
Die zweite SPD-Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht, Ann-Katrin Kaufhold, fordert eine „sozial-ökologische Umgestaltung der Gesellschaft“, spricht sich für weniger „Ängstlichkeit“ bei Oppositionsverboten aus und sieht Gerichte als Möglichkeit, um „unpopuläre Maßnahmen anzuordnen“. In einem weiteren Aufsatz stellt sie Grundrechte für Tiere, Steine und Bäume in den Raum. Es wäre das Mittel, mit dem die von ihr geforderte „Umgestaltung der Gesellschaft“ in die Tat umgesetzt werden könnte.
Der Aufsatz, in dem sich Ann-Katrin Kaufhold mit der Frage nach den Trägern von Grundrechten befasst, hat Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes zum Thema. Der Text erschien 2023 in einem Sammelband namens „Grundgesetz Kommentar“, herausgegeben von Frauke Brosius-Gersdorf – der anderen SPD-Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht.
Artikel 19 Absatz 3 des Grundgesetzes besagt, dass die Grundrechte auch für juristische Personen gelten. Für Kaufhold ist dies ein Problem. Die Regel sorge ihrer Ansicht nach „faktisch“ zu einem „Ausbau der Machtpositionen von juristischen Personen“, wie sie etwa Vereine, Unternehmen oder Stiftungen sind. Diese könnten ihre Grundrechte aber „typischerweise schneller, in größerem Umfang und nachhaltiger zur Erweiterung speziell ihrer Eigentumspositionen nutzen als juristische Personen“, so die Juristin.
Prof. Dr. jur. Ann-Katrin Kaufhold ist neben Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf die zweite SPD-Kandidatin fürs Bundesverfassungsgericht.
Hieraus folgert Kaufhold: „Umso wichtiger ist Diskussion darüber, ob potenziell kollidierenden Interessen (wie etwa Naturgütern), die ihre Stimme im Rechtssystem bisher nicht selbstständig erheben können, ebenfalls (Grund)-Rechtsfähigkeit verliehen werden sollte.“
Weil Unternehmen oder Vereine ihre Freiheitsrechte effektiver „zur Erweiterung ihrer Eigentumsposition“ nutzen können als Privatpersonen, möchte Kaufhold also über Grundrechte für Steine, Tiere und Bäume diskutieren – mit dem Ziel, die „Machtpositionen“ ersterer einzuschränken.
In diesem Sammelband fordert Kaufhold Grundrechte für Naturgüter, um die „Eigentumsposition“ von Unternehmen einzuschränken.
Diese Argumentation ist mehr als brisant: Kaufhold argumentiert nicht mit Umweltschutz. Sie argumentiert mit der Möglichkeit der Einschränkung der „Eigentumsposition“ von beispielsweise Unternehmen. Die Ausweitung von Grundrechten auf möglicherweise Insekten oder Berge ist für sie ein Mittel sozialistischer Politik.
Die Rechtslogik, derer Kaufhold sich in ihrer Argumentation bedient, gab es dabei schon im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Auch dort wurden Tiere und Lebewesen „ohne Stimme“ teils vor Gericht gestellt, allerdings nicht als Kläger, sondern als Beklagte. Besonders häufig waren Schweine betroffen – weil sie Kinder verletzt oder getötet hatten. Vereinzelt wurden auch Prozesse gegen Schädlinge wie Würmer oder Ratten geführt, die mit Boten ins Gericht zitiert wurden.
Die am häufigsten beklagten Tiere im Spätmittelalter waren Schweine.
Mediävisten erklären das bizarre Phänomen mitunter so: In einer von Krisen geprägten, unsicheren Zeit boten Tierprozesse einer Klasse von Bürokraten und Geistlichen die Möglichkeit, den Eindruck von Ordnung und Kontrolle zu vermitteln – das Recht funktionierte so gut, nicht einmal Tiere blieben ungestraft, so die Suggestion. Ein Gelehrtenapparat wurde an sich selbst wahnsinnig.
Die Ausweitung von Grundrechten auf Naturgüter würden dem von Kaufhold als „notwendig“ erachteten „fundamentalen Wandel“ und der von ihr geforderten „sozial-ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft“ einen praktischen juristischen Hebel verleihen. Von überall auf der Welt könnten vermeintliche Umweltaktivisten im Namen eines Baumes oder einer seltenen Tierart gegen Unternehmen klagen.
Kaufhold selbst sprach sich 2023 dafür aus, dass „wir“ mit Klimaklagen „Konzerne disziplinieren“ können. Über eine entsprechende Ausweitung der Grundrechte wäre dies in potenziell unendlichem Umfang möglich.
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