
Die Enquete-Kommission Corona hat entgegen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages keinen AfD-Abgeordneten zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. In einer nicht-öffentlichen Sitzung unmittelbar im Anschluss an die konstituierende Sitzung erhielt die AfD-Kandidatin Claudia Weiss in geheimer Wahl nur sieben von 25 abgegebenen Stimmen.
Die Kommission soll die Coronamaßnahmen-Zeit aufarbeiten und Empfehlungen für künftige Pandemien vorlegen. Sie besteht aus 14 Mitgliedern des Deutschen Bundestages und 14 Sachverständigen. Nach dem Parlamentsproporz steht der Unionsfraktion der Vorsitz der Enquete-Kommission zu. Die AfD-Fraktion sollte demnach den stellvertretenden Vorsitz stellen.
In der öffentlichen konstituierenden Sitzung wurde – nach einer Eingangsrede von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner – Franziska Hoppermann zur Vorsitzenden gewählt. In geheimer Wahl erhielt die Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete die Stimmen aller 25 anwesenden Kommissionsmitglieder.
Anschließend wurde die Sitzung geschlossen und unmittelbar als zweite, nun geheime Sitzung wiedereröffnet. Dann erst stand die Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden auf dem Programm. Die AfD schlug für den ihr zustehenden Posten die gelernte Pflegekraft Claudia Weiss aus Bernburg vor.
Nur sieben Mitglieder der Kommission, darunter vermutlich sechs von der AfD entsandte, stimmten für den Vorschlag der AfD. Eine weitere Person enthielt sich, 17 stimmten mit Nein. Damit ist Weiss nicht gewählt. Da keine andere Fraktion für den Posten vorschlagsberechtigt ist, bleibt er nun vorerst vakant.
Eigentlich sind Enquete-Kommissionen als überfraktionelle Arbeitsgruppen konzipiert. Anders als im Untersuchungsausschuss soll nicht konfrontativ, sondern miteinander gearbeitet werden. Abgeordnete aller Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnis im Bundestag und Sachverständige verschiedener Fachrichtungen sind gleichermaßen Vollmitglieder.
Grundsätzlich sollen sich alle Fraktionen auf die Auswahl der Sachverständigen einigen. Gelingt eine solche Übereinkunft nicht, schicken die Fraktionen jeweils so viele Sachverständige, wie sie Abgeordnete in der Kommission stellen. Letzteres war diesmal der Fall, sodass 14 Vertreter der Fraktionen auf 14 Sachverständige der Fraktionen treffen sollen.
Die Grünen haben es allerdings nicht geschafft, beide ihnen nach dem Verhältnis zustehenden Sachverständigenposten zu besetzen. Sie entsenden zunächst nur einen statt zwei Sachverständiger in das Gremium. In der Summe macht das also 13 statt 14.
Den Einfluss der AfD minimieren soll auch die gewählte Größe dieses besonderen Ausschusses: Von den 14 Abgeordneten und 14 Sachverständigen stellt die CDU/CSU je fünf, AfD und SPD beide je drei. Auf die Grünen entfallen zwei Posten je Gruppe, auf Die Linke je einer. Damit haben AfD und SPD gleich viele Mitglieder benannt, obwohl die AfD deutlich stärker im Bundestag vertreten ist. Nur bei einer Größe von sechs oder 19 Mitgliedern je Gruppe wäre die AfD stärker benachteiligt. Bei insgesamt 9, 12 oder über 14 Mitgliedern je Gruppe käme es zu einer ausgewogeneren Repräsentation aller Fraktionen. Eine solche Lösung scheint aber einmal mehr bewusst nicht gesucht worden zu sein.