
Jetzt muss Karlsruhe entscheiden: Der von der SPD vom Zaun gebrochene Streit um die Verteilung der Fraktionssitzungssäle im Reichstagsgebäude ist auf dem Tisch des höchsten deutschen Gerichts gelandet. Die AfD-Fraktion hat Klage gegen den Bundestag und den Ältestenrat des Parlaments „wegen Verletzung des verfassungsmäßigen Rechts auf Gleichbehandlung“ eingereicht und pocht auf „faire und loyale Anwendung der Geschäftsordnung“. In ein
Hintergrund ist die Weigerung der SPD-Bundestagsfraktion, nach ihrer Wahlniederlage und ihrer deutlichen Verkleinerung den bisher von ihr genutzten zweitgrößten Sitzungssaal 3S-001an die AfD-Abgeordneten abzutreten, die doppelt so stark wie in der vorangegangenen Wahlperiode nunmehr mit Abstand die zweitgrößte Fraktion stellen. Der Ältestenrat hatte diesem Ansinnen entgegen allen parlamentarischen Gepflogenheiten stattgegeben und der auf 150 Abgeordnete angewachsenen AfD-Fraktion lediglich den für maximal insgesamt 148 Personen ausgelegten ehemaligen FDP-Fraktionssitzungssaal zugewiesen.
Eine klare und rechswidrige Benachteiligung: Ordnungsgemäße parlamentarische Arbeit ist unter diesen Bedingungen nicht möglich, argumentiert die von Rechtsanwalt Ulrich Vosgerau verfasste Klageschrift, die in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Der zu kleine Saal bietet nicht nur keinen ausreichenden Platz für Abgeordnete, Mitarbeiter, Berater und Gäste. Es fehlt auch an den technischen Voraussetzungen; selbst Mitglieder der Fraktionsführung verfügten über keinen Arbeitsplatz für Bildschirmarbeit. Darüber hinaus sprechen arbeitsrechtliche und Brandschutzbedenken gegen die Nutzung des ungeeigneten Saals, wie die Fraktion in von ihr eingeholten Gutachten darlegt.
Auch die von der SPD angeführten Hilfsargumente zerpflückt der Rechtsanwalt Punkt für Punkt. Die pathetisch hervorgehobene Benennung des Sitzungssaals 3S-001 als „Otto-Wels-Saal“ sei interne „Fraktionsfolklore“, die nicht an eine bestimmte Räumlichkeit gebunden sei; und dass der SPD als Regierungsfraktion eine Bevorzugung zustehe, bezeichnet Vosgerau als „staatsrechtlich offensichtlichen Unfug“.
Wegen dieser unzumutbaren Bedingungen tagt die Fraktion derzeit in einem weitab gelegenen und ebenfalls für Plenararbeit nur eingeschränkt geeigneten Ausweichsaal. Die Klageschrift fordert deshalb im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens, die SPD-Fraktion bis zur Hauptsacheentscheidung zur Räumung und Überlassung des von ihr genutzten Saales, „um die Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin wiederherzustellen“. Wann Karlsruhe über die am Freitag eingereichte Klage entscheiden wird, ist noch offen.