
Wenn man darüber nachdenkt, wie Deutschland wohl in den nächsten Jahren aussieht, fällt mir eine Rede ein, die 65 Jahre alt ist, aber nichts von ihrer Aktualität verloren hat. Es ist die Antrittsrede zur Präsidentschaft John F. Kennedys aus dem Jahr 1961. Sie ist nur 1.355 Wörter lang – und wurde zum Inbegriff des American Dream, des amerikanischen Traums.
John Fitzgerald Kennedy hält am 20.Januar 1961 bei der Amtseinführung seine erste Rede als US-Präsident.
In weniger als 15 Minuten gelang es Kennedy eine Vision von Freiheit und Frieden aufzuzeigen, die sich – man muss es so sagen – in das kollektive Gedächtnis von Generationen einbrennen sollte. Dem passiven, subversiven Charakter des Kommunismus setzt Kennedy den moralisch überlegenen Westen entgegen. Es ist eine Vision von zwei sich gegenüberstehenden Mächten. Aus diesem Grund bezeichnet er die auf ihn und seine Mitbürger zukommende Zeit auch als „burden of a long twilight struggle“, die jedoch zu überwinden ist, wenn sich nicht nur der Staat, sondern jeder Einzelne mit größter Entschlossenheit beteiligt. Gegen Ende der Rede folgen seine berühmt gewordenen Worte: „Frag nicht, was dein Land für dich tun kann – frag, was du für dein Land tun kannst.“
In diesen Worten stecken eine Weisheit und eine Kraft, die über Amerika hinaus ihre Wirkung entfaltet. Und ich finde, diese Worte sprechen nicht nur die Staatsbürger an, sondern auch die Politiker, die vom Volk gewählt wurden. Denn Politiker sind immer auch ein Spiegelbild ihrer Zeit. Deshalb müssen die das Richtige tun, das, was ihre Zeit verlangt.
Konrad Adenauer, dieser asketische Rheinländer, war der Richtige in seiner Zeit. So wie er sahen viele Männer der Nachkriegszeit aus: hager, zäh, erfahren; ehrgeizig, die Dinge des Lebens in eine bessere Richtung zu lenken. Mit seinen Weisheiten („Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind. Sie werden keine besseren finden“) traf er den Nerv der 50er Jahre. Denn es gab eben noch die anderen Deutschen, die Nazi-Zeit war gerade vorüber. Sie waren Lehrer, Richter, Ärzte, Politiker. Aber es gab eben auch jene, die mit den Nazis nichts zu tun hatten. Und die waren in der großen Überzahl.
Bundeskanzler Konrad Adenauer (rechts) und sein Nachfolger Ludwig Erhard im Oktober 1963.
Der Bundeskanzler nach Adenauer war Ludwig Erhard, wieder ein Spiegelbild der Gesellschaft: wohlbeleibt, Zigarren rauchend, die neue Zeit, die er selber verkörperte, genießend – das Wirtschaftswunder, dessen Vater er war. Die Deutschen konnten wieder essen, in den Urlaub fahren, das Leben genießen, ein Auto kaufen. Und gerade in dieser Zeit kristallisierten sich Eigenschaften, die man bis heute deutsche Tugenden nennt: Fleiß, Zuversicht, Pünktlichkeit, Ehrgeiz, Korrektheit. In diesen Jahren wurde Deutschland das, was es Jahrzehntelang bleiben sollte: Das Land, das für „Made in Germany“ stand. Deutsche Qualität, deutscher Erfolg („VW läuft und läuft und läuft“).
Es waren die Jahre der Zuversicht, des Aufbruchs, des Zusammenhaltes. Es waren die Jahre, auf die Kennedys Forderung passte: Die Deutschen fragten, was sie tun können, damit es im Land aufwärts geht. Und sie taten alles, dass es geschehen konnte. Und es geschah.
Und dies alles ist eine, höchstens zwei Generationen her. Als älterer Mensch hat man das alles erlebt. Die Menschen mögen etwas anders aussehen heute als in den 50ern (besser, denke ich), aber es sind doch grundsätzlich die gleichen, die sie damals waren. Ich sage bewusst nicht „so ähnlich“, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich Charaktereigenschaften nicht innerhalb zweier Generationen so stark verändern.
Und deshalb mein Appell an die, die Zukunft unseres Landes mitbestimmen werden in der nächsten Legislaturperiode und die Verantwortung für das Wohlergehen des Landes tragen:
Und ich bin sicher – die Deutschen lieben ihr Land.