Als die Schildbürger die Wehrpflicht wieder einführten

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Obwohl die kleine Stadt Schilda früher eine ganz ansehnliche Streitmacht besaß, wurde die allgemeine Wehrpflicht von einer früheren Bürgermeisterin abgeschafft, weil sie nach einer langen Friedenszeit der Meinung war, die Gegend damit noch ein Stückchen friedlicher zu machen. Außerdem, so meinte die schlaue Regierende damals, werde das ja erstmal nur zur „Probe“ gemacht. Es dürfe da „keine Denkverbote geben“.

Da im Nachbarland des Nachbarlandes nun aber Krieg herrschte und auch sonst die Dinge nicht zum Besten standen, beschlossen die Schildbürger, eine Wehrpflicht wiedereinzuführen. Eine ganz besonders gerechte und wirksame neue Wehrpflicht sollte es sein, jene mit bösen Absichten künftig abzuschrecken. Da ihr Ratsherr für Kriegerisches, wie er beteuerte, nun schon seit drei Jahren daran gearbeitet hatte, erhoffte man sich in Schilda ein besonders schlaues Wehrpflichtgesetz. Freiwillig sollte die nicht sein, weil sich da zu viele Männer im passenden Alter in die Büsche schlügen. Aber vor einer echten Pflicht wollten viele Ratsherren dann doch nichts wissen. Es mehrten sich die Stimmen, die fragten, was man denn tun wolle, wenn nicht genügend Spieße und Helme für alle neuen Kriegsknechte da wären, und was tun, wenn einige gegen ihre Einberufung rebellisch würden? Wie sollten die Offiziere einen solchen Haufen noch in die Schlacht führen? Uneins war man sich auch, ob denn die Frauen ebenso wie die Männer unfreiwillig zu Soldaten gemacht werden sollten.

Die Schildbürger mussten gar nicht lange nachdenken, um die Lösung zu finden. „Ei“, sagte einer von ihnen, Frauen sind doch genauso stark und mutig wie Männer. Und wenn wir ihnen nur reichlich Geld und Gut versprechen, so werden sie uns schon verteidigen wollen. Ein treffliches Reittier für jeden Soldaten und 2.000 Stücke Kupfer jeden Monat als Landsknechtslohn mag doch genug sein.

Aber zunächst, so der findige Schildbürger, solle sich die Spreu vom Weizen trennen: Erstmal verkünden wir, dass, obwohl ein Einsatz im Krieg sowieso noch in weiter Ferne liegt, wir uns vorsichtshalber einen Überblick verschaffen und jedermann zählen wollen. Den Männern schreiben wir Briefe, ob sie zur Armee wollen – da fallen schon mal all diejenigen heraus, die gar nicht lesen und schreiben können. Die Frauen kriegen den gleichen Brief, müssen aber gar nicht antworten – so bekommen wir nur die Weibspersonen, die partout und auf Teufel-komm-raus zum Militär wollen.

„Allesamt nehmen wir auf eine Liste, und wenn der Feind im Anrücken ist, oder sich noch weit in der Ferne zusammenrottet, holen wir sie zu Hause ab und stecken sie in die Uniform.“ Gesagt, getan. Aber obwohl diese mögliche Wehrpflicht in dieser Weise besonders schlau vorbereitet worden war, fanden sich nur wenige ein, um sich zählen zu lassen. Der Ratsherr erhielt die drolligsten Antworten auf die verschickten Anfragen: Mal gewürzt mit Hohn und Spott, mal voll Empörung und Ablehnung. Merkwürdig, sagten die Schildbürger und verstanden die Welt nicht mehr.

Lasst uns doch einfach, bemerkte schließlich einer von ihnen nach einer ganzen Weile, den ganzen Krieg absagen. Ein besonders fleißiger Beamter rief aus: Wir sparen bei den Briefen, denn anstelle 100 zu schreiben, ist es nunmehr ein einziger, nämlich an den Feind.

Und nun wissen wir, warum die Bürger Schildas gemeinhin als äußerst klug galten und begehrte Ratgeber der Könige und Kaiser dieser Welt waren, dann aber, weil sie durch Abwanderung langsam entvölkert wurden, begannen, ihre Klugheit durch Dummheit zu ersetzen. Dies so erfolgreich, dass sie sich das von nun an angewöhnten und dafür genauso bekannt wurden, wie ehemals für ihre scheinbare Klugheit.

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