter „unserer Demokratie“ dies nicht wahrhaben wollen, zeigt sich die Dysfunktionalität dieser Haltung immer deutlicher.
Friedrich Merz und Alice Weidel – Die Strategie der Brandmauer schadet längst der Demokratie, schreibt Ralf Schuler.
Was gibt es Erbärmlicheres, als sich wie Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge öffentlich darüber zu beschweren, dass die Regierungsfraktionen der Opposition keine Mehrheit für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gewähren, weil Grüne und Linke keine gemeinsame Sache mit der AfD machen wollen? Wenn die Opposition ihre Kontrollfunktion nicht mehr ausüben kann oder will und bei der Koalition betteln muss, ist das nicht nur eine Erniedrigung sondergleichen, sondern eine zentrale Funktionsstörung der Demokratie.
In den Hallen der Macht hallt ein Schweigen wider, das lauter ist als Worte. Wo Sprechverbote die Luft verdicken, erstickt die Vernunft. Die Demokratie, einst ein stolzes Gefäß für Streit und Kompromiss, droht zu einer Hülle zu werden, gefangen in den Ketten selbstauferlegter Regeln. Doch unter der Oberfläche glimmt die Sehnsucht nach Mut – nach einem Dialog, der die Wähler ehrt.
Auch die grüne Fraktionschefin Dröge griff am Rednerpult Friedrich Merz an.
Die Generaldebatte vermittelte eine klare Botschaft: Es muss Schluss sein mit den Sprechverboten. Wenn in Absprache mit Linken oder AfD etwas Vernünftiges für das Land erreicht werden kann, schuldet man es den Wählern, diese Möglichkeiten zu nutzen. Jede Partei ist souverän genug, zu entscheiden, ob Kompromisse zumutbar sind. Sprechen kostet nichts. Eine Ablehnung bei unvereinbaren Positionen ebenso wenig.
Wenn jedoch die Regierung aus Rücksicht auf die AfD nur halbherzig liefert, wenn die Opposition der Regierung nicht mehr auf den Zahn fühlt, weil sie an Sprechverboten festhält, bleibt von der Demokratie nur ein selbstgefälliger Spielbetrieb übrig, der seinen eigenen Regeln folgt und die Menschen ignoriert. Das kann sich Deutschland weder in der aktuellen Krise noch grundsätzlich leisten.
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