
Spannung lag in der Luft, als am Donnerstag gut 150 Atomkraftbefürworter in Berlin-Mitte zur Anschaltkonferenz zusammenkamen. Das mondäne Hotel de Rome bietet die passende Kulisse für ein internationales und vor allem: junges Publikum.
Die deutsche Pro-Atombewegung kristallisiert sich jenseits der bestehenden Politik und Lobbygruppen. Sowohl die CDU als auch die Wirtschaftsverbände haben den Kampf um eine günstige Stromversorgung längst aufgegeben. Stattdessen soll der Industriestrom billig subventioniert werden, so jedenfalls laut Koalitionsvertrag. Die Industrie bettelt bei der Politik um weitere Subventionen – und verlagert immer mehr Produktionsstandorte ins Ausland. Für eine Wende in der Energiepolitik tritt der Verein Nuklearia ein, der auch die Konferenz ausrichtet. Unterstützt wird er dabei durch einen Mäzen aus den Vereinigten Staaten.
Ein Gegenprotest seitens Greenpeace oder Windkraftlobbygruppen blieb während der Konferenz aus – zur Überraschung einiger Teilnehmer. Die Konferenz eröffnete die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie ist auch die prominenteste Politikerin auf der Veranstaltung – Bundestagsmitglieder der AfD sind dabei, von den Regierungsparteien sucht man aktive Mitglieder vergeblich.
Wenn es in Deutschland einen Politikwechsel gibt – dann formiert er sich außerhalb der bestehenden Parteien.
Deutschland droht dabei, die Moderne – erneut – zu verschlafen. Europaweit gibt es ein Wiedererwachen der Atomkraft. Nicht nur Frankreich und Finnland bauen ihre Kapazitäten aus – auch Italien und Belgien wollen den vollzogenen Ausstieg rückgängig machen. Die Niederlande, Tschechien, Polen und Schweden planen einen massiven Ausbau der Atomkraft. Sogar Dänemark will nun einen Wiedereinstieg prüfen lassen, ebenso erwägt die Schweiz den Ausstieg aus dem Ausstieg. Deutschland hingegen hält am Ausstieg fest, und Spaniens Regierung will die noch bestehenden Atomkraftwerke bis 2035 abschalten.
Entsprechend groß ist das Unverständnis, das auch die internationalen Gäste der Konferenz der Politik der Bundesrepublik entgegenbringen. So sind Mark Nelson und Madison Hilly vor Ort – zwei der Autoren einer Machbarkeitsstudie der Radiant Energy Group, die schon 2024 darlegte, dass ein Wiedereinstieg günstig und schnell machbar wäre. So könnten die Reaktoren Brokdorf und Emsland innerhalb von drei Jahren wieder ans Netz gehen. Innerhalb von vier Jahren könnten gleich vier Reaktoren reaktiviert werden. Tichys Einblick berichtete:
Auch die Anlage Krümmel (Schleswig-Holstein) ist noch in gutem Zustand – auch weil der damals für den Rückbau verantwortliche Landesumweltminister Robert Habeck „diese Anlage für uns gerettet hat“, wie Noah Rettberg, Nuklearia-Aktivist, unter allgemeinem Lachen erklärte. Denn obwohl Krümmel seit 2007 nicht am Netz ist, hat man es unterlassen, den Rückbau rigoros voranzutreiben. Anders ist es in ISAR 2, das in Bayern steht – und schnell zerstört wird, weil die Regierung des selbsterklärten Atomkraftfreundes Markus Söder ihren Vernichtungsauftrag ernster nimmt.
Die Redner zeigen sich optimistisch: Ein Neubau von Atomkraftwerken ist möglich und eine Reparatur zerstörter Anlagen ebenso. Die Atomindustrie in Deutschland ist trotz aller Hürden noch vorhanden. Auch ein Einkauf neuer Reaktoren aus China und Südkorea ist machbar. Und wie Markus Pache, deutscher Vertreter des Atomkraftbauers Westinghouse, ausführt: Eine Reparatur ist schwierig, es erfordert spezialisiertes Personal und Zeit. Doch durch Säurespülung beschädigte Leitungen oder zerschnittene Druckkessel bedeuten nicht, dass ein Kraftwerk verloren ist. Die deutschen AKWs sind jung: Die meisten sind weniger als 40 Jahre alt, wenn man die tatsächliche Laufzeit der Reaktoren beachtet. Ein Kernkraftwerk, das regelmäßig gewartet und modernisiert wird, kann gut 100 Jahre in Betrieb bleiben.
Auch AKW-Betreiber würden sich finden lassen – wenn sie darauf vertrauen könnten, dass ihre Investitionen nicht kurz nach einem Wiedereinstieg per Kanzlerhandstreich zerstört werden. Dafür braucht es vor allem eines, wie Veronika Wendland in ihrem Vortrag darlegt: eine Akzeptanz der Kernenergie in der Bevölkerung. Durch die Probleme der Energiewende und Versorgungsengpässe bei Gas steigt die Akzeptanz der Bürger immer weiter.
Die Stimmung auf der Konferenz ist ungewohnt gut. Diskussionen um Energieversorgung oder Produktion sind meistens deprimierend: Alle Teilnehmer wissen, dass die Energiepolitik das Land geradewegs in die Krise führt – und, dass es keinen Ausweg gibt. Die meisten Anwesenden sind auf dem Weg in die Frühpension oder schon lange aus dem Berufsleben ausgeschieden. Es sind Rückzugsgefechte der Klarsichtigen.
Auf der Anschaltkonferenz ist es anders. Viele Teilnehmer stehen in der Mitte ihres Lebens, verbinden Tatendrang und Erfahrung. Die Lösung für die Probleme des Landes liegt auf der Hand, die technische und wirtschaftliche Machbarkeit ist geklärt. Die europäischen Nachbarländer führen den Wiedereinstieg schon aus. Nun muss man nur noch die deutsche Politik überzeugen.
Es ist Optimismus, der ansteckt.