
Muss man alles auf die Goldwaage legen, was einer sagt, wenn er die Kontrolle über sich verloren hat? Besonders während eines Sportereignisses, das Adrenalin und Emotionen hochjagt?
Wer je Sport gemacht hat, weiß: Begeisterung und Wut sind Zwillinge, die im Bruchteil einer Sekunde von einem zum anderen wechseln können. Sind wir nicht alle irgendwie Dr. Jekyll und Mr. Hyde, ein literarischer Begriff für schnell wechselnde Persönlichkeiten des unterschiedlichen Ichs?
Wer sich den Ausraster von Real-Verteidiger Antonio Rüdiger beim Spiel gegen den FC Barcelona noch einmal anschaut und vor allem anhört – und wer über einen gesunden Menschenverstand verfügt, kann nur zu einer Erkenntnis gelangen: Was Rüdiger von sich gegeben hat, ist eines Nationalspielers nicht würdig. Auch wenn er in Spanien spielt, und auch, wenn er ein Spieler mit großen sportlichen Verdiensten ist: Ein Nationalspieler trägt das Nationaltrikot, auch wenn er es nicht trägt. Du bist entweder immer Nationalspieler. Oder du bist es nie.
Ich halte es mit dem früheren Fifa-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer, der in Bild sagt: „Rüdigers Auftreten ist eine Schande. Da muss sich der Bundestrainer schon überlegen, ob so ein Mann noch unser Land repräsentieren kann.“ In der Verlängerung des Finales der Copa del Rey Real Madrid gegen FC Barcelona hatte Rüdiger einen Gegenstand in Richtung Schiedsrichter geschmissen und unter anderem in Deutsch geschrien: „Du Hurensohn!“ Und: „Missgeburt!“
Hier die Szene im Video:
Rüdiger bekam die Rote Karte. Am nächsten Tag entschuldigte er sich mit den Worten: „Für mein Verhalten gibt es keine Entschuldigung.“
Antonio Rüdiger hatte zuvor mehrmals für Skandale auf dem Platz gesorgt: Nach einem Champions-League-Sieg gegen Manchester City wurde er im April 2024 dabei gefilmt, wie er „Allahu Akbar“ rief und den Tauhid-Zeigefinger in die Luft reckte. Im Monat zuvor hatte er ein Foto auf Instagram gepostet, auf dem er in traditioneller islamischer Kleidung mit erhobenem Zeigefinger posiert. Die Geste wird von islamistischen Gruppen wie dem IS genutzt. Gegen Rüdiger läuft auch ein Disziplinarverfahren der UEFA. Anlass ist eine brutale „Kopf-ab“-Geste, die der 32-Jährige nach einem Sieg im Champions-League-Achtelfinale gegen Atlético Madrid in Richtung der gegnerischen Fans zeigte. Am 7. Juni 2023 war Rüdiger bei der Nationalelf am Flughafen mit einem Fan aneinandergeraten und hatte ihn als „Spasti“ beschimpft. Später hatte er sich entschuldigt.
Es ist die Summe der Beleidigungen, die solche Entschuldigungen unglaubwürdig werden lassen. Es sind auch die Worte, die Rüdiger gewählt hat, die ihn als Nationalspieler disqualifizieren. Man denkt nicht in Kategorien wie „Spasti“, „Missgeburt“ und „Hurensohn“.
Nationalspieler zu sein, ist auch eine Frage der Ehre.
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