
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD haben am Mittwoch-Nachmittag den gemeinsamen Koalitionsvertrag für die schwarz-rote Regierungskoalition vorgestellt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Punkten.
Die Migrationswende von Friedrich Merz – sie war als zentraler Standpunkt der Union im Wahlkampf verkauft und gar als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung postuliert worden. Was Union und SPD jetzt vereinbart haben, bleibt dahinter zurück. Merz’ Fünf-Punkte-Plan findet sich im Vertrag abgeschwächt wieder. Zurückweisungen soll es, wie schon im Sondierungspapier vermerkt, nur „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ geben. Merz erklärt in der Pressekonferenz zaghaft, „irreguläre Migration“ werde man „sehr weit zurückdrängen“. Man will die europäische Asylrechtsreform (unter dem Schlagwort GEAS) weiter vorantreiben.
Es soll eine Fortsetzung der bereits geltenden Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen geben. Andere Forderungen aus dem Fünf-Punkte-Plan, wie etwa die Abschiebehaft für ausreisepflichtigen Personen, fehlen derweil nahezu vollkommen. Statt eines „Faktischen Einreiseverbots für Personen ohne gültige Einreisedokumente“, wie es früher im Fünf-Punkte-Plan hieß, sollen lediglich „nach einer Ausweisung oder einer Abschiebung (…) grundsätzlich ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden.“
Auch „Brot, Bett und Seife“, also ein Leistungs-Minimun für Asylbewerber, kommt nicht. Stattdessen heißt es: „Wir sorgen für eine konsequente Umsetzung der bestehenden Anspruchseinschränkungen im Leistungsrecht.“
Im Koalitionsvertrag steht, dass die „bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen“ nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei. Daher soll künftig eine „staatsferne Medienaufsicht“ gegen „Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze vorgehen können“. Der Straftatbestand der Volksverhetzung soll verschärft werden. „Hass und Hetze“ sowie Terrorismus sollen „noch intensiver“ bekämpft werden. Gegenüber „Feinden der Demokratie“ soll das Prinzip „Null Toleranz“ gelten. „Radikalisierungsfördernde Algorithmen“ sollen im Rahmen des DSA in der Europäischen Union stärker reguliert werden.
Eine Wiedereinführung der Kernenergie in Deutschland ist vom Tisch. Das Wort „Atomstrom“ taucht im Vertrag nicht auf. Im Koalitionsvertrag steht, dass die “Klimaneutralität 2045 in Deutschland” so umgesetzt werden soll, dass “Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit” beachtet werden. An der CO2-Bepreisung wird als “zentralem Baustein” auf dem Weg zur Klimaneutralität festgehalten. Bis zur Sommerpause 2025 sollen “derer zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit” ermittelt werden. Erneuarbere Energien sollen weiter ausgebaut werden. Am Kohleausstieg bis 2038 wird festgehalten.
Das Bürgergeld soll zumindest umbenannt werden: Die „neue Grundsicherung“ soll aber auch Sanktionen „schneller, einfacher und unbürokratischer“ durchsetzen – „bis zum vollständigen Leistungsentzug.“ Das Rentenniveau von 48 Prozent wird festgeschrieben – eine echte Reform des maroden Rentensystems spart sich auch diese Koalition. Vereinbart wird auch, dass Arbeitnehmer im Rentenalter steuerfrei weiterarbeiten können, wenn sie wollen: „Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, wird sein Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten“.
Schwarz-Rot verspricht Steuersenkungen für viele: „Wir werden die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken“, heißt es im Koalitionsvertrag. „Umgehend“ sollen Überstundenzuschläge steuerfrei werden. Die Pendlerpauschale soll auf 38 Cent „dauerhaft erhöht“ werden. Die Strompreise sollen durch die Steuer-Drehschraube gesenkt werden: „Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh werden wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle so schnell wie möglich auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte reduzieren“, heißt es.
Die Unternehmenssteuern nimmt man auch ins Visier, speziell die Körperschaftssteuer soll über die nächsten fünf Jahre um ein Prozent pro Jahr sinken. Den meisten Unternehmen in Deutschland kommt das nicht zugute – für sie ist die Einkommenssteuer auch die betriebliche Steuer. Ihnen will die neue Koalition den Wechsel ins Körperschaftssteuer-Modell bieten, unabhängig von ihrer Rechtsform.
Auch die steuerliche Agrardiesel-Rückvergütung, deren Abschaffung im letzten Jahr die massiven Bauernproteste auslöste, soll wieder eingeführt werden. Für Speisen in der Gastronomie soll die Umsatzsteuer „dauerhaft auf sieben Prozent reduziert“ werden. „Der Solidaritätszuschlag bleibt unverändert bestehen“, hält man zudem fest. Außerdem will die Koalition eine Finanztransaktionssteuer „auf europäischer Ebene“ unterstützen.
Schwarz-Rot will das Wahlrecht ändern – mitunter mit einschneidenden Änderungen. So soll Politikern, die mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden sind (in Frage käme hier evtl. bald Björn Höcke) das passive Wahlrecht, also das Recht als Kandidat anzutreten, entzogen werden. Man will auch prüfen „wie die gleichberechtigte Repräsentanz von Frauen im Parlament gewährleistet werden kann und ob Menschen ab 16 Jahren an der Wahl teilnehmen sollten“.
Eine Wahlrechtskommission soll das Ampel-Wahlrecht unter die Lupe nehmen und Vorschläge machen, wie „jeder Bewerber mit Erststimmenmehrheit in den Bundestag einziehen kann“ bei gleichzeitiger Wahrung der proportionalen Mehrheitsverhältnisse anhand der Zweitstimmen.
Die Koalitionäre bekennen sich zu weiteren Ukraine-Hilfen, ohne sich auf bestimmte Waffensysteme (etwa Taurus) festzulegen. Man will zudem den Bundessicherheitsrat zu einem Nationalen Sicherheitsrat umbauen, „der wesentlichen Fragen einer integrierten Sicherheitspolitik koordinieren, Strategieentwicklung und strategische Vorausschau leisten“ soll. Die Parteien bekennen sich zur NATO und sprechen davon, dass die Verteidigungsausgaben „bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich und stringent steigen“ müssen. Diese „richtet sich nach den in der NATO gemeinsam vereinbarten Fähigkeitszielen.“
Bemerkenswerter Weise fehlt anders als bei der Ukraine ein Bekenntnis zu Waffenexporten auch an Israel – das stand im Koalitionspapier der Arbeitsgruppe „Verteidigung, Außen, Entwicklung, Menschenrechte“ noch drinnen, wo es noch hieß: „Wir unterstützen Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit, auch durch Rüstungsexporte“. Im finalen Koalitonsvertrag steht nun nur noch: „Wir […] unterstützen Israel bei der Gewährleistung der eigenen Sicherheit.“