
182 Millionen Euro jährlich gibt die Bundesregierung für das Förderprogramm „Demokratie leben“ aus. Mit dem Geld möchte man „zivilgesellschaftliches Engagement für Demokratie, Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus“ fördern. Wie eine Recherche von Welt am Sonntag zeigt, gibt es in manchen der geförderten NGOs Personen, die sich selbst extremistisch oder antisemitisch äußern.
Der Heidelberger Verein Teilseiend bekam bis Ende 2024 2,8 Millionen Euro von Demokratie leben für ein Projekt gegen Muslimfeindlichkeit. Mittlerweile ist das Projekt eine eigene GmbH, die mit jährlich 625.000 Euro gefördert wird. Isa Panz, der auf der Webseite des Vereins noch vor kurzem als Initiator vorgestellt wurde, nannte jüdische Zionisten „eine Krankheit“. „Verkommen wir hier zu einem Judenstaat?“, fragte Panz unter dem Bild eines Chanukka-Leuchters. Zum Holocaustgedenktag schrieb Panz: „Einfach nur eklig, wie kann man sich nur derart anbiedern?“
Aufgrund der Recherchen von Welt am Sonntag hat Panz den Verein verlassen. Sollte Panz sich kritisch mit seinen Äußerungen auseinandersetzen wollen und Hilfe in Anspruch nehmen wollen, so kann er sich sicher an seinen alten Verein wenden. Dieser wird von der Baden-Württemberg-Stiftung für sein Projekt „Antisemitismuskritische Bildungsarbeit in der (Post)-Migrationsgesellschaft“ gefördert. „Ziel des Projektes ist es, zum einen mit Bildungsangeboten für Erwachsene sowie Jugendliche mit Migrations- und Fluchterfahrung Sensibilisierungsarbeit rund um das Thema Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegenüber Jüdinnen und Juden zu leisten“, heißt es auf der Webseite des Vereins.
Loubna Messaoudi ist Geschäftsführerin von BIWOC Rising, das rund 800.000 Euro von „Demokratie leben“ für ein Coworking-Projekt bekam. Zum Jahrestag des Angriffs der Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober teilte die Geschäftsführerin einen Beitrag, der den Angriff, bei dem 1.182 Menschen starben, als „Widerstand gegen Kolonialismus“ bezeichnete. Mihaela Dragan, Beiratsmitglied bei BIWOC Rising, beschimpfte jüdische Siedler als „Schweine ohne jede Würde“ und sprach dem Staat Israel sein Existenzrecht ab.
„[D]ie „Millî Görüş“-Bewegung versucht, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen“, schreibt der Verfassungsschutz in seinem Bericht über die Organisation, die dem Islamismus zugeordnet wird und ein Personenpotenzial von 10.000 Personen hat. Das Islamische Wissenschafts- und Bildungsinstitut, welches dem Umfeld von Millî Görüş zugeordnet wird, bekam dennoch seit 2020 circa 1,25 Millionen Euro von Demokratie leben für Extremismusprävention. Ali Özgür Özdil, der das IWB gründete, bezeichnete Marcel Krass, einen vom Staatsschutz beobachteten Salafisten, als einen „lieben Freund“. Das Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland wird ebenfalls dem Umfeld von Millî Görüş zugeordnet und bekam rund eine Million Euro von „Demokratie leben“.
Gegenüber der Welt am Sonntag fordern Union und SPD die Verfassungstreue der Förderempfänger. Die AfD fordert den Ausschluss von extremistischen und antisemitischen NGOs aus der Förderung. Die zuständige Ministerin, Familienministerin Prien, ist aufgrund der bekanntgewordenen Antisemitismusvorwürfe der geförderten Vereine im Austausch mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung. Bis Mai war die Grüne Familienministerin Paus für den Fördertopf zuständig.
Grüne und Linke sehen hingegen keinen Bedarf, etwas an der bisherigen Praxis der Vergabe der Mittel aus dem Fördertopf Demokratie leben zu ändern. Lamya Kaddor verweist auf die schon jetzt stattfindenden „umfangreichen inhaltlichen Prüfungen der Mittelempfänger“ und Clara Bünger von den Linken bezeichnet die Kritik als „Kampagne von rechts“.