
In der Nacht auf Sonntag haben US-Militärflugzeuge bunkerbrechende Bomben auf die iranischen Atomanlagen geworfen, die gefährlichste Bedrohung im Nahen Osten ausgeschaltet. Jahrelang hatte der Iran gedroht, Israel von der Landkarte auszulöschen, und über die palästinensische Hamas, die libanesische Hisbollah und die Huthis im Jemen den islamistischen Terror in der ganzen Welt finanziert.
Doch für die ARD ist dies kein Grund zum Aufatmen. Vielmehr sät die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durch das geschickte Auslassen von Informationen Zweifel daran, ob vom iranischen Atomprogramm überhaupt Gefahr ausging – und suggeriert, dass es sich um ein Hirngespinst des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu gehandelt habe.
Gleich nach der Tagesschau sendet das Erste am Sonntagabend einen Brennpunkt zum Thema. ARD-Journalist Andreas Bachmann leitet den Beitrag mit den Worten ein: „Jahrzehntelang warb Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu für einen Militärschlag der USA gegen Irans Atomprogramm. Lange Zeit vergeblich. Doch jetzt hat er bekommen, was er wollte.“
Die Atom-Anlage Fordo nach dem US-Angriff.
Die Anmoderation gibt bereits den Sound für den Beitrag vor: Der Zuschauer soll den Eindruck gewinnen, dass es bei dem US-Angriff auf die iranischen Atomanlagen nicht primär um Israels Sicherheit, sondern um Netanjahus politisches Prestige geht. Die Gefahr, die vom Iran ausgeht, wird darum in der ARD nur in indirekter Rede beschrieben, als ob es sich um eine Privatmeinung Netanjahus handle: „Sollte der Iran eine Atombombe besitzen, drohe den Juden in Israel ein zweiter Holocaust, wiederholt Netanjahu seit vielen Jahren regelmäßig.“
Sehen Sie hier den Beitrag im ARD-Brennpunkt:
Als Kronzeugin für diese These muss Netanjahus Biografin Mazal Mualem herhalten: Sie gibt zu Protokoll, seit 2006 habe sich Netanjahu „zunehmend auf das Thema ‚die Mullahs und die Bombe‘ konzentriert“: „Da beginnt er seine neue politische Agenda zu entwickeln.“
Dass diese Agenda keineswegs aus der Luft gegriffen, sondern eine Reaktion auf reale Ereignisse war, unterschlägt die ARD: Denn ein Jahr zuvor, im Oktober 2005, hatte Irans damaliger Präsident Mahmud Ahmadinedschad in Teheran eine Konferenz mit dem Titel „Die Welt ohne Zionismus“ abgehalten. Israel müsse „von der Landkarte getilgt“ werden. Die Terroranschläge durch Palästinenser seien Teil eines „Schicksalskrieges“. Sein Publikum skandierte daraufhin „Tod für Israel“ und „Tod für Amerika“. Es war das erste Mal, dass ein iranisches Staatsoberhaupt offen die Vernichtung Israels forderte.
Irans Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad.
Netanjahu reagierte also mit seiner Entscheidung, Irans Atomprogramm in den Fokus zu nehmen, bloß auf die politische Agenda des Landes, der den jüdischen Staat vernichten wollte und Terrormilizen finanzierte, die Israel umzingelten. All das erfährt der Zuschauer nicht.
Stattdessen lässt es die ARD so aussehen, als hätte Netanjahu friedliche Lösungen mutwillig ausgeschlagen: „Versuche, den Iran über internationale Abkommen einzubinden und so das militärische Atomprogramm der Mullahs zu stoppen, hatte Netanjahu stets zurückgewiesen als ‚zu gefährlich für Israel‘.“
Auch hier lässt die ARD die entscheidende Information aus: Denn sogar die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die mit der UN verbunden ist und darum keineswegs unter Verdacht steht, besonders wohlwollend gegenüber Israel eingestellt zu sein, kam im Mai zu dem Schluss, dass das iranische Regime über hinreichende Mengen an hochangereichertem Uran verfüge, um neun nukleare Sprengsätze zu produzieren. Auch stellte die IAEA in den vergangenen Wochen fest, dass der Iran seiner Informationspflicht gegenüber der Behörde nicht wie vereinbart nachkam. Auch die unabhängige Behörde liefert also Belege für die Gefahr, die vom Iran ausgeht.
Besonders fatal wirkt der Beitrag zu Netanjahu in Kombination mit einem vorherigen Brennpunkt-Beitrag. Darin geht die ARD auf die Regime-Wechsel in anderen islamischen Staaten wie dem Irak, Syrien und Afghanistan ein: „Doch was nach einem Regime-Change kommt, ist völlig offen, wie Beispiele aus der jüngeren Geschichte zeigen. Nach ‚schlimm‘ muss es nicht notwendigerweise besser werden, es kann auch noch schlimmer kommen“, so Moderator Bachmann. Doch der Fall im Iran ist gänzlich anders gelagert als etwa die Situation im Irak und in Syrien aus der Region: Denn dort machten die Regime-Wechsel den Weg für die Islamisten frei. Im Iran hingegen wurde ein islamistisches Regime entwaffnet. Auch diesem Unterschied lässt die ARD aus, schürt stattdessen die Ängste der Zuschauer, dass es „noch schlimmer“ werden könnte.
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