
„Die Sachentscheidungen sind richtig, aber unsere Außendarstellung ist noch verbesserungsbedürftig“, sagt Friedrich Merz über den bisherigen Verlauf der Koalition. Bemerkenswert natürlich, angesichts der Tatsache, dass bisher fast nur (und zwar erhebliche) Wahlkampfziele der SPD tatsächlich verwirklicht wurden.
Er trifft aber mit diesem Satz einen Punkt, der die ganze Selbstillusion des politischen Betriebs in Berlin zusammenfasst. Seit Jahren ist das nunmehr das Mantra, das wechselnde Regierungen vor sich hertragen und viele Journalisten gerne replizieren. Kommunikation schlecht, Streit schlecht, aber die Politik im Verborgenen dahinter liegt – die soll eigentlich total gut sein. Das war natürlich immer Quatsch und ist durch nichts gedeckt außer der Behauptung an sich.
Seit Jahren flüchtet sich das politische Berlin deshalb zunehmend in den Dunstkreis der politischen PR-Berater und „Kommunikationsexperten“. Man meint, man könne der Depression eines im Sterben liegenden Parteiensystems entkommen, wenn man nur einen richtigen Marketinghebel findet. Die SPD hält seit Jahren eisern an dieser Methode fest und setzt mit ihrem vorgeblichen PR-Genie „Rapha“ Brinkert vor allem auf Design und „kreative“ Sprüche, wie bspw. dass SPD seit neuestem für „Soziale Politik für dich“ stehen soll. Obwohl man seit Jahren Niederlage nach Niederlage einfährt, meint man weiter auf dem richtigen Weg zu sein, denn einmal soll es ja geklappt haben – mit dem Zufallskanzler Olaf Scholz. Und so werden die Farben immer leuchtend roter und die Slogans immer kindlich-aufdringlicher.
Und dennoch wird der politische Betrieb immer stärker von diesen Wundermagiern der politischen Kommunikation betreut und so wird er auch immer langweiliger, auf seine merkwürdig eigene Art geschliffen und mit jedem Kommunikationstraining werden die Reden schlechter.
Es ist natürlich eine große Illusion, dass im Bereich der Kommunikation jenes unbegrenzte Potenzial zur Rettung der alten Parteien liegen würde. Die großen Marketingstrategen haben ihren eigenen Heiligen, Steve Jobs, auch nicht verstanden. Das geniale Marketing von Apple baute sich ja nun gerade um ein geniales Produkt herum auf und atmete von ihm. Eine „Think Different“-Kampagnen hätten wohl kaum den durchschlagenden Erfolg produziert, hätten sie – sagen wir – eine Schreibmaschine oder einen Toaster beworben.
Im Falle des politischen Berlins ist es eher andersherum. Dadurch, dass sich die Botschaften von SPD und CDU seit Jahren ähneln und seit Jahren um eine schrumpfende Mitte immer enger kreisen, werden sie auch in der Außendarstellung flacher. Selbst der größte Propagandist kann wohl kaum zum 20. Mal die gleiche, gescheiterte Botschaft schön darstellen. Je schlechter es um das Produkt bestellt ist, desto schlechter wird auch sein Marketing – weil man um ein schlechtes Produkt ohne Hoffnung auf Verbesserung auch keine gute Werbung bauen kann, die nicht eine dreiste Lüge wäre. Und ein System, das aus alten Zwängen heraus die Realität ignoriert und jeden frischen Wind aussperrt, wird den Mief nicht loswerden und man wird ihm früher oder später schon auf den ersten Blick ansehen können, dass man zu seiner Verteidigung nichts mehr zu sagen hat.
Egal was man sagt und plakatiert, es wird immer fahler und alles, was aus ihren Mündern so gefiltert rinnt, wird von einer eigentümlich unerträglichen Langeweile umnebelt.
Das Sinken von CDU und SPD ist ein fundamentaler Trend, der seit nunmehr einem Jahrzehnt anhält und nur durch kurze Aussetzer, Turbulenzen und Schwankungen kurzzeitig überlagert wird. Der Trend hat einschlägig bekannte, zahllose tiefliegende politische Ursachen, hinzu kommt die Schieflage des ganzen Parteiensystems durch die Brandmauer, die immer mehr politisches Kapital, wie man so schrecklich sagt, verschlingt.
Die Vorstellung, dass man diesen Zusammenbruch statt mit einer wirklich veränderten Politik mit einem kommunikativen Geniestreich abwenden könnte, das ist schon magisches Denken und Wunderwaffen-Glaube.
Im Gegenteil: Das Letzte, was die Koalition noch irgendwie erträglich macht, sind ab und an aufflimmernde Akte der Uneinigkeit, des Chaos und ein Friedrich Merz, der tatsächlich rhetorisch noch zu den besten dieses Berlins gehört, weil er noch nicht ganz die lächerliche Sprache eines Lars Klingbeils angenommen hat. Auch diese Relikte seiner zumindest ästhetischen Anleihen an die Bonner Republik werden ihm kluge Kommunikationsberater schnell vollends ausgetrieben haben.