
Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen kam vorbei, AfD-Chef Tino Chrupalla war vor Ort, außerdem der Staatsrechtler Ulrich Vosgerau oder YouTuber wie der jüngst von Jan Böhmermann gedoxte „Clownswelt“: Das alljährlich stattfindende Sommerfest der Jungen Freiheit diente am Sonntag als alljährliches Vernetzungsevent, bei dem Politiker und Publizisten sowie Leser und Unterstützer der Zeitung zusammenkamen. Unter ihnen befanden sich Menschen mit liberalen, libertären, konservativen und rechten Ansichten.
Doch eine Sache war am vergangenen Samstag anders als sonst: Auf der Verkehrsinsel zwischen „Wasserwerk“ und Hohenzollerndamm in Berlin-Wilmersdorf positionierten sich drei Fotografen mit professionellen Linsen – und das bei praller Sonne und 30 Grad Außentemperatur. Schon kurz nach 15:00 Uhr nahmen die Fotojournalisten ihre Position ein, die Sonnenbrillen tief ins Gesicht gezogen, die Teleobjektive auf die Kamera montiert. Und sie knipsten und fotografierten so gut wie jeden einzelnen der rund 500 Besucher ab, die das Sommerfest betraten.
Wenig später wurden diese Fotos online veröffentlicht. Die Fotodokumentation funktioniert dabei stets nach demselben Drehbuch: Linke Aktivisten geben sich als Journalisten aus und wollen erfassen, wer bei einem konservativen Treffen (oder einer Demonstration) erscheint. Dies wird fotografisch festgehalten, protokolliert, in Datenbanken aufbereitet, öffentlich gemacht und später skandalisiert, um im Zweifelsfall Existenzen zu vernichten. Für die Personen gibt es auch inzwischen ein eigenes Wort mit zweifelhaftem Klang: „Antifa-Fotografen“.
Und seitdem stellt sich die Frage: Wer sind die Menschen, die sich hobbymäßig als Denunzianten und Verleumder betätigen, und die nicht davor zurückschrecken, Menschen an den Pranger zu stellen, weil sie ein Event der Jungen Freiheit besuchen?
Recherchen von NIUS zeigen nun erstmals: Hinter der Fotodokumentation stecken zwei Journalisten, die sich in der linksradikalen Szene bewegen und in einem NGO-Umfeld tätig sind, das in der Fotodokumentation eine aufklärerische Aufgabe sieht und sich aus Staats-, Steuer- und Mediengeldern finanziert.
Da wäre zum einen Hardy Krüger, ein Mann, der am Samstag mit Fischerhut und eckiger Brille auftrat – und die Fotos als erster veröffentlichte. Krüger gibt offiziell an, für den „Presseservice Rathenow“ zu arbeiten, einer Foto-Agentur, die in Wirklichkeit eine pseudo-journalistische Plattform für seine Demofotografien darstellt. Abgleiche in Bilddatenbanken zeigen dabei, dass Krüger umtriebig ist – und (vermutlich unter anderem Namen) verschiedene Auftraggeber hat: Er fotografiert bei Spielen des linken Vereins SV Babelsberg, dokumentiert den „Karneval der Kulturen“ in Berlin-Kreuzberg, bewegt sich auf antifaschistischen Musikevents. Man sah ihn beim G20-Gipfel in Hamburg 2017, bei Verdi-Demos in Berlin, an denen sich etwa auch die Kampagnenplattform „Campact“ beteiligte – oder auf antirassistischen Straßenfesten, die ein Verbot jeglicher Abschiebungen fordern. 2019 bewegte sich Krüger auch im Umfeld eines Events der „Omas gegen Rechts“ in Potsdam.
Die „Omas gegen Rechts“ am Hohenzollerdamm in Wilmersdorf.
Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil im Vorfeld des vergangenen Samstags jene „Omas gegen Rechts“ eine Kundgebung am Hohenzollerndamm veranstalteten. Angemeldet wurde sie für 12. Juni, also zwei Tage vor dem Sommerfest. Am Samstag postierten sich die „Omas gegen Rechts“, die ohnehin bei aller Hand Anti-Rechts-Protesten mitmischen, direkt gegenüber vom Eingang des Sommerfests der Jungen Freiheit. Das alljährlich stattfindende Fest der Wochenzeitung stellt dabei keine öffentliche Veranstaltung dar; es gibt also, anders als bei angemeldeten Demonstrationen und Protesten, keine wirklich rechtliche Grundlage, Portraitaufnahmen von ankommenden Privatpersonen zu erstellen. Genau hier aber kommen die „Omas gegen Rechts“ ins Spiel: Durch die Anmeldung der Demonstration hatte das Zusammentreffen zumindest auf der Anfahrtsstraße öffentlichen Charakter. Und so rückte die Polizei zunächst aus präventiven Gründen mit mehreren Wannen an, weil sich rechte Eventteilnehmer und linke Demonstranten gegenüberstehen könnten.
Durch den Protest erhielt also ein Privatevent den Charakter einer Kundgebung – und die Fotografen konnten ihrer „Dokumentation“ nachgehen. Ähnliches passiert auch immer wieder bei rechten Seminaren oder Wochenendveranstaltungen andernorts.
Neben Hardy Krüger – ob es sich um seinen richtigen Namen oder ein Pseudonym handelt, ist unklar – stellte sich zudem eine zierliche Frau neben ihm auf: Bei ihr handelt es sich nach Informationen von NIUS um Katia Vásquez Pacheco, die den Monitoring-Blog Friedensdemo-Watch betreibt.
Der Blog dokumentierte neben israelfeindlichen Demonstrationen in den letzten Jahren insbesondere coronakritische und rechte Proteste. Pachecho Vásquez, das zeigt eine kurze Google-Suche, arbeitete bereits mit zahlreichen Branchendiensten zusammen: der Initiative „Democ“, „Endstation Rechts“, dem Tagesspiegel, sie taucht in einem handlungsanleitendem Papier des Brandenburger Innenministeriums gegen „Reichsbürger“ auf, bei Reporter ohne Grenzen und der Amadeo-Antonio-Stiftung auf. Sie alle nutzten, teils mehrfach, Fotos der Frau.
Eine Anfrage zu ihrer Tätigkeit beim Sommerfest ließ Pachecho Vásquez unbeantwort, im Laufe des Montags verschwand sowohl der Account der Plattform Friedensdemo-Watch auf X als auch die Website des Blogs.
Die Anwesenheit von Katia Vásquez Pacheco und Hardy Krüger wirft auch medienethische Fragen auf. Vasquez etwa erhielt in Vergangenheit immer wieder Unterstützung von Jörg Reichel und der Deutschen Journalisten-Union (Verdi), welcher sich als Interessensvertreter von Journalisten versteht und Anfeindungen auf Demonstrationen verurteilte. Der Blog Kontrapolis schrieb dabei vor bereits zwei Jahren, die politische Praxis von FriedensdemoWatch habe sich über die vergangenen Jahre vor allem dadurch ausgezeichnet, „Teilnehmende missliebiger Veranstaltungen gezielt abzufotografieren und anschließend zumeist mit konstruierten Antisemitismusvorwürfen unverpixelt in Fotogalerien im Netz zu veröffentlichen.“ Nun aber richtete sich die Fotodokumentation der Frau nicht gegen „pro-palästinensische“ Aktivisten, nein nicht mal gegen Teilnehmer einer öffentlichen Veranstaltung – sondern gegen Besucher einer konservativen Privatveranstaltung, darunter auch zahlreiche Journalisten, etwa von NIUS, der Jungen Freiheit, Apollo News oder Cato.
Auch deshalb wollte NIUS von Jörg Reichel und der DJU wissen, wie er zu seiner Beziehung zu den Fotografen stehe, die er immer wieder in Schutz nahm. Wie er den Vorwürfen begegne, wonach das Outing durch Portraitaufnahmen mit Teleobjektiven Personen markiert und Existenzen zerstören können – und diesmal auch zahlreiche Publizisten von der Praxis betroffen waren. Eine Anfrage von NIUS ließ Jörg Reichel bis Fristende unbeantwortet. Dabei fragte NIUS auch konkret, ob er vor dem Hintergrund von beruflichen und wirtschaftlichen Schäden nicht eine größere Debatte unter Gewerkschaftern über diese „journalistische“ Praxis des Foto-Outings brauche. Reichel trat dabei mehrfach, auch öffentlich, als Helfer von Friedensdemo-Watch auf.
Warum die Markierung von abweichenden und rechten Stimmen verheerend sein kann, macht indes das Beispiel Vadim Derksens deutlich. Derksen, 38 Jahre alt und Leiter der Social-Media-Abteilung der Jungen Freiheit, war 2021 davon betroffen, dass mutmaßlich linksextreme Täter sein Auto in Brand setzten. Sein Familienauto brannte vollständig aus, es entstand ein Schaden in Höhe von 15.000 Euro. Der Russlanddeutsche, damals noch bei der AfD in Mahlsdorf engagiert, berichtet, auch damals von Antifa-Fotografen im Vorfeld markiert worden zu sein – und diese Praxis immer wieder von linksextremen Widersachern zu kennen.
Das Auto von Derksen brannte 2021 aus.
Derksen, selbst vierfacher Vater, konfrontierte am Samstag den Fotografen Hardy Krüger vor Ort mit seiner Fotodokumentation. Er verbat sich, seine vier Kinder (aber auch andere Minderjährige, die ihre Eltern zum Sommerfest begleiteten) abzulichten. Krüger hatte dabei keine Skrupel, auch Fotos von Kindern zu machen, die mit ihren Eltern das Sommerfest betraten, das berichten mehrere Besucher übereinstimmend, das zeigen auch die hochgeladenen Bilder. Deshalb richtete Derksen am Samstag auch einen Appell an die Polizei, die beim Anfertigen von Aufnahmen intervenieren sollte. Eine Anfrage von NIUS, die erfragen wollte, weshalb sie die fotografische Tätigkeit schützte und ob sie die Personalien der Fotografen aufnahm, ließ die Polizei Berlin unbeantwortet.
Andere Betroffene berichten gegenüber NIUS, dass Fotos von ihnen nach Demonstrationen oder Zusammenkünften auch schon mal an Arbeitgeber oder Schulbehörden herangetragen wurden – dabei fällt immer wieder der Name Hardy Krüger, der regelmäßig rechte Demonstrationen abfotografiert und auch in Österreich tätig gewesen sein soll. Auf seinem Instagram-Profil zeigt sich der „Weltenbummler“ als reisefreudiger Brutalismus-Anhänger mit auffällig viel Sympathie für Hammer & Sichel-Monumente, Lenin-Statuen und Sowjetkitsch. Dort folgt er, neben Gewerkschafter Jörg Reichel von Verdi, auch zahlreichen einschlägig bekannten und dezidiert linken Fotografen. Ein Foto, das in seinem Profil auftaucht, zeigt ein riesiges Antifa-Logo auf der Hausfassade des autonomen Hausprojekts in der Scharnweberstraße. Klickt man auf das Bild, ploppt der Accountname Krügers auf. Berührungsängste scheint es immerhin nicht zu geben.
Auf seinem Instagram-Account posiert Krüger gerne neben Lenin, hier in Kazakhstan.
Der Fotograf kokettiert immer wieder mit dem Sowjet-Emblen
Hardy Krüger war nach Informationen von NIUS auch bei der Razzia beim Compact-Magazin im Juli 2024 als einer der ersten Journalisten vor Ort. Aktuell wird vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt, ob das von Nancy Faeser (SPD) durchgesetzte Verbot des Magazins Bestand hat. Doch schon bei der damaligen Razzia stieß anderen Pressevertretern negativ auf, dass ein Fotograf mit linksextremer Schlagseite anscheinend brisantes Wissen über die Razzia von Ermittlern im Vorfeld hatte.
Das Impressum von Hardy Krüger und seines „Presseservice Rathenow“ weist unterdessen einen Verein namens Freibeuter e.V. in der Goethestraße 40 in Rathenow auf. Krüger und die Freibeuter, die unter anderem antirassistische Fußballturniere veranstalten und sich für die „Subkultur“ vor Ort einsetzen, teilen sich die Adresse auch ausgerechnet mit der Antifa Westhavelland, wie etwa auf dem linksextremen Portal Inforiot dokumentiert wird. Krügers Adresse im Impressum ist also auch identisch mit der Anschrift linksextremer Gruppierungen in Westbrandenburg.
Freibeuter betreiben in Rathenow auch das Punkcock-Café „Handgemenge“. Neben 1.-Mai-Folklore und allerhand linskradikaler Ästhetik bewirbt das Café auf Facebook dabei auch Veranstaltungen wie das „interkulturelle Parktreffen“ im Jahr 2022, das unter anderem vom Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ finanziert wurde. Einige Posts weiter wirbt das „Handgemenge“ für eine „Tag X“-Demonstration im linksradikalen Szeneobjekt „Liebig34“ in Berlin-Friedrichshain in Solidarität mit der inzwischen verurteilten Gewalttäterin Lina Engel. Als Kontaktadresse für das Café ist eine Email hinterlegt: [email protected].
NIUS-Anfragen zu den Hintergründen seines Impressums und Kennverhältnissen in Rathenow ließen sowohl Hardy Krüger als auch Freibeuter e.V. unbeantwortet.
Das Café, das von Freibeuter e.V., betrieben wird, ruft zur Demonstration für Lina Engel auf.
Der Verfassungsschutz Brandenburg ließ eine Anfrage von NIUS, welches die linksextreme Szene in Rathenow rund um Freibeuter e.V., „Café Handgemenge“, Westhavelland Antifa und Hardy Krüger zum Thema hatte, bis zur Veröffentlichung des Artikels unbeantwortet. Es drängt sich aber der Verdacht auf, dass in Rathenow neben radikal linken Konzertlocations und offen autonomen Strukturen auch Krüger als Vertreter der „Recherche-Antifa“ eine ladungsfähige Adresse besitzt, die seinen eigenen Wohnort (und womöglich seine gesamte Identität) verschleiert.
Er und Vásquez Pacheco verkörpern dabei eine Art von Aktivismus, der sich zwischen Feindesmarkierung und Denunziationsjournalismus bewegt, mitunter zivilgesellschaftlich finanziert wird und keine Berührungsängste mit verfassungsschutzrelevanten Linksextremen aufweist – für die eigene Tätigkeit aber Presseausweise erhält und von journalistischen Interessenvertretern gedeckt wird. Ein Zwischenziel dürften die „Antifa-Fotografen“ derweil erreicht haben: Auf der Plattform BlueSky teilte die Fotos vom Sommerfest der Jungen Freiheit niemand geringeres als Jan Böhmermann.
Dem ZDF-Comedian folgen dort mehr als 100.000 Menschen.
Auch bei NIUS: Wie eine NGO und militante Antifa in Niedersachsen zusammenarbeiten – und Häuser von Bürgern markieren
Transparenzhinweis: Der Autor besuchte das Sommerfest der „Jungen Freiheit“, auch er wurde fotografiert.