
Alle Menschen, die im Leben überhaupt etwas Größeres anpacken, zerfallen in zwei Kategorien: in die Profis und die Amateure. Oder auch in die Könner und die Möchtegerns. Die Könner beherrschen ihre Aufgaben und haben Erfolg. Die Möchtegerns können nichts und scheitern, weil sie nicht an der zugrunde liegenden Sache interessiert sind, sondern nur an ihrem Ego. Deshalb eilen Möchtegerns (immer) und Amateure (meistens) von einem Misserfolg zum nächsten, was ihnen aber nichts ausmacht, da die Sache selbst sie nicht wirklich interessiert.
Wenn Amateure und Möchtegerns überhaupt an etwas im Leben interessiert sind, dann ist es nicht die Sache selbst (das Sein), sondern allein der Schein davon. Sie wollen nichts verändern, sie wollen nichts verbessern, sie wollen weder gewinnen noch siegen – sie wollen nur so tun, als ob.
Dieser ewige Gegensatz im Leben spielt sich im Augenblick rund um den Ukraine-Krieg ab. Nach fast drei Jahren sinnlosen Sterbens, unzähliger Verletzungen, Zerstörungen und Verwüstungen hat Donald Trump endlich den Weg zu Friedensverhandlungen eingeschlagen. Jetzt ist dieser Mann noch keine vier Wochen im Amt – und schon gibt es die ersten Verhandlungen. Schon wieder ein Wahlversprechen, das Trump zur größten Verblüffung der Weltöffentlichkeit umsetzt. Und wenn schon nicht sofort und zur Gänze – welcher Krieg wäre nach nur einer Verhandlungsrunde beendet? –, so packt er die Sache doch mit Energie und Tatkraft an.
Trumps Außenminister Rubio (links) in Vorgesprächen mit Russlands Außenminister Lawrow in Riad.
Die stets friedliebenden Regierungen der EU-Länder müssten also jauchzen und frohlocken. Endlich Verhandlungen, endlich ein Waffenstillstand in Sicht, endlich beginnt ein Friedensprozess. Aber sind sie es? Überhaupt nicht. Nein, beleidigt, einsam und eigensinnig veranstalteten sie am Montag in Paris einen eigenen Gegengipfel zu den amerikanisch-russischen Gesprächen im saudi-arabischen Riad. Damit jeder weiß: Wenn Amerikaner und Russen sie bei den Verhandlungen nicht dabeihaben wollen, dann werden sie es der ganzen Welt zeigen, dass man die EU-Mitglieder, die zwar militärisch gar nichts, publizistisch aber sehr viel zu sagen haben, nicht einfach so ausschließt.
Während die USA mit Russland Vorgespräche führten, lud Frankreichs Präsident Macron eiligst zu einem Gegengipfel in den Elysée-Palast ein.
Eingeladen hat natürlich Emmanuel Macron. Der französische Präsident ist zwar nur halb so groß wie Charles de Gaulle (einer seiner Vorgänger), aber genauso eigensinnig und eine ebenso große Primadonna auf der politischen Bühne. Hastig, überstürzt und ohne eigentliche Agenda trafen sich also im Pariser Élysée-Palast: Olaf Scholz (Deutschland), Keir Starmer (Vereinigtes Königreich), Giorgia Meloni (Italien), Donald Tusk (Polen), Pedro Sánchez (Spanien), Mark Rutte (Niederlande), Mette Frederiksen (Dänemark), Ursula von der Leyen (Europäische Union) und António Costa (Europäische Union).
Präsident Macron begrüßt Kanzler Scholz zum Gegengipfel in Paris.
Das Ziel dieser Amateur-Night war anscheinend, der Welt mitzuteilen: Wir haben zwar alle ganz unterschiedliche Meinungen zu einem Friedensprozess im Ukraine-Krieg im Allgemeinen und Verhandlungen mit Russland im Besonderen, tun jetzt aber mal so, als stünden wir wie ein Mann da, damit die Amerikaner merken: Wir sind auch da! Das ist gründlich misslungen.
Emmanuel Macron, der sich in der Nachfolge Napoleons (genau wie de Gaulle vor ihm) als Chef einer Weltmacht wähnt, wollte wieder einmal, obwohl sein Land schon lange keinen Krieg mehr gewonnen hat und seine Soldaten kürzlich aus Mali (2022), Burkina Faso (2023), Senegal (2024) und der Elfenbeinküste (2025) rausgeworfen wurden, in der Ukraine "Boots on the ground" platzieren. Das hat seine Kollegen nicht spontan überzeugt. Die Polen, deren Land in den letzten drei Jahrhunderten von Russland dreimal geteilt (1772, 1793, 1795) und viermal besetzt (1815–1918, 1919–1921, 1939, 1944–1945) wurde, waren gleich ganz dagegen. Die Spanier, die noch weniger als Deutschland für ihre Armee ausgeben (1,5 Prozent vom BIP), waren ebenfalls nicht entzückt ("zu früh").
Olaf Scholz, der sich militärisch (sonst nicht) nur im Schatten der Amerikaner wohlfühlt, war über dieses seltsame französische Verlangen nach auch deutschen Stiefeln auf ukrainischem Boden „irritiert“ und ist gleich wieder abgereist. Der Einzige, der unbedingt und am besten sofort Truppen in die Ukraine schicken wollte, war Sir Keir Starmer. Dessen Land hätte zwar ohne massivstes Eingreifen der Amerikaner alle seine Kriege von 1914 bis 1982 (Falkland-Krieg) haushoch verloren, trotzdem wollte dieser pazifistische, sozialdemokratische Regierungschef eines Nicht-EU-Landes, das einen halben Kontinent von der Ukraine entfernt liegt, sofort 20.000 britische Soldaten als Friedensgruppe in die Ukraine entsenden – auch wenn sein eigener Generalstab ihm sagen musste, dass dafür Reserven einberufen werden müssten.
Premierminister Keir Starmer und Präsident Selenskyj in Kiew nach der Unterzeichnung der 100-Jahres-Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und der Ukraine.
Waren sich die lorbeerbekränzten Staatsoberhäupter auf dem Gebiet einer gemeinsamen Friedentruppe für die Ukraine also erstaunlich uneinig, herrschte dafür auf einem anderen Feld unvermutete Harmonie: dem der gemeinschaftlichen Schulden. Der Slogan, unter dem dieses Schiff segeln soll, ist einfach zu gut: "Gemeinsame Schulden für gemeinsame Sicherheit." Das klingt herrlich, nicht? Das könnte von den Grünen sein. Oder Olaf Scholz. Von der Linkspartei sowieso. Dabei ist es ein uralter Traum französischer EU-Politiker. Seit Jahrzehnten denken sie laut darüber nach, wie das wäre, wenn die reichen EU-Nordländer die Schulden der armen Südländer, zu denen inzwischen auch Frankreich gehört (Schuldenlast 2024: 112 Prozent vom BIP), finanzieren würden – ungefähr so, wie das bei der Rettung von Portugal und Griechenland nach der Weltfinanzkrise 2008 und während der Corona-Krise schon einmal der Fall war. Damals öffneten die EU-Bürokraten eine Büchse der Pandora, aus der immer andere Schuldenfazilitäten mit immer absurderen Akronymen (NGEU, SURE, ESM, EFSM, EFSF) entwichen.
Die Vergemeinschaftung der Schulden aller EU-Länder, welche die Grünen z. B. in ihrem Wahlkampfprogramm explizit fordern, wäre eine tolle Sache, um die billiardenschwere EU-Bürokratie nochmals kräftig aufzublähen und alles dann so unübersichtlich zu gestalten, dass am Schluss kein Mensch mehr wüsste, welche Gelder welcher Steuerzahler aus welchem Land exakt wofür ausgegeben wurden. Die Unterstützung der Ukrainer wäre dafür ein hervorragender Vorwand. Noch ist es nicht so weit, aber die Begehrlichkeiten sind längst da.
Während also die Amateure in Paris mit großer Geste über Friedensinitiativen diskutierten, die weder realistisch noch konsensfähig waren, begannen die Profis im saudi-arabischen Riad zielgerichtet mit wirklichen Friedensverhandlungen. Dort ging es nicht um symbolische Gesten oder politische Eitelkeiten, sondern um handfeste Vereinbarungen – genau das, was Könner immer von den Möchtegerns unterscheidet.
Diese erste Verhandlungsrunde in Riad wurde von praktisch der gesamten Mainstream-Weltpresse, den meisten EU-Staatschefs und natürlich dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj scharf kritisiert. Die Europäer selbst und die Ukrainer sowieso hätten mit am Tisch sitzen müssen. Amerikaner und Russen können nicht alleine über das Schicksal der Ukraine verhandeln oder gar einen Deal machen, wie Donald Trump das immer nennt.
US-Außenminister Rubio mit russischen Delegierten während einer Pause in Riad.
Warum eigentlich nicht? Die EU-Staatschefs und ihre Außenminister, die sich seit Beginn des Krieges um das Schicksal der Ukraine so große Sorgen machen, hätten längst eine eigene Friedensinitiative starten können. Sie selbst hätten – mit und ohne USA – längst Friedensverhandlungen vorbereiten, mindestens aber fordern sollen. Aber das haben sie nie getan. Die USA unter Joe Biden und die meisten EU-Länder haben nie von Friedensverhandlungen gesprochen. Es ist auch klar, warum: Sie dachten, sie könnten durch immer neue Waffen für die Ukraine das tägliche Sterben, die ganzen Zerstörungen, Verwundungen und Metzeleien so lange verlängern, bis Putin irgendwann von sich aus aufgeben und um Verhandlungen bitten würde. Der Ukraine sollte durch mehr Waffen und noch mehr Steuergelder eine bessere Position an einem zukünftigen Verhandlungstisch mit Putin gewissermaßen erbombt werden.
Trump, der aus der Immobilienbranche kommt (weshalb Steve Witkoff, sein Chefunterhändler mit Russland, ebenfalls ein Immobilienmilliardär ist), hat eine solche Strategie, die die Amerikaner im Vietnamkrieg ja einst selbst ohne allen Erfolg verfolgten, von Anfang an als das bezeichnet, was sie ist: eine grausame Absurdität. Alle Kriege werden durch Verhandlungen beendet. Und irgendwann muss man damit anfangen. Und genau das haben Amerikaner und Russen in Riad jetzt getan.
Dass Europäer und Ukrainer da nicht mit am Tisch sitzen, darf niemand wundern. Beide wären mit ihren bekannten Maximalforderungen (Russland zieht alle Soldaten ab und zieht sich auf die Grenzen von 2014 zurück, die Ukraine wird NATO-Mitglied, Russland bezahlt alle Kriegsschäden) mit am Tisch gesessen, hätten jeden Kompromiss von vornherein verhindert und geheime Zwischenergebnisse vermutlich an die Presse durchgestochen, um jede andere Position zu torpedieren. Mit solchen Leuten ist kein Kompromiss zu erzielen. Und ein späterer Friedensvertrag wird einen Kompromiss darstellen. Einen Kompromiss, der für die Ukraine und ihre Menschen, aber auch für die EU-Mitgliedstaaten, die sich ja sehr weit aus dem Fenster gelehnt haben, sehr unangenehm werden wird. Das haben Trump und Pete Hegseth, sein neuer Verteidigungsminister, bereits angedeutet.
Während die EU einen Beitritt der Ukraine in die Nato verlangt, sieht Russland diese Forderung als nicht verhandelbar an.
Aber noch sind wir nicht so weit. Noch haben in Riad überhaupt nur Vorgespräche stattgefunden. Vorgespräche, die den Weg für spätere Friedensverhandlungen ebnen sollen. Dabei werden traditionell erst einmal Positionen abgesteckt. Und die Positionen Russlands waren, wie zu erwarten, kalt, hart und maximal: Russland wird weder eine NATO-Friedenstruppe noch den Eintritt der Ukraine in die NATO akzeptieren, und mit den Angriffen wird es auch nicht aufhören. Das Einzige, dem der russische Außenminister Sergei Lawrow überhaupt zustimmte, ist eine Fortführung des Dialogs, der irgendwann zu einem Friedensvertrag führen soll. Das ist nicht viel, aber es ist ein Anfang.
Chefdiplomat Lawrow während der Vorgespräche mit Außenminister Rubio in Riad.
Ob die Europäer, Ukrainer und insbesondere Präsident Selenskyj überhaupt jemals einen Platz am Verhandlungstisch erhalten, hat Präsident Trump nach dem Ende der Gespräche in Riad nicht gesagt. Er hat allerdings betont, dass es vor einem persönlichen Treffen mit Wladimir Putin noch mehrere vorbereitende Gespräche geben wird, in die die Europäer eingebunden werden sollen. Er hat auch gesagt, dass Selenskyj, hätte er gewollt, den Krieg viel früher hätte beenden können, weshalb er der Ukraine Neuwahlen empfiehlt, um den Friedensprozess zu beschleunigen.
Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte nach dem bilateralen Treffen zwischen den USA und Russland, dass weitere Verhandlungen notwendig seien und kritisierte, dass Präsident Selenskyj den Krieg längst hätte beenden können.
Womit wir nochmals zu den Amateuren und den Profis kommen. Oder den Meistern und den Möchtegerns. Die Amateure und die Möchtegerns tun immer so, als wäre alles im Leben und in der Politik in Wahrheit ein Klacks. Als müsste man nur möglichst idealistische, großartige, märchenhafte Ziele verkünden, um sie – schmeißt man dann massenweise Geld hin – auch zu erreichen. Das ist bei der Klimaneutralität so – und das ist im Ukraine-Krieg jetzt wieder genauso. Das Problem ist nur: Die Amateure erreichen nichts.
Es wird nie eine Net-Zero-Welt mit totaler Klimaneutralität geben. Und es wird auch keinen Frieden in der Ukraine geben, wenn der Westen auf der Wiederherstellung der Grenzen vor 2014, dem Eintritt der Ukraine in die NATO und russischen Reparationszahlungen beharrt. Die Profis wissen so etwas.
Sie orientieren sich am Machbaren, auch wenn das nicht allen gefällt. Trump ist ein Profi und ein Realist. Und der Einzige, der ein Konzept hat, den Ukraine-Krieg zu beenden. Deshalb wird er – und nur er – das auch schaffen.