
Im bayerischen Landtag endete die letzte Sitzung vor der Sommerpause mit einem Eklat. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) drehte AfD-Politikerin Katrin Ebner-Steiner das Mikrofon ab. Was war passiert?
Traditionell tragen auf der letzten Sitzung vor der Pause die Landtagspräsidentin, die stärkste Oppositionsfraktion und der Ministerpräsident versöhnliche Worte vor, die für alle Fraktionen sprechen sollen. Doch die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner, welche die größte Oppositionspartei im Landtag anführt, nutzte ihre Rede am Donnerstag für Kritik – was der Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) offenbar missfiel.
Nach diesen Sätzen wurde die Abgeordnete von der Landtagspräsidentin unterbrochen: „Frau Kollegin! Frau Kollegin! Ja, es tut mir leid, aber die traditionellen Schlussworte sind eigentlich nicht dazu geeignet, hier eine politische Debatte anzufangen.“
Besonders eigenartig: Die Abgeordneten klatschten laut, obwohl die Rede von Ebner-Steiner noch gar nicht zu Ende war – als würde man ihren Beitrag bewusst akustisch unterdrücken wollen.
Ebner-Steiner machte mit ihrer Rede nach dem Applaus weiter. Das missfiel der Präsidentin, weshalb Aigner erneut unterbrach und darum bat, sich doch bitte an die bisherigen Gepflogenheiten zu halten und versöhnliche Worte zu wählen.
Die Abgeordnete nutzte ihr freies Rederecht jedoch weiter. „Ich gestalte meine Rede, so wie ich das möchte“, sagte Ebner-Steiner. Kurz darauf entzog ihr die Landtagspräsidentin das Wort und wies erneut auf die Gepflogenheiten hin. Ebner-Steiner zeigte sich unbeeindruckt: „Ich werde jetzt die Rede so halten, wie ich es für richtig halte.“
Die Lage heizte sich auf. Als die AfD-Frau über die ausufernde Kriminalität in Deutschland sprechen wollte, unterbrach Aigner erneut und drohte mit einer Unterbrechung der Sitzung. Dabei gab die Präsidentin zu: „Es gibt keine geschriebene Regel in der Geschäftsordnung, sondern es gibt Traditionen und Gepflogenheiten. An die hat sich bisher jeder gehalten.“
Im Anschluss an den Schlagabtausch erklärte Aigner: „Über Jahrzehnte hinweg war es im Bayerischen Landtag gute Tradition, dass ein Vertreter oder eine Vertreterin der stärksten Oppositionsfraktion bei den Schlussworten auch für alle anderen Oppositions-Fraktionen spricht. Dabei war es üblich, versöhnlich aufzutreten und politische Erklärungen in den Hintergrund zu stellen.“
Das steht im Gegensatz zu anderen Reden aus der Vergangenheit. Die Schlussrede in der vergangenen Legislaturperiode hielt beispielsweise Katharina Schulze von den Grünen. Sie durfte in ihrer Rede 2023 die AfD als „Demokratiefeinde“ bezeichnen und forderte „Brandmauern nach Rechts hochzuziehen“. Damals griff die Landtagspräsidentin Aigner nicht ein.
Gleichzeitig warf die Landtagspräsidentin am Donnerstag der AfD-Fraktionschefin vor, „rechtsextremistische Thesen geäußert“ zu haben. NIUS wollte von Aigner wissen, welche Thesen aus der Rede von Frau Ebner-Steiner sie als rechtsextremistisch bewerten würde. Die patzige Anwort des Pressesprechers: „Den protokollierten Wortlaut von Frau Ebner-Steiners Beitrag auf der Homepage des Bayerischen Landtags zu recherchieren und einzuordnen, traue ich Ihnen zu.“
Am Donnerstag bedankte sich Grünen-Politikerin Schulze bei Ilse Aigner für „die klare Haltung und souveräne Sitzungsleitung“.
Nach Ebner-Steiner ergriff schließlich Ministerpräsident Markus Söder das Wort und erkannte die Brisanz der Situation: „Ich bin der Meinung: Wir haben freies Rederecht, das muss uns nicht gefallen. Aber eines sage ich Ihnen: So, wie diese Rede gehalten wurde, macht klar, dass wir Demokraten zusammenhalten, damit sie eben nicht jemals die Macht bei uns erlangen. Das kann ich Ihnen versichern“, sagte der CSU-Chef.
„Das heutige Gebaren der Landtagspräsidentin Ilse Aigner markiert einen Tiefpunkt der Demokratie in Bayern“, kommentierte Katrin Ebner-Steiner den Eklat am Abend beim Kurznachrichtendienst X. „Das war nicht nur ein beispielloser Eingriff in mein Rederecht, sondern auch ein Angriff auf die demokratische Opposition.“
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