
Der Verfassungsschutz will „gesichert“ herausgefunden haben, dass die größte Oppositionspartei im Bundestag die Bundesrepublik abschaffen will. „Gesichert rechtsextremistisch“ lautet die Formel, mit der Faesers (SPD) unterstellte Behörde zum finalen Rundumschlag gegen die politische Konkurrenz ansetzte und einen Rohrkrepierer hervorbrachte. Vorerst hat sie ihre Einstufung zurückgezogen, wie am Mittwoch bekannt wurde. Grundlage ist ein tausendseitiges Gutachten – ein Geheimpapier, das vor der Öffentlichkeit versteckt wird. Was darin steht, weiß man nicht. Was nicht darin steht, ist aber bereits gesichert: belastbare Beweise.
Denn der Spiegel, offenbar mit besten Kontakten zur Behörde ausgestattet, durfte das Dokument einsehen – und hat daraus ausführlich zitiert. So legt er offen: Die Behörde hat nichts in der Hand. Keine Pläne zur Gewalt, keine Absichten zur Abschaffung der Verfassung, keine Organisation staatsfeindlicher Umsturzfantasien.
Was es stattdessen gibt: eine angestrengt zusammengetragene Zitatsammlung, die ein dämonisierendes Framing stützen soll. Wer die Spiegel-Berichterstattung über das Geheimgutachen liest, erkennt: Der Verfassungsschutz führt einen Kampf gegen eine Partei, weil ihm – beziehungsweise seinen ehemaligen Dienstherren aus der Ampelregierung – ihre Sprache, ihre Kritik und ihr Politikstil missfallen – nicht, weil er echte Beweise für eine verfassungsfeindliche Zielsetzung hätte.
Wenn Alice Weidel von einem „Messer-Migranten“, „Messer-Zuwanderung“ oder einem „Messer-Dschihad“, dann ist das keine minderheitenfeindliche Erfindung – sondern eine drastische Beschreibung eines realen, statistisch belegbaren Phänomens. Die Zahl der Messerangriffe ist in den letzten Jahren stark gestiegen, und unter den Tatverdächtigen ist der Anteil junger Männer mit arabisch-muslimischem Hintergrund signifikant überrepräsentiert.
Während in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 13.844 Angriffe mit dem Tatmittel Messer berichtet werden, ergab eine NIUS-Abfrage in den Bundesländern, dass die wahre Zahl der Messerangriffe mit etwa 26.000 beinahe doppelt so hoch liegt. Das sind 72 pro Tag – und Angriffe mit anderen Stich- und Hiebwaffen wie Macheten sind dabei noch gar nicht mitgezählt, weil diese nicht gesondert gezählt werden. Schon im vergangenen Jahr zeigte sich dieser explosive Trend, wie NIUS exemplarisch an der Stadt Hannover veranschaulichte. Neueste Zahlen bestätigen ihn für Berlin.
Dramatischer Anstieg der Tatverdächtigen (rot) bei kaum Bevölkerungswachstum (gelb).
Die Messerdelikte an Bahnhöfen sind im vergangenen Jahr um mehr als 32 Prozent gestiegen. Mehr als die Hälfte der Täter hat keinen deutschen Pass, wobei an der Spitze der Messerangreifer Syrer liegen. Dass dies kulturelle Ursachen hat – etwa ein anderer Umgang mit Gewalt, Ehre und Waffen – ist keine Hetze, sondern rational erklärbar. Die Realität ist deutlich gefährlicher und schärfer als AfD-Polemiken, mit denen sie skandalisiert werden. Und genau das scheint das eigentliche Problem des Verfassungsschutzes zu sein: dass die Partei ausspricht, was viele Menschen tagtäglich erleben – aber im Establishment verharmlost und geleugnet wird.
Absurd wird es auch beim Vorwurf des Antisemitismus. Selbst der Verfassungsschutz muss einräumen, dass „für die Gesamtpartei nicht von einer vorherrschenden antisemitischen Prägung gesprochen werden kann“. Das hinderte Spiegel und andere Medien aber jahrelang nicht daran, genau das immer wieder zu behaupten – als Diskreditierungsstrategie. Übrig bleiben Vorwürfe, die überwiegend auf Unterstellungen beruhen.
Wenn Linke die passenden Beweise nicht finden, erfinden sie eine Theorie, die sie passend macht: So drücke sich Antisemitismus „vorrangig in Andeutungen, Codes und Chiffren“ aus, wie die selbsternannten Dechiffrierer beim Verfassungsschutz wissen. Wer von „globalen Eliten“ spricht, meine in Wahrheit „die Juden“, und wer George Soros kritisiert – einen der politisch aktivsten Großspender westlicher NGO-Politik – tue dies angeblich nicht etwa wegen seiner notorischen Einmischung in weltpolitische Prozesse, sondern wegen seiner jüdischen Herkunft. Das ist keine Analyse, sondern eine Unterstellung – und zwar eine, die schon im Ansatz voraussetzt, was sie zu belegen vorgibt: dass jede Kritik an internationalen Machtstrukturen insgeheim antisemitisch sei.
Wie der Begriff sagt, sind Globalisten schlicht Akteure, die auf supranationaler Ebene Politik betreiben (Stichwort: Migrationspakt, Pandemiepolitik), die eigentlich auf demokratisch legitimierter nationaler Ebene zu entscheiden wären. Neben George Soros könnte man auch Ursula von der Leyen, Klaus Schwab, Bill Gates so bezeichnen. Wenn dann ein sachsen-anhaltischer AfD-Vize zitiert wird, der den damaligen US-Präsidenten Joe Biden eine „giftige Sprechpuppe der Globalisten“ nannte, seien damit aber angeblich Juden gemeint, behauptet das Gutachten einfach – ohne jeden Kontext und sprachlogischen Zusammenhang.
Die eigentliche Methode des Berichts wird an dieser Stelle bereits deutlich: Was die AfD sagt, wird nicht wörtlich genommen – sondern „gedeutet“. Und diese Deutung setzt dann das voraus, was sie zu beweisen vorgibt: dass hinter jeder scharfen Formulierung ein geheimer Plan stecke, hinter jedem Begriff eine finstere Absicht.
Der Verfassungsschutz agiert wie ein postmoderner Hermeneut: Er sucht nicht nach Tatsachen, sondern nach Bedeutungen – und zwar solchen, die seinem politischen Auftrag entsprechen. Die Verfassungsschützer gehen wie Verschwörungstheoretiker vor. Sie sehen überall Muster und vermeintliche Belege, weil sie diese sehen wollen. Letztlich münden solche „Beweisführungen“ in einer zirkulären Logik: Belege für Demokratiefeindlichkeit werden gefunden, weil sie so ausgelegt werden, dass sie zu Demokratiefeindlichkeit passen.
Im Wahlslogan „Alice für Deutschland“ entdecken Verfassungsschützer eine „Provokation“.
NIUS fragte Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler nach seiner Beurteilung von dergleichen. Seine Antwort: „Dass der Verfassungsschutz jede Kleinigkeit beobachtet und dokumentiert, ist unangenehm. Es gehört aber tatsächlich im weitesten Sinne zu seinem Job. Er soll Material sammeln, wenn er es für verdächtig hält. Dabei hat er einen gewissen Einschätzung Spielraum. Also: unangenehm, aber sicher noch rechtmäßig.“
Grundsätzlich betont er aber: Erstens sei „nicht jede polemische, bösartige, unappetitliche Äußerung ein Beleg für eine rechtsextremistische Einstellung. Auch Äußerungen, die vielleicht strafrechtlich eine Beleidigung darstellen können, sind nicht zwingend rechtsextremistisch.“ Aus Sicht des Professors differenziere der Verfassungsschutz diesbezüglich nicht genügend. Zweitens seien bei der Frage, ob die Gesamtpartei rechtsextremistisch sein könnte, nur Äußerungen entscheidend, „die im Machtzentrum der Partei getätigt werden – da, wo die Entscheidungen getroffen werden und der Kurs bestimmt wird.“ Dementsprechend können Funde aus „irgendwelchen Chat-Gruppen“ prinzipiell nicht belegen, „dass die Gesamtpartei rechtsextremistisch ist. Insofern ist es irrelevant, wenn der Verfassungsschutz Zitate von kleinen Funktionären oder Mitgliedern von der Peripherie der Partei anführt“, so Boehme-Neßler.
In der Tat ist es bezeichnend, dass der Spiegel-Artikel weder Tino Chrupalla noch Beatrix von Storch mit Zitaten anführt (Alice Weidel nur mit erwähnten Messer-Aussagen). Warum sollte bei über 400 Kreisverbänden noch ein „Kreisrat aus dem baden-württembergischen Kehl“, der die Corona-Impfung – durchaus abstoßend – als „Euthanasie-Programm“ bezeichnete, nachdem der Spiegel bei den Gesichtern der AfD offenbar nichts Überzeugendes gefunden hat?
Geradezu dilettantisch wird es ausgerechnet dort, wo die Argumentation am schlüssigsten zu sein hätte: Der Verfassungsschutz will erkannt haben, dass die AfD sich gegen das „Demokratieprinzip“ richte. Was folgt, ist alles, nur kein Beweis. Statt konkreter Umsturzpläne oder verfassungsfeindlicher Programmatik zitiert das Gutachten AfD-Politiker, die „fortwährend pauschal“ Vertreter anderer Parteien diffamiert hätten, etwa als „Volksverräter“ oder „Gemeinschaft von Politgangstern“. Kurz: Weil die Opposition über die Regierung schimpft, soll sie die Demokratie abschaffen wollen.
Ein kurzer Blick in die Verfassungslehre hätte dem Verfassungsschutz gezeigt, wie unsinnig das Argument ist. „Demokratie bedeutet Volkssouveränität“ – also dass die Legitimation aller politischen Macht vom Volk ausgeht. Träger der Staatsgewalt sei das „deutsche Volk“, das durch Wahlen regelmäßig einen Gesetzgeber bestimmt. Wer also – wie die AfD – das Primat nationaler Souveränität, das Erfordernis klarer Staatsbürgerschaft und das Recht auf offene Kritik an Regierung und Parteien betont, steht nicht gegen, sondern auf dem Boden des Demokratieprinzips.
Zum Auffrischen für Verfassungsschützer: Einschlägiges Nachschlagewerk für Begriffe wie „Demokratieprinzip“.
Das Gutachten der Verfassungsschützer listet einige Beispiele auf, in denen AfD-Politiker die Bundesregierung mit totalitären Regimen verglichen haben – mit dem NS-Regime, der DDR, in Einzelfällen auch mit Begriffen wie „Corona-Diktatur“ oder „4. Reich“. Ein AfD-Politiker sprach vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder als „Södolf“, und ein Mitglied des AfD-Schiedsgerichts bezeichnete den damaligen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, als „neuen Goebbels“. Diese Entgleisungen mögen geschmacklos oder überspitzt sein. Doch sie sind in der politischen Kultur der Bundesrepublik keineswegs beispiellos. NS-Vergleiche finden sich seit Jahrzehnten auch in linken Milieus, etwa wenn es um Hartz IV, Abschiebungen oder Polizeieinsätze geht – jede „Demo gegen Rechts“ lebt davon.
Nur bei der AfD werden diese Totalitarismus-Analogien selektiv als Angriff auf das Demokratieprinzip gedeutet, womit die Regierung stillschweigend als seine Manifestation betrachtet wird. Wenn aber die Regierung zur Repräsentantin des Demokratieprinzips erklärt wird, verwandelt sich jede fundamentale Regierungskritik in Verfassungsfeindlichkeit – es ist die totalitäre Verkehrung des Demokratieprinzips in ein Obrigkeitsprinzip.
Darüber hinaus ist auch das Urteil gegen Höcke unter Juristen umstritten, auf das „Alice für Deutschland“ provozierend anspiele. Es riecht nach politischer Justiz, wie so vieles in Zeiten, in denen man für Schwachkopf-Memes gegen Politiker gerichtlich abgenickte Hausdurchsuchungen aufgebrummt bekommt. Der Historiker Hubertus Knabe hält es für fraglich, dass die Losung „Alles für Deutschland“ ein eindeutiges Kennzeichen der SA war, und verweist auf den Spiegel, der 1952 und sogar 2023 noch mit genau diesem Satz getitelt hatte. Auch der preußische König Friedrich Wilhelm IV. sowie die Sozialdemokratie in der Weimarer Republik hätten die Worte verwendet. Knabes Fazit: „Das Vorgehen gegen Höcke kurz vor den Landtagswahlen wirft kein gutes Licht auf die Justiz in Sachsen-Anhalt.“
Auch Rechtswissenschaftler Dietrich Murswiek übte Kritik: „Ich habe, bevor über den Prozess in den Medien berichtet wurde, nicht gewusst, dass ‚Alles für Deutschland‘ eine SA-Parole war. Alle Menschen, die ich gefragt habe, haben es ebenfalls nicht gewusst.“ Bezeichnend ist: Es gibt keinen Beleg dafür, dass die Parole jemals als genuine Naziparole betrachtet wurde – auch in Standardwerken über den Nationalsozialismus wird sie als solche nicht geführt.
Schließlich bemüht sich der Spiegel, dem politischen Gutachten einen seriösen, fairen Anschein zu geben. „Nicht jede polemische Machtkritik sei ein Fall für den Verfassungsschutz“, heißt es beschwichtigend. Aber – und hier kommt die Volte – „anders sehe es aus, wenn dem politischen Gegner die Existenzberechtigung abgesprochen werde“. Was wohl jetzt kommt? Spricht die AfD den Grünen das Recht auf Parteienfinanzierung ab? Haben aktivistische Nachwuchs-AfDler die SPD daran gehindert, ihren Parteitag abzuhalten? Überlegt die AfD gar, Verbotsanträge im Bundestag einzureichen, um die Existenz von CDU und Linkspartei zu beenden?
Weil Linke die Existenz demokratischer Rechte der AfD bestreiten, müssen diese alljährlich von der Polizei durchgesetzt werden.
Schlimmer noch: Der AfD-Politiker Karsten Hilse schrieb: Wer der „Einheitspartei“ – gemeint sind CDU, SPD, FDP, Grüne, Linke und BSW – seine Stimme gibt, der wähle damit „Mord, Totschlag und Vergewaltigung auf Deutschlands Straßen und Plätzen“. Aus dem (möglicherweise reißerisch vorgetragenen) Vorwurf einer tödlichen Politik an Parteien, die sich inhaltlich nicht wesentlich unterscheiden würden, zieht der Verfassungsschutz die schiere Fiktion, wonach der Politiker ihnen damit die „Existenzberechtigung“ abspreche – also genau das, was gegenüber der AfD getan wird, wenn ein Verbot angestrebt wird. Nach Adorno und Horkheimer wird die Projektion eigener Wünsche und Verhaltensweisen auf das Opfer „pathische Projektion“ genannt. Mit ihr entdeckt und verfolgt der Angreifer am Feind die eigenen unbewussten Motive.
Überdies gilt: Polemische Zuspitzung gehört zum politischen Handwerk – vor allem in der Opposition. Wer Verantwortungsträger für katastrophale Fehlentwicklungen verantwortlich macht – etwa eine verfehlte Migrationspolitik, die nachweislich mit einer Zunahme schwerer Gewalttaten korreliert –, der spricht ihnen nicht „die Existenzberechtigung“ ab, sondern benennt eine politische Realität. Der Skandal liegt also nicht in der Aussage, sondern in der Behauptung, man dürfe so etwas nicht mehr sagen. Das ist nicht Schutz der Demokratie, sondern der Versuch, ihren Diskurs auf eine staatstreue, oppositionsfreie Wohlfühl-Rhetorik zu reduzieren.
All das bekräftigt, was Hans Georg Maaßen bei NIUS forderte: „Deutschland hat sich hinsichtlich der Einschränkung von Meinungsfreiheit, der Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes gegen oppositionelle Parteien und politische Gegner weg entwickelt von dem, was die USA nach dem 8. Mai 1945 als westliche Werte nach Deutschland brachten. Um wieder dorthin zu kommen, ist es notwendig, dass wir erkennen, dass unser Sonderweg ein Holzweg ist und wir ihn verlassen. Ein wichtiger Schritt, der uns aus diesem Holzweg herausführt, bestünde darin, dem Verfassungsschutz die Beobachtung politischer Parteien und Oppositioneller zu untersagen, denn dadurch kann einem weiteren Missbrauch des Verfassungsschutzes durch Regierungspolitiker entgegengewirkt werden.“
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