
Wird jetzt die Alkoholsucht von Wenigen zum Problem für alle? Mehrere Experten und Politiker schlagen in diversen Medienberichten Alarm. So berichtete am Mittwoch die hessisch-niedersächsische Allgemeine (HNA) mit der Überschrift „Alkohol-Fehltage in Deutschland auf Rekordhoch“. Der SWR berichtet in seinem Rundfunkprogramm ebenfalls von Alkohol als Problem, weil die Zahl der Fehltage wegen Alkoholmissbrauch auf einem Rekordhoch sei.
Ursprung des Aufschreis waren Zahlen der AOK Rheinland/Hamburg, über die die Rheinische Post exklusiv berichtete: „Im Jahr 2023 haben sich Berufstätige so oft wegen Alkoholkonsum krankgemeldet wie nie zuvor. 16,0 Fehltage je 100 Versicherte sind es laut der AOK Rheinland/Hamburg in ihrem Gebiet, das große Teile von Nordrhein-Westfalen einschließt und mehr als drei Millionen Versicherte umfasst.“
Carola Reimann leitet den AOK-Bundesverband
Problem: Die Zahlen scheinen nicht allgemeingültig zu sein. Recherchen der Bild-Zeitung zeigen, dass bei der Krankenkasse DAK nur etwa die Hälfte der Fälle pro 100 Versicherte verzeichnet werden. AOK-Chefin Carola Reimann sieht sich durch die Zahlen aus ihrem Hause motiviert, den Konsum von Alkohol zum Tabu zu erklären. Sie fordert in der Bild-Zeitung:
Bedeutet: Für 16- und 17-Jährige sollen Bier und Wein tabu sein! Und legendäre Werbungen wie „die Bier, die so schön hat geprickelt in mein’ Bauchnabel“ (Schöfferhofer Weizen) könnten verboten werden.
Auf NIUS-Nachfrage unterstreicht ein AOK-Sprecher die Forderungen seiner Chefin und verweist auf die „allermeisten Staaten in der EU“, wo eine einheitliche Altersgrenze für Suchtmittel bereits bestehe. „Die Beschränkung von Marketing für Alkohol war im Koalitionsvertrag der Ampel eigentlich vereinbart, ist aber nicht umgesetzt worden“, sagt der AOK-Sprecher.
Reimanns Parteigenosse Burkhard Blienert (58) springt der AOK-Chefin Reimann zur Seite. „Egal, wie viel und was man trinkt, jeder Schluck kann Krebs auslösen und regelmäßiger Konsum süchtig machen“, sagt der Drogenbeauftragte der Bundesregierung gegenüber der Bild-Zeitung. Dabei moniert der zum Experten ernannte Politiker die Kosten, die der Alkohol der Gesellschaft und der Wirtschaft aufdrücke. Dass Brauereien, Kellereien und Brennereien auch Arbeitsplätze schaffen, erwähnt Blienert hingegen nicht.
Burkhard Blienert ist Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen
In der Bild-Berichterstattung kommt auch der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, zu Wort. „Alkohol ist leider nicht harmlos. Dauer und Dosis des Konsums sind entscheidend für die Gesundheit. Wir müssen mehr in Prävention und Aufklärung investieren“, sagt der 43-Jährige. Welche Investitionen konkret gemeint sind, sagt Dahmen nicht.
Janosch Dahmen (Grüne)
NIUS-Kolumnist Louis Hagen erwähnte kürzlich eine aktuelle Studie der kanadischen Universität Victoria. Die Wissenschaftler konnten dort keinen Beweis finden, dass Alkohol gesünder macht. Aber es gibt auch keinen Beweis für das Gegenteil. Dazu schreibt Hagen: „Und wer sagt denn, dass die Menschen in Italien, Frankreich, Spanien Unrecht haben – ein Glas Rotwein gehört zum Essen und zum Leben.“
Für Grüne und SPD hingegen ist eindeutig: Der Konsum von Cannabis bleibt legal.