
Ein Individuum, das unablässig mit denselben Mitteln auf dasselbe Problem reagiert und dabei kontinuierlich scheitert, ist ein Ignorant. Transponiert auf die politische Ebene können wir sagen, dass Ignoranz institutionalisiert wurde. Sie ist das Schmiermittel des Motors der gigantischen Staatsmaschine, die sich jetzt der gärenden Rezession im Lande zuwendet.
Das Reaktionsschema auf ökonomische Krisen hat sich über Jahrzehnte nicht geändert. Man hat lediglich an den Instrumenten gearbeitet und diese zu finanzstarken Vorschlaghämmern gegen den freien Markt umgeformt. Alles ist in Stellung gebracht. Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld I und II, ein neues Insolvenzrecht, Mindestlohn, Bail-ins für die Banken, Mietpreisbremse und Lohnkostenzuschüsse – im Prinzip sind alle startklar, es kann losgehen.
In den Bundesministerien und bei den Kollegen in den Ländern sowie den untergeordneten Distributionsorganisationen wie den Jobcentern dürften sie sich bereits die Hände reiben. In wenigen Wochen könnte das von Bundeskanzler Friedrich Merz groß angelegte Comeback der deutschen Wirtschaft mit Hunderten von Milliarden frischem Kredit an den Start gehen. Dann schlägt die Stunde der Zentralplaner.
Für alle ist etwas dabei: Für neue Infrastrukturprojekte, für die Aufrüstung, die Wehrfähigkeit gegen die invasiven Russen, selbstverständlich werden die Sozialetats reich bedacht, zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens. Gelingt es der Regierung dann noch, diese Schuldenparty als Investition in die Zukunft des Landes zu verkaufen, die danach einsetzende Inflation statistisch zu verwässern („Ihr müsst mehr arbeiten und sparen“), kann es im Grunde genommen nur Sieger in diesem Feldzug gegen die ökonomische Vernunft geben.
Und in der Tat, es gibt viel zu tun. Erstmals nach zehn Jahren erreicht die deutsche Arbeitslosigkeit die Marke von drei Millionen. Selbstverständlich sind dies staatliche Ziffern, die wir um die in den Statistiken versteckten Teilzeitarbeitslosen, zwangsverrenteten Frühpensionäre und das Heer von Menschen ergänzen sollten, die in diversen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen schlichtweg geparkt werden. Dennoch kam der Einbruch der Realität überraschend. Ausgerechnet im sonst stabilen Monat Mai stieg in Deutschland die Arbeitslosigkeit um weitere 34.000. In den letzten fünf Jahren summiert damit die Zahl der Jobverluste auf etwa 550.000. Mit Blick auf die hochdefizitären Sozialkassen sind das keine guten Nachrichten. Denn gerade hier verweigert sich die Politik der notwendigen Reformarbeit. Man lässt es zu, dass Sozialkosten weiter akzelerieren und wiegt die Öffentlichkeit so in einer Scheinsicherheit, die sich am Ende in einer veritablen Schuldenkrise entladen wird. Dann muss der Steuerzahler wieder herhalten, oder man füllt die aufreißenden Lücken mit Inflationsgeld, was wiederum dem produktiven Teil der Gesellschaft auf die Rechnung geschrieben wird.
Hochleistungskerosin zur Schubumkehr erhält der Arbeitsmarkt seit geraumer Zeit aus dem Unternehmenssektor. Insolvenzrekord reiht sich an Insolvenzrekord. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sind etwa 5.200 Betriebe aus dem Markt ausgeschieden – 14,8 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. 50.000 Jobs wurden im Zuge dieser Insolvenzwelle gestrichen. Was wir erleben, ist der Kollaps der Zombie-Wirtschaft, die die Politik im Zuge ihrer Rettungsmanie herangezüchtet hat. Es handelt sich zu einem sehr großen Teil um Unternehmen, die im Zuge der Nullzins-Politik der Zentralbank in Verbindung mit Zuwendungen aus der Subventionsmaschine eine artifizielle Scheinexistenz geführt haben. Einmal in der Rezession angekommen, konfrontiert mit marginal angestiegenen Realzinsen, kollabieren diese Gebilde unter der Last des Faktischen.
Es stellt sich heraus, dass ungebremstes Staatswachstum, Staatsquoten, die in Europa nicht selten jenseits der 50 Prozent-Marke rangieren, das notwendige Kapital zur Vertiefung des Innovationsprozesses der Ökonomie in die ineffizienten Kanäle des Staatslabyrinths abgelenkt haben. Für Deutschland können wir konstatieren, dass seit 2017 die Produktivität rückläufig ist. Mehr Menschen erwirtschaften pro Kopf ein geringeres Bruttoinlandsprodukt.
Wie konnte es dazu kommen? Wie ist es möglich, dass ein solches, inhärent instabiles System dennoch mit Erfolg wiederholt stabilisiert werden konnte? Kurz gesagt, es ist die Fiat-Kreditillusion, die medial erfolgreich von Kritik abgeschirmt wird, die materialisiert in Sozialprogrammen kurzfristige Entlastung für Politik und Versorgungssystem verschafft.
Es ist wie mit Drogensüchtigen: Lässt die Wirkung des Sedativums nach, muss die Dosis erhöht werden. Wir befinden uns an diesem zyklisch wiederkehrenden Punkt, an dem der Kreditmechanismus stockt, die Privatwirtschaft und die Banken neue Kreditschöpfung verweigern und der Staat es vorzieht, die Dosis durch eigene Kreditschöpfung zu erhöhen, da er den Reformprozess scheut.
Das wahre Motiv hinter dem beschleunigten Fiat-Kredit ist ein machtpolitisches. Seine Umwandlung in reale Intervention erfordert eine gigantische Bürokratie, einen Subventionsmotor und seine Kontrollverwaltung. Sie bildet die wichtigste Vorfeldorganisation politischer Macht in der postmodernen Demokratie. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass eine ökonomisch erfolgreiche Gesellschaft einen stetig wachsenden Teil ihrer ökonomischen Energie umlenkt und artifizielle Bedürftigkeit erschafft. Der Kampf um Stimmen und Wähler hat die deutschen Parteien zu einer Bruderschaft sozialistisch-sozialdemokratischer Pseudokonkurrenten verwandelt, die sich nur in Nuancen voneinander unterscheiden. Sie eint das Interesse, die bestehende Incentive-Struktur der deutschen Sozialwirtschaft zu stabilisieren, indem im kreativen Ringen um mediale Aufmerksamkeit immerzu neue Bedarfsgruppen identifiziert und bewirtschaftet werden.
In Deutschlands Wohlfahrtsparadies wird Alexis de Tocquevilles Albtraum zur traurigen Realität. Politik erkauft sich Stimmen mit dem Geld eben dieser Wähler. Zu Zeiten schwerer ökonomischer Krisen, die dieses in sich instabile Gebilde wie eine Stubenfliege gebiert, wird dieser Mechanismus ins Stupide beschleunigt. Vergessen ist die Staatsschuldenkrise vor 15 Jahren, schnell aus den Schlagzeilen verschwunden die sich anbahnende Staatsschuldenkrise Japans und Südeuropas. Dass der Anleihenmarkt längst den Daumen über den öffentlichen Schuldenbergen gesenkt hat, scheint der Wirtschaftsfachmann Friedrich Merz als Ansporn zu interpretieren, nun sämtliche Segel in diesen fatalen Wind zu setzen und Deutschland tiefer in die Schulden zu treiben.
Und die deutsche Politik ist intelligent genug, das Notwendige mit dem Nützlichen zu verbinden. Ein Großteil dieses Geldes wird sicherlich Maßnahmen der Klimaanpassung und der Weltenrettung zugutekommen. Wir verbinden ökonomische „Kompetenz“ mit moralischem Anspruch. Diese Haltung wird das politische Handeln in den kommenden Jahren auch ethisch untermauern. Dass auf dem Weg ins grüne Walhalla selbstverständlich auch Fehler gemacht werden, dass Leuchtturmprojekte wie Northvolt oder Lilium an der von Politikern beklagten Trägheit der Märkte scheitern, ist sicherlich nicht die Schuld der ambitionierten Zentralplaner in Berlin und Brüssel. Deutschland ist ein reiches Land und der Steuerzahler sollte sich an dieser Stelle der Bedeutung bewusst werden, die sein Land als visionärer Vorreiter der neuen Zeit im globalen Kontext einnimmt.
Nein, die heraufziehende ökonomische Depression wird nicht mit billigem Kredit geheilt werden. Politik war im Wesentlichen in den vergangenen Dekaden ein Mechanismus, ökonomischen Anpassungsschmerz zu unterdrücken. Die westlichen Demokratien haben sich Immunsphären geschaffen in Form aufgeblähter Wohlfahrtssysteme. Deren hemmende Absorptionskraft ist es, die letzten Endes die produktiven Vorstöße einer Gesellschaft, die notwendigen Risiken, aus denen Wohlstand erwachsen kann, zwangsläufig eliminiert.
Im Prinzip ist es ähnlich wie an der Börse. Euphorie entsteht durch einen Überschuss an Liquidität. Steigende Kurse begründen weiter steigende Kurse. Am Ende dieses sich selbst verstärkenden Zyklus tritt Volatilität auf, die zunächst als Korrekturarbeit des Marktes fehlgedeutet und ignoriert wird. Die Klugen gehen dann von Bord. Dummes Kapital strömt zuallerletzt hinzu und sorgt für einen letzten Crack-up-Boom. Traurig dabei ist, dass man uns die Roaring Twenties vorenthalten hat und Deutschland bereits vor dem großen Schlussakt in der bleiernen Lethargie einer lähmenden Rezession versinkt.