ARD-Presseclub: Fünf Linke richten über Rechte

vor 20 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Verkehrte Welt: Die Messerattentäter werden immer jünger. In den vergangenen Tagen häufen sich die Meldungen über jugendliche, ja fast kindliche Gewalttäter. Doch der Presseclub diskutiert stattdessen über ein Phänomen, das niemand wahrnimmt: jugendliche Extremisten in Kameradschaften und AfD-Vorfeldorganisationen. Alle haben angeblich eines gemeinsam: Sie sind gesichert rechtsextrem. Glaubt man diesem Presseclub, steht die Machtübernahme durch Millionen minderjähriger Rechtsextremisten unmittelbar bevor.

Es dauert keine drei Minuten, da fällt das Stichwort AfD zum ersten Mal. Die Warnung vor der Partei zieht sich wie ein roter Faden durch die Sendung. Der „freie Autor“ Michael Kraske beweist, dass er gedanklich alles andere als frei ist. „Das ist jetzt ein Brandherd, diese junge, radikale Militanz“, stöhnt er. Man müsse sich „dringend den rechtsextremen Flächenbrand angucken“. Die Frage ist: Wo brennt es denn eigentlich? Es fallen Schlagworte wie „Sächsische Separatisten“ oder „Terrorgruppe Freital“, die von diesem Club der roten Lichter zu einer bundesweiten Bedrohung hochgejazzt werden. Ach ja, und auf einem Christopher Street Day wurde mal das White Power Zeichen gezeigt. Pöse, das!

Die Runde diskutiert nicht, sie schaukelt sich auf. Fünf Leute, eine Meinung. Es gibt keinen Widerspruch, keine Debatte, kein Beleuchten aus verschiedenen Perspektiven. Stattdessen muss die Moderatorin Susan Link immer wieder neu das Wort erteilen, so dass die Protagonisten dann brav ihr jeweiliges, gut vorbereitetes Statement abgeben können.

Vor allem Kraske scheint sich besonders intensiv vorbereitet zu haben. Auch in seinem zweiten Redebeitrag drischt er stantepede wieder auf den verhassten politischen Gegner ein: „Der Aufstieg der AfD, einer rechtsextremen Partei in Regierungsnähe, der ist begleitet worden über viele Jahre von einer massiven Zunahme der Gewalt und der rechten Straftaten“, behauptet Kraske. Dass er dafür die Belege schuldig bleibt – geschenkt. Und dass die genannten „Terrorgruppen“ im Ohr des Zuschauers irgendwie alle neu und unbekannt klingen, auch das weiß er einzuordnen: Die „Normalisierung des Rechtsextremismus’ im Osten“ werde nämlich „im Westen nicht mal wahrgenommen“. Kraske: „Man weiß das in Berlin, in Hamburg in München schlicht und ergreifend nicht.“ Was er selbst ganz sicher weiß: „Dass rechtsextreme Mobilisierung und rechtsextreme Wahlerfolge ein Wahnsinns-Booster für die Szene sind.“

Dass sich in diesem Zusammenhang das Thema „Hammerbande“ anbieten würde, lässt die Journalistenrunde – Achtung, Wortspiel – geflissentlich links liegen. Linksextreme, die anderen buchstäblich den Schädel einschlagen, passen eben nicht ins Weltbild. Mehr noch: In dieser Szene wird ja gern mal „Free Lina“ skandiert, um linke Attentäter*in*nen*ösen vor dem ungarischen Strafvollzug zu bewahren.

Pseudopsychologe Fuchs, der mit seinen streng zurückpomadierten Haaren so ausschaut, als habe er bis eben noch in einer rechten Kameradschaft undercover recherchiert, weiß ganz genau: Die Szene ist „sehr, sehr ansprechend für gerade junge Männer, weil sie natürlich viel Zeit, die Vereinzelung ist da, sitzen in ihren Kinderzimmern und haben sehr viel Bildschirmzeit, und dann gibt’s Angebote in der Offline-Welt, und das spricht sie an.“ Gut, mit dem Zusammenbau korrekter Satzstrukturen hat er es nicht so, aber muss ja auch nicht sein: Fuchs ist wohl eher Aktivist, nicht Journalist. Aber „Offline-Welt“, immerhin ganz hübsch. Andere würden wohl einfach „reale Welt“ oder „echtes Leben“ sagen.

Immerhin, bei Antonie Rietzschel hat der Prägestempel noch funktioniert: Online arbeitet sich die Redakteurin der Leipziger Volkszeitung noch immer am längst vergessenen Hitlergruß der ehemaligen Pornodarstellerin Melanie Müller ab und zelebriert dieses Yellowpress-Ereignis bis hin zum eigenen Profilfoto. Optisch ähnelt sie ihrem journalistischen Zielobjekt derart auffällig, als sei sie der Bruder. Heute sitzt sie in der Sonntagsrunde mit Ostwind-Kurzhaarfriese und bedrucktem Reichinnek-Unterarm.

Rietzschel berichtet von einem schlimmen Erlebnis in der S-Bahn, mit der sie jüngst zum Wandern fuhr: „Dann sitzen da auf einmal drei Jugendliche und brüllen Döp-dö-dö-döp, Ausländer raus. Deutschland den Deutschen.“ Krass. Aber noch krasser: Wieso geht sie eigentlich wandern? Wandern ist doch mittlerweile gesichert rechtsextrem! Jemand sollte ihr das sagen.

Rietzschel will die „politische Bildung von Lehrern“ auf Linie bringen, und zwar auf die rechte, also die linke, klar. „Es geht darum, immer gegen Rassismus oder gegen rechtsextreme Überzeugungen in jedem Schulfach einzustehen“, sagt sie. Kraske geht sogar noch weiter. Es brauche dringend „einen nationalen, einen großen Aktionsplan“. Man müsse unbedingt „Aufklärung reinlassen in die Schulen, auch gegen den Protest der AfD, die das mit dem Kampfbegriff der Neutralität zu verhindern versucht“. Es sei schließlich „eindeutig geregelt, dass Schulen nicht neutral dem Grundgesetz gegenüber bleiben dürfen“.

Neutralität als Kampfbegriff? Gewagte These, aber am Tisch wird nur genickt.

Wenn man ihn lässt, redet sich Kraske krass in Rage. Und man lässt ihn. „Es muss ein AfD-Verbotsverfahren eingeleitet werden“, fordert er, denn „die Parteien können sich nicht mehr dahinter verstecken, dass nichts vorliegt. Es gibt das Gutachten“, und das liefere schließlich eine „überwältigende Beweislage“. Dass das optisch dicke und inhaltlich dünne Verfassungsschutz-Papier, ein Sammelsurium öffentlicher Meinungsäußerungen ohne geheimdienstliche Erkenntnisse, längst öffentlich als inhaltsleere Nullnummer zerpflückt worden ist – kein Thema hier am Tisch. Die AfD müsse weg, um ihr „die Möglichkeit zu nehmen, diese Demokratie von innen zu zerstören“. Die Partei habe „Personal, das sie aus der rechtsextremistischen Szene seit Jahren rekrutiert“. Sie sei „auf der Straße Seite an Seite mit Neonazis und Reichsbürgern unterwegs“. Und die Jugendkameradschaften – „das soll die Straßen-SA werden für die AfD.“

Während die ARD in den sozialen Netzwerken sicherheitshalber die Kommentarfunktion deaktiviert, rutscht bei der Fragerunde am Schluss der Sendung offenbar ein Zuschauer durch die telefonische Brandmauer. Paul Schwind aus Künzelsau gelingt es, innerhalb weniger Sekunden der Sendung den Spiegel vorzuhalten: „Warum jagt der öffentlich-rechtliche Rundfunk jede Woche eine Sendung über den Äther: Wie bereite ich das AfD-Verbot vor?“, fragt Schwind. Warum werde nie über die Antifa, die Hammerbande oder antisemitische Demonstrationen in Berlin debattiert.

Moderatorin Link wirkt überfahren. Sie dankt für den „kritischen Hinweis, „den wir immer im Blick behalten“. Denn man wolle „ausgewogen berichten“, und das mache man ja schließlich auch. „Ok für Sie, Herr Schwind?“

Antwort des Anrufers: „Ganz im Gegenteil.“

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