ARD-Reaktionen auf Aschaffenburg: Täter-Opfer-Umkehr par excellence

vor 3 Monaten

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Bildquelle: Tichys Einblick

„Nach jedem Verbrechen wird der Täter der Polizei übergeben – das Opfer der Presse. Es ist nicht sicher, wer damit härter bestraft ist.“ (Dieter Hildebrandt)

Endlich weiß ich, was Haltungsjournalismus ist! Zu verdanken habe ich diese Erkenntnis der ARD-Sendung BRISANT, bei der ich kürzlich während des Zappens für einige Minuten hängenblieb und unverhofft eine Lektion zum genannten Thema erhielt:

Moderatorin Kamilla Senjo durfte zwei Tage nach dem fürchterlichen Messerangriff in Aschaffenburg auf eine Kitagruppe und deren Erzieherinnen ihren Kollegen, Christoph Schneider, live nach neuesten Erkenntnissen zu dem grausamen Geschehen befragen. Der ARD-Reporter befand sich im Park der Stadt, in dem ein 2-jähriger Junge und ein 41-jähriger Mann, der die Gruppe schützen wollte, getötet worden waren. Als Frau Senjo dem ARD-Reporter diese Frage stellte, wusste ich endlich, was man unter dem viel zitierten „Haltungsjournalismus“ zu verstehen hat:

„Der Park, in dem der Messerangriff geschah, ist eingestuft als gefährlicher Ort, warum geht man dort spazieren?“ Schlagartig begriff ich, dass man nicht etwa dem afghanischen Asylbewerber die Schuld an der grausamen Tat geben darf. Nein! Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Wieso spazieren Erzieher mit ihren Schützlingen am helllichten Tag durch einen Park in Deutschland? Aus Abenteuerlust? Um den Kleinen mittels kindlicher Früherziehung auf die harte Tour zu vermitteln, dass das Leben in Deutschland für jeden – mit und ohne Migrationshintergrund – plötzlich und unerwartet, an jedem Ort durch Fremdeinwirkung beendet werden kann?

Warum gehen wir überhaupt noch vor die Tür? Warum verbarrikadieren wir uns nicht zuhause? Alles, was wir zum Leben benötigen, können wir bestellen und liefern lassen. Theater- oder Kinobesuch brauchen wir nicht. Schließlich haben wir öffentliche-rechtliche TV-Sender, wie die ARD, die ihre Konsumenten gern mit regelmäßigen Wiederholungen aus friedlichen Zeiten des Röhrenfernsehers unterhalten. Was wir nicht brauchen, sind Haltungsjournalisten und Moderatoren, die nach einem grausamen Terrorakt, ohne Not, einzig der Wunsch umtreibt, Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben.

Was Senjos Frage mit den Mitarbeitern der Kita macht, mag ich mir nicht vorstellen. Allerdings wüsste ich zu gern, ob die Fragen von ihr stammen oder von einem „Diener der Gesellschaft“, wie sich die ARD offenbar in einem Anfall von Unterwürfigkeit auf der eigenen Website bezeichnet, vorgegeben wurden. Noch keimt in mir die leise Hoffnung, dass diese verstörende Nachhaken, um die Beweggründe zum Parkbesuch mit den Kindern zu ermitteln, von der Moderatorin unüberlegt, aus einem Gefühl tiefer Erschütterung heraus gestellt wurde.

Natürlich möchte ich Ihnen die Antwort des sichtlich irritierten Reporters nicht vorenthalten: „Das muss man differenziert betrachten. Dieser Park ist am Tage ein Ort, an dem sich viele Menschen aufhalten. Nur am Abend, wenn es dunkel wird, ist der Ort stadtbekannt für Kriminalitätsdelikte und als Drogenumschlagplatz. Deshalb wurde die „vielfältige“ Grünanlage von der Polizei „als gefährlicher Ort“ eingestuft!“

Eddie Lange ist freie Journalistin, die neben Veröffentlichungen in Printmedien als Nachrichtenmoderatorin, Reporterin und Redakteurin für öffentliche und private Sender sowie als Dozentin für TV-Journalismus tätig war.

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