
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat vor einem Zusammenbruch des deutschen Sozialstaats gewarnt und eine tiefgreifende Reform der sozialen Sicherungssysteme gefordert. „Wenn unser Sozialstaat kollabiert, dann nützt es keinem. Und er wird kollabieren, wenn wir so weitermachen“, sagte Dulger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wir müssen diesen Sozialstaat dringend reformieren.“
Zentral sei dabei eine ehrliche Debatte über die Grenzen der Belastbarkeit. „Wir können uns nicht mehr alles leisten, was wir uns wünschen“, erklärte Dulger. Es brauche eine offene Diskussion „darüber, was wir an Sozialleistungen nicht mehr bezahlen können“. Der Arbeitgeberpräsident verwies auf Berechnungen, wonach allein die Verwaltungskosten der Sozialkassen bei 25 Milliarden Euro lägen. „Da ist viel Raum für Verbesserungen. Wir verpulvern viel Geld für Ineffizienzen.“
Mit Blick auf die von der Bundesregierung angekündigte Kommission zur Reform des Sozialstaats drängte Dulger auf Tempo. „Ich erwarte, dass die Kommission so schnell wie möglich konkrete Punkte vorlegt, wie man die Sozialversicherungen reformieren und verbessern kann“, forderte er. „Wir müssen weg von den hohen Lohnzusatzkosten. Wir brauchen deshalb dringend ausgabensenkende Strukturreformen.“
Ziel müsse ein treffsicherer Sozialstaat sein, so Dulger. Die angekündigte Reform des Bürgergeldes müsse insbesondere darauf abzielen, die Leistung von Erwerbstätigen stärker zu honorieren. Das Ziel müsse sein, dass diejenigen, die arbeiten, spürbar besser dastehen als jene, die nicht arbeiten, so der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
Dies sei derzeit nicht der Fall – mit gravierenden Folgen für die politische Stabilität: „Und das führt dazu, dass sich immer mehr enttäuschte, arbeitende Bürgerinnen und Bürger extremen politischen Rändern zuwenden“, sagte Dulger. „Wenn der Sozialstaat treffsicher und damit gerechter wird, wird auch die politische Mitte wieder stärker.“
Besonders besorgniserregend sei die wachsende Unzufriedenheit vieler Steuerzahler, so Dulger. „Ich spreche mit vielen arbeitenden Bürgerinnen und Bürgern, die Steuern zahlen und enttäuscht und wütend sind, weil neben ihnen jemand wohnt, der noch nie gearbeitet hat, noch nie Beiträge bezahlt hat – dem es aber am Ende des Tages nicht schlechter geht als ihnen selbst“, sagte er. „Ich weiß nicht, wie lange unsere Demokratie das noch aushält, bevor einige hier die Systemfrage stellen.“
Ein zentrales Ziel müsse daher die Absenkung der Sozialabgaben auf unter 40 Prozent sein. „Das ist massiver Nettoklau bei den Beschäftigten“, betonte Dulger. Abgaben über 40 Prozent kämen einer „Strafsteuer auf Arbeit“ gleich. Einsparpotenzial sieht der Arbeitgeberpräsident unter anderem in mehr Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
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