Vorverurteilung, Massenhysterie, Totalitarismus: Die Rufe nach einem AfD-Verbot folgen der „Methode Correctiv“

vor 4 Tagen

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Bildquelle: NiUS

„Man muss sich genau einzelne Äußerungen, Personen, Gliederungen anschauen und dann Beweise sammeln, die hart genug sind“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), „um ein Gerichtsverfahren durchsetzen zu können, eine Beweislage aufbauen und entsprechend agieren. Das halte ich schon für geboten.“ Der Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz (CDU) sprach davon, dass es „höchste Zeit“ für ein Verbotsverfahren sei. Der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wiederum teilte mit: „Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden.“ Und die Grünenpolitikerin Britta Haßelmann mahnte auf X: „Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie.“

Die zitierten Äußerungen sind keine Reaktion auf die jüngste Hochstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das die in Umfragen 25 Prozent starke AfD auf Grundlage eines Geheimgutachtens inzwischen als „gesichert rechtsextrem“ ansieht. Kevin Kühnert ist auch nicht mehr Generalsekretär, Robert Habeck nicht mehr Bundeswirtschaftsminister und der CDU-Politiker Marco Wanderwitz wird dem kommenden Bundestag nicht mehr angehören – ironischerweise, nachdem er in seinem Wahlkreis „Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II“ gegen den AfD-Kandidaten Mike Moncsek verlor. Nein, die Verkündungen stammen aus dem Januar 2024, als das „gemeinwohlorientierte Medienhaus“ Correctiv seine „Geheimplan“-Recherche veröffentlichte und die Bundesrepublik damit in einen kollektiven Ausnahmezustand versetzte.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich am Freitag zur Hochstufung der AfD.

Dass sie sich so lesen, als könnten sie eine Reaktion auf die Einschätzung des Verfassungsschutzes sein, ist dabei kein Zufall; auch in vielerlei anderer Hinsicht ähnelt die jetzt publik gewordene Einschätzung des Inlandgeheimdienstes einem Playbook, das man „Methode Correctiv“ nennen könnte.

Das beginnt schon damit, dass die Berichterstattung von maximal negativen Intentionen gekennzeichnet ist, die nicht als Tatsachenbehauptungen formuliert werden, sondern textlich abgeleitet sind. Im Fall des „Geheimplans gegen Deutschland“ von Correctiv wurde das Treffen von rechten, konservativen und identitären Akteuren in einer Villa bei Potsdam etwa in eine Kontinuität mit der Wannsee-Konferenz gestellt, also dem Zusammenkommen von hochrangigen NS-Funktionären im Januar 1942, bei dem die „Endlösung der Judenfrage“ diskutiert wurde – später stellte die Gedenk- und Bildungsstätte sogar eine Infotafel auf, die diesen Vergleich bemühte, wie NIUS berichtete. Aber auch die Vokabel der „Deportationen“, die Correctiv später zurücknahm und nur noch von Vertreibungen sprach; die Wertung, Martin Sellners Vortrag über Remigration habe im Mittelpunkt der Konferenz gestanden; sowie die gesamte Ableitung, das Besprochene stelle einen geheimen Plan dar, der die Bundesrepublik zerstören wolle: Sie waren allesamt streng genommen Wertungen, die auf die Interpretationen der Autoren zurückgingen.

Der Geheimplan gegen Deutschland mobilisierte Hunderttausende auf die Straßen.

Diese Interpretationen in „bad faith“, wie Amerikaner gerne sagen – also eine, die im Kern von Böswilligkeit gekennzeichnet ist –, stehen auch im Mittelpunkt der Verlautbarung der Spiegel-Exklusivmeldung, die am Freitag veröffentlicht wurde: Schon der Text gibt eine Stoßrichtung vor, wonach durch die Hochstufung „die politische Debatte über ein mögliches Verbot der AfD an Fahrt aufnehmen“ dürfte, obwohl die Einschätzung der Behörde gar keine Konsequenzen für ein mögliches Verbotsverfahren hat. Die neue AfD-Bundestagsfraktion sei, so schreibt der Spiegel, „so radikal wie nie“. Und aus einer Kontaktschuld zu militanten Rechtsextremen lässt der Text schließlich Rückschlüsse auf die Ausrichtung oder Gesinnung der Partei zu.

Vieles spricht dafür, dass der Spiegel sich dabei Wertungen und Begründungen von Quellen aus Verfassungsschutz oder Bundesinnenministerium hat diktieren oder überliefern lassen. Gerade deshalb ist der Text perfide: Er überführt die Lesart und umstrittene Beurteilung des Verfassungsschutzes in eine Nachrichtenmeldung. Jede entlastende oder relativierende Tatsache findet keine Erwähnung, weil die Zielrichtung der Berichterstattung von vornherein klar ist und die Verlautbarungen der Textautoren beziehungsweise die Einschätzung des Verfassungsschutzes zu erfüllen versuchen. Auch im Investigativfeature bei Correctiv, einer wohlgemerkt gänzlich anderen Textgattung, schrieb der Text in eine Zielrichtung, die einer politisch maximal einseitigen Lesart glich.

Auf die Correctiv-Story am 10. Januar folgte eine Massenhysterie ungeahnten Ausmaßes. Micky Beisenherz schrieb einen Tag nach Veröffentlichung: „Diese Penner [die Mitglieder der Geheimkonferenz] wollen ihre Ärztin, den Koch ihrer Schnitzelbude und ihren Friseur deportieren und betteln darauf, ihrer Mama wieder selbst den Hintern abwischen zu dürfen.“ Vor dem Bundeskanzleramt formierte sich schon am 12. Januar eine Demonstration mit dem Titel: „AfD-Verbot prüfen – jetzt!“. Der Tagesspiegel fragte: „Kampf gegen Demokratie-Feinde: Kann man Höcke & Co. ihre Grundrechte nehmen?“. Bundespolitiker, die sich jahrelang unfähig zeigten, die Grenze zu schützen, forderten vollmundig ein Einreiseverbot für den Identitären Martin Sellner. Marie-Agnes Strack-Zimmermann nannte die AfD einen „Haufen Scheiße“. Das Berliner Ensemble inszenierte eine Recherche als „szenische Lesung“ – und der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde für diese Theateraufführung höchstpersönlich eingeladen.

Eine Recherche auf der großen Theaterbühne: Der „Geheimplan gegen Deutschland“ im Berliner Ensemble.

Dabei führte die politische Berichterstattung auch zu allerlei obskuren Blüten: Die Berliner Stadtreinigung versammelte sich etwa zu einem Gruppenbild, auf dem Müllmänner mit dem Hashtag #niewiederistjetzt posierten. Die Deutsche Bahn teilte eine Instagram-Kachel, die überschrieben war mit „Heute müssen alle stehen: Aufstehen für die Demokratie“. Kurz: Die Correctiv-Geschichte war Beweis für die Existenz eines diskursmächtigen politmedialen Komplexes, der Debatten moralisch aufladen kann und im nächsten Schritt Unternehmen, NGOs, Influencer oder Stars und Sternchen dazu bringt, sich mit einer Sache gemein zu machen. Ausgehend von einer dünnen und nachweislich verfälschten Geschichte verbreitete sich die Nachricht wie ein Strohfeuer durch Journalisten, Influencer, Unternehmen, Politiker und NGOs; eine Massenhysterie nahm ihren Lauf.

Auch aus der jetzigen Hochstufung werden radikale Forderungen abgeleitet. So kündigte Bayern an, Mitglieder im Staatsdienst auf ihre Gesinnung zu prüfen – und im Fall einer AfD-Mitgliedschaft auszuschließen. Hessen teilte mit, dass Polizisten nun überprüft werden müssen. Tilman Kuban wiederum, einst die große konservative Hoffnung Deutschlands in weißen Sneakern, schrieb einen Beitrag in der Welt, in dem er forderte, dass man eine umfragestarke Partei wie die AfD sehr wohl verbieten könne. Auch Ricarda Lang plädiert für ein AfD-Verbot, ebenso wie Verdi-Chef Frank Werneke. Das gleiche Muster zeigt sich unter reichweitenstarken Aktivisten und Meinungsmachern: Auf BlueSky trommelt man so stark für ein Verbotsverfahren, dass jeder neutrale Beobachter ganz ungläubig wird, wie betriebsblind und behördenloyal die politische Linke wird, wenn der Verfassungsschutz nur den richtigen Feind ins Visier nimmt.

Dabei fehlt für die Hochstufung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Stand jetzt, nach wie vor jeder Beweis. Niemand weiß, auf welcher Grundlage dieses seine Entscheidung traf. Die Äußerungen, die bisher in Medien kolportiert wurden, etwa die des AfD-Abgeordneten Martin Reichardt, wonach die „verfehlte Migrationspolitik“ und der „Asylmissbrauch“ zum 100.000-fachen Import von Menschen aus „zutiefst rückständigen und frauenfeindlichen Kulturen geführt“ haben, oder eine Rede von Alice Weidel, die sagte, dass Phänomene wie „das Herumgemessere“ oder „die Vergewaltigungen“ gänzlich neu in Deutschland seien, sind geradezu lachhaft: Sie sind von der Meinungsfreiheit geschützt und nicht im Ansatz verfassungswidrig. Auch hier zeigt sich eine Parallele zur Konferenz von Potsdam, wo die Diskussion zu Phänomenen wie Abschiebungen in großer Zahl, die Briefwahl oder Metapolitik verzerrt, überhöht und zur Staatsgefahr stilisiert wird.Das ist dabei kein Zufall, denn die Autoren selbst weisen eine eindeutige Schlagseite auf: Correctiv etwa ist schon per Definition regierungsnah, weil es üppige Fördergelder von Bundesministerien für Projekte erhielt und personelle Verbindungen in die Bundespolitik pflegt, wie etwa das Beispiel Jeanette Gusko zeigt. Jean „Ich bin Antifa“ Peters, einer der Hauptautoren, die sich ins Landhaus Adlon einschleusten, war zuvor Aktionskünstler, der etwa Beatrix von Storch mit einer Torte angriff. Wer solche Journalisten beschäftigt, verheimlicht nicht einmal ansatzweise, dass seine gesamte Ausrichtung tendenziös ist. So ist es auch gewissermaßen beim Verfassungsschutz: Was als Behörde den Eindruck von Rationalität, Überparteilichkeit und Dienst nach Vorschrift erweckt, ist in Wirklichkeit ein weisungsgebundenes Haus, das dem Innenministerium unterstellt ist.

Der Verfassungsschutz ist keineswegs eine neutrale Behörde – sondern dem Innenministerium unterstellt und weisungsgebunden.Der Verfassungsschutz ist auch schließlich die Behörde, über die bekannt wurde, dass sie Anti-Rechts-Mitarbeiter beschäftigt, die in sozialen Netzwerken Fake-Accounts betreiben, die vorgeben, rechtsextrem zu sein – und dabei auch szenetypische Straftaten wie Volksverhetzung begehen. Als eine Art Gesinnungspolizei im Rechtsstaat dürfte eine Abkehr vom bundesrepublikanischen Status quo schon seinen Grundfesten entgegenstehen. Und dass der niedersächsische Ableger letztes Jahr irritierte, weil er „Natürlich sind wir Antifa“ postete, gegen User hinter dem „Stolzmonat“ vorgehen wollte – und Correctiv-Schlagzeilen als Beleg für russische Desinformation nutzte. Anders gesagt: Er ist ein Tendenzbetrieb mit Verfassungsrang, der den „Kampf gegen Rechts“ als Inlandsgeheimdienst führt und dabei relevante personelle wie zeitliche Kapazitäten in Dossiers mit Zitaten und Reden steckt, die das Ziel haben, das Sagbare zu definieren und Feinde zu markieren. In diesem Sinne ist der Verfassungsschutz ein „politischer Pranger des Informationszeitalter“ und ein „Schandpfahl der aufgeklärten Gesellschaft“, wie der Staatsrechtler Dietrich Murswieck richtig schrieb.

Schließlich setzten die Veröffentlichungen von Correctiv einen zivilgesellschaftlichen Empörungsmechanismus in Gang, der, eingepeitscht von Organisationen wie „Campact“, Hunderttausende auf die Straße trieb – im Glauben, dass wegen eines Privattreffens in Potsdam die Wiedergeburt des NS-Regimes bevorstünde. Zu den Organisationen, die diese Proteste „gegen Rechts“ organisierten und sich an ihnen beteiligten, zählten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, die entweder von staatlichem Geld finanziert werden oder zumindest Interessenverhältnisse aufweisen.

Schon nach Correctiv-Berichterstattungen wurden Forderungen nach einem AfD-Verbot laut.Auch hier zeigt sich eine Parallele, denn schon jetzt ist bekannt, dass am 11. Mai, also am kommenden Sonntag, Demonstrationen in ganz Deutschland für ein AfD-Verbot stattfinden sollen. Organisiert werden sie von dem Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ und der Kampagne „Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot jetzt!“. Darin fordern die Veranstalter Bundestag, Bundesrat und die kommende Bundesregierung auf, ein Verbotsverfahren gegen die AfD in die Wege zu leiten. Es dürfte wenig überraschend sein, festzustellen, dass die Proteste relativ große Schnittmengen mit den Correctiv-Demonstrationen haben sollten.Fraglich erscheint unterdessen, wie erfolgsversprechend der Umgang mit der AfD ist, der stets auf neue Empörungsspiralen, Skandalisierungen und verzerrte Berichterstattung setzt: Nach den Demonstrationen im Januar vergangenen Jahres rutschte die AfD zwar zwischenzeitlich auf 18 Prozent ab, überschritt im Laufe des Jahres aber relativ schnell die 20-Prozent-Hürde und holte schließlich bei der Bundestagswahl im Februar 2025 20,8 Prozent der Zweitstimmen. Inzwischen weisen Demoskopen sie bei mitunter 25 und 26 Prozent aus. Die „Demonstrationen gegen Rechts“ dürften in Verbindung mit politischen Entscheidungen also eher dazu geführt haben, dass „Rechts“ immer stärker wurde. Am Montag gab die AfD bekannt, dass am Wochenende nach der Einstufung durch den Verfassungsschutz 1000 neue Mitgliedsanträge bei der Partei eingegangen sind – zehnmal so viele wie an einem gewöhnlichen Wochenende.Man könnte meinen, die neue Skandalisierung mitsamt Vorverurteilung, totalitären Tendenzen und einer konstruierten Massenhysterie, die ein eindeutiges politisches Ziel verfolgt, könnte Menschen gemäß dem Motto „jetzt erst recht“ dazu bringen, die AfD gerade deshalb zu unterstützen.

Auch bei NIUS: „Geheimplan gegen Deutschland“: Wie das staatlich finanzierte Portal Correctiv eine Wannseekonferenz 2.0 erfand

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