
Jahrelang arbeitet Jelena Ebner in der Geschäftsführung des Immobilienkonzerns Aroundtown. 2023 wechselt sie schließlich zu einer Tochtergesellschaft des Landes Berlin, die für die Anmietung von Asylunterkünften zuständig ist. Die Berliner Immobilienmanagement GmbH schließt später für den Senat Mietverträge mit einem Volumen von 300 Millionen Euro ab. Der Vertragspartner: Aroundtown. Was steckt also hinter diesem Interessenkonflikt? Auf Anfrage von NIUS schweigt der Berliner Senat.
Noch immer sorgen die geplanten Asyl-Unterkünfte des Landes Berlin für Schlagzeilen. Erst kürzlich schloss der Senat einen Mietvertrag mit dem in Luxemburg ansässigen Konzern Aroundtown über einen ehemaligen Hotelkomplex in Berlin-Lichtenberg ab. Die ersten Asylbewerber sind bereits da, insgesamt 1.200 Personen sollen hier demnächst leben. Das Gesamtvolumen des 10-jährigen Mietvertrags beläuft sich auf 143 Millionen Euro.
In Berlin-Lichtenberg sollen insgesamt 1.200 Asylbewerber einziehen.
Doch damit nicht genug: Auch in Berlin-Westend soll in einem Bürokomplex eine Unterkunft für 1.500 Personen entstehen. Hier ist ebenfalls Aroundtown der Vermieter. Für die Kosten des zehnjährigen Mietvertrags von Januar 2026 bis Dezember 2035 rechnet der Senat mit 157 Millionen Euro. Am Mittwoch soll darüber im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses abgestimmt werden.
Der 300-Millionen-Euro-Deal des Berliner Senats ist begleitet von einem merkwürdigen Personalwechsel. Zuständig für die Anmietung möglicher Asylunterkünfte wie in Lichtenberg und Westend ist die landeseigene Tochtergesellschaft Berliner Immobilienmanagement GmbH. Bei der BIM arbeitet seit 2023 Jelena Ebner in der Geschäftsleitung. Zuvor war sie seit 2016 für den Konzern Aroundtown in der Geschäftsführung tätig. Jenem Konzern also, der nun über zehn Jahre 300 Millionen Euro vom Land Berlin erhalten soll. Hatte Ebner also etwas mit der Einfädelung des Deals zu tun? Die BIM kassiert durch den Abschluss des Mietvertrages über die Unterkunft in Westend eine einmalige Managementvergütung von mehr als 850.000 Euro. Dazu kommen für die BIM monatlich mehr als 11.000 Euro, die im Mietvertrag inklusidert sind.
NIUS schickte einen umfassenden Fragenkatalog an die Berliner Senatskanzlei. Unter anderem wollten wir wissen: Erkennt der Regierende Bürgermeister in der Personalie Ebner einen Interessenkonflikt? Schließlich gingen Anfang 2024, also kurz nach ihrem Wechsel von Aroundtown zur BIM, die Angebote von Aroundtown zur Anmietung der beiden Objekte ein. Und wer war überhaupt an den Verhandlungen mit Aroundtown bezüglich der Immobilien in Lichtenberg und Westend beteiligt? Auf eine am Donnerstag verschickte Anfrage von NIUS reagierte die Senatskanzlei nicht. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schweigt zum Millionen-Deal, der den Steuerzahler teuer zu stehen kommt.
Kai Wegner genießt seine öffentlichen Auftritte, will aber zur Personalien Ebner nichts sagen.
NIUS schickte auch an die Berliner Immobilienmanagement GmbH einen umfangreichen Fragenkatalog. Welche Rolle spielte Jelena Ebner bei der Ausarbeitung der 300 Millionen Euro schweren Mietverträge für die Asylunterkünfte in Lichtenberg und Westend? Hat sie an den Verhandlungen teilgenommen?
Die Berliner Immobilienmanagement GmbH teilt mit: „Uns ist bekannt, dass Jelena Ebner in ihrer vorherigen Tätigkeit in leitender Funktion (zuletzt Head of Acquisitions) bei Aroundtown tätig war – personelle Wechsel innerhalb einer Branche sind nicht ungewöhnlich und wir gehen transparent damit um.“ Bei der BIM sei Jelena Ebner seit 1. März 2023 als Prokuristin im Bereich Immobilienbewirtschaftung tätig. Ein Widerspruch zur eigenen Homepage, auf der ihr Firmeneinstieg auf ein halbes Jahr später taxiert wird: „Seit Oktober 2023 ist sie Prokuristin sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei der BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH.“
Die BIM jedoch versichert: „Der Bereich Immobilienbewirtschaftung ist nicht für die Anmietung externer Objekte zuständig. Frau Ebner ist somit nicht in den Anmietprozess involviert. Die Organisation der BIM schließt eine Beeinflussung des Anmietprozesses durch einen Interessenkonflikt aus. Die BIM hat einen hohen Anspruch an gesetzes- und regelkonformes Verhalten und ist wiederholt zertifiziert auf Basis der einschlägigen ISO-Norm.“
Konkrete Fragen von NIUS werden jedoch aufgrund von „vertraulichen Vertragsabstimmungen“ nicht beantwortet. Wir wollten wissen: Wie viele berufliche Treffen gab es zwischen Ebner und Vertretern von Aroundtown seitdem die Verhandlungen zwischen der BIM und Aroundtown bezüglich der Immobilien in Lichtenberg und Westend begonnen haben? Hat Ebner seit Oktober 2023 an sonstigen Gesprächen und Verhandlungen mit dem Unternehmen Aroundtown teilgenommen? All jene Fragen bleiben unbeantwortet.
Zumindest sicher ist jedoch, dass es nicht die ersten Mietverträge sind, die der Berliner Senat mit dem in Luxemburg ansässigen Immobilienkonzern abschloss. So unterzeichneten Aroundtown und die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie Anfang 2023 einen Mietvertrag. Ein Teil der Senatsverwaltung zog ins Platinum, einem bekannten Bürohochhaus in Berlin-Schöneberg. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) ist heute die Partnerin von Kai Wegner, wenngleich der Vertrag entstand, noch bevor sie ins Amt einzog.
Katharina Günther-Wünsch (CDU), Bildungssenatorin, und Kai Wegner (CDU), Regierender Bürgermeister, sind ein Paar.
Die Mietverträge des Berliner Senat mit Aroundtown dürften weiterhin hohe Wellen schlagen. Rein rechtlich jedoch ist nach bisherigen Erkenntnissen an der Personalie Ebner nichts zu bemängeln. Was bleibt, ist ein politisches Geschmäckle.
Auch der Verwaltungsrechtler Volker Boehme-Neßler spricht gegenüber NIUS von einer „Grauzone, in der manches politisch unappetitlich, aber rechtlich nicht verboten ist“. Es gebe bei der BIM „sicherlich interne Compliance-Regeln“, die Interessenkonflikte vermeiden sollen, erklärt Boehme-Neßler. „Das sind aber sehr ‚weiche‘ Regelungen, die echte Interessenkonflikte nicht sanktionieren. Die BIM betont ja, dass Frau Ebner offiziell nicht direkt mit den Verträgen befasst ist. Das wird den Compliance-Regeln genügen. Dass sie möglicherweise hinter den Kulissen und informell an den Deals beteiligt gewesen sein könnte, erfassen diese Regelungen nicht“, so der Rechtswissenschaftler. „Die politische Bewertung ist natürlich eine andere: Da sind die zeitlichen Zusammenhänge aus meiner Sicht sehr anrüchig.“
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