„Als es dunkel wurde, machte sich Angst breit“: So erlebte NIUS-Reporterin Emilie Brummel den Stromausfall in Spanien

vor etwa 5 Stunden

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Bildquelle: NiUS

Alles beginnt in einem Café in der Innenstadt von Granada. Plötzlich fällt das W-Lan aus, auch die mobilen Daten des Handys reichen nicht, um Webseiten zu öffnen. Vielleicht liegt es am schlechten Empfang im Café? Doch dann hat auch die Kaffeemaschine keinen Strom mehr ...

Jeder eintretende Besucher wird informiert, dass nur noch Cola und Orangensaft verkäuflich sind. Immer mehr Angestellte aus den umliegenden Büros tauchen auf und fragen, ob es noch Strom gebe. Man spekuliert, ob es sich um einen lokalen Ausfall nur in diesem Viertel handelt.

Immer mehr Menschen sammeln sich vor ihren Geschäften, Gemüseläden, Apotheken, Restaurants. Sie stehen an der Straße und beobachten, tauschen sich aus. Weder das Licht noch die Computer, Kühlschränke, Herdplatten funktionieren. Das Mobilfunknetz schwankt. Ab und zu kommen Nachrichten durch, dann ist wieder kein Empfang. Mittlerweile ist bekannt, dass selbst drei Stunden entfernt in Cádiz der Strom ausgefallen ist, schließlich erzählt man sich, ganz Spanien sei betroffen, sogar Portugal und Teile Frankreichs. Auf den Straßen ist alles ruhig und zivilisiert. Sollte man nun loslaufen und Vorräte einkaufen oder kehrt der Strom in wenigen Stunden zurück? Vor einigen Supermärkten sammeln sich Menschen, die nacheinander hereingelassen werden. Mit ihren Handylichtern suchen sie nach Produkten. Sowohl die Angestellten im Laden als auch die Käufer wirken besonnen. Alle notieren sich die Preise und an der Kasse addiert der Verkäufer diese mit dem Taschenrechner. Weder die Scanner sind in Betrieb, noch kann mit Karte bezahlt werden.

NIUS-Reporterin Emilie Brummel lebt in Granada. Als die Dunkelheit über die Stadt hereinbrach, bekam sie ein mulmiges Gefühl, berichtet sie.

Niemand drängt sich in den Markt, niemand versucht, zu stehlen, niemand verfällt in Panik. Draußen hört man ungewöhnlich viele Kinder. Die Nachbarn melden sich und bieten an, gemeinsam auf einer Gasplatte Paella zuzubereiten. Der Grill wird angeschmissen. Mit der Hitze lässt sich sowohl Kaffee und Reis kochen als auch Fleisch braten. Noch fließt Wasser in den Leitungen, dennoch füllen einige Töpfe und Flaschen ab. Die einen spekulieren, das Blackout dauere noch Tage, die anderen sprechen von maximal 24 Stunden. Es ist 21.30 Uhr und es beginnt, zu dämmern.

Mit Einbruch der Dunkelheit macht sich Angst breit. Werden Menschen den Stromausfall nutzen, stehlen oder in Häuser einbrechen? In der Innenstadt zeigt sich ein gegenteiliges Bild. Paare und Freundesgruppen sitzen auf Bänken und beobachten den Sternenhimmel, der hell leuchtet. Einige laufen mit Kerzen umher, andere nutzen das Licht ihrer Handys. Auf dem Vorplatz der Kathedrale haben sich Hunderte gesammelt, singen gemeinsam, rufen, lachen. Polizeiautos patrouillieren und prüfen, ob die Lage friedlich bleibt. Doch niemand wirkt ängstlich, vielmehr erweckt es den Anschein, als genössen sie die digitale Auszeit, das kleine Abenteuer. Abgesehen von den Scheinwerfern der umherfahrenden Autos ist es stockfinster.

Selten war der Sternenhimmel über Granada so klar, wie vergangene Nacht.

Mit batteriebetriebenen Kerzen durch die Stadt:

Zwischen drei und vier Uhr nachts ist der Strom zurück. Plötzlich gehen die Lichter an, der Kühlschrank beginnt, zu brummen. Am nächsten Morgen lässt sich nicht erkennen, dass am Vortag Ausnahmezustand herrschte. Menschen sitzen auf den Terrassen der zahlreichen Cafés, kaufen ein, gehen zur Arbeit, als wäre nichts gewesen. Die Ursache des Stromausfalls ist noch nicht ermittelt. 12 Stunden ohne Elektrizität haben zwei Dinge offenbart: Die meisten sind für ein längeres Blackout vermutlich nicht vorbereitet und gleichzeitig ist die Endzeit-Katastrophe, zumindest in der Stadt Granada, ausgeblieben. Statt die Situation auszunutzen, haben die meisten einen kühlen Kopf bewahrt, sich gegenseitig unterstützt, sich ein wenig gefreut, dass an Arbeit nicht zu denken war.

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