Aufkauf des Chemieriesen Covestro: Deutschland gerät in den arabischen Zangengriff

vor 6 Monaten

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Deutschland steht immer mehr unter dem Einfluss der katarischen Königsfamilie. Mehr als die Hälfte der DAX-Aktien sind mittlerweile in ausländischer Hand, und einige Konzerne haben sich ausländische Investoren als sogenannte Ankeraktionäre fest etabliert. Vor allem der katarische Staatskonzern Adnoc (Abu Dhabi National Oil Company) investiert in Deutschland. Das Emirat besitzt inzwischen 17 Prozent der Anteilsscheine von VW, acht Prozent der Aktien der Deutschen Bank sowie Beteiligungen von mehr als drei Prozent an Siemens.

Auch bei RWE hat Katar kürzlich 2,4 Milliarden Euro investiert, was zu einem Anteil von etwa 9 Prozent führen wird. Bei der VW-Tochter Porsche sicherte sich das Emirat zum Börsengang einen Anteil von 4,99 Prozent, und an der Reederei Hapag-Lloyd hält Katar 12,3 Prozent aller Aktien. Schon heute kann die Königsfamilie Al-Thani über Sitze in Aufsichtsräten entscheidend auf die Unternehmenspolitik der Konzerne einwirken.

Nun bahnt sich jedoch ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte an. Für fast 16 Milliarden Euro will der Konzern aus Abu Dhabi den deutschen Chemieriesen Covestro übernehmen. Der geplante Kauf wäre die größte Übernahme eines deutschen Unternehmens durch einen Investor aus dem Nahen Osten überhaupt. Bis jetzt erschien es undenkbar, dass ein arabischer Ölkonzern einen kompletten DAX-Konzern aufkaufen könnte. Doch genau das steht nun bevor.

Noch im Sommer 2023 lehnte der Leverkusener Konzern zunächst ein erstes Kaufangebot von Adnoc in Höhe von 55 Euro pro Aktie ab. Daraufhin begannen Anfang September desselben Jahres ergebnisoffene Gespräche zwischen den Parteien. Im Juni 2024 ging man dann in konkrete Verhandlungen über eine mögliche Transaktion über. Als Adnoc dann einen Kaufpreis von 62 Euro je Covestro-Aktie in Aussicht stellte, gaben sich die Leverkusener geschlagen und stimmten der Übernahme zu.

Mindestens 50 Prozent der Anteilsscheine plus eine Aktie wird der Ölkonzern aus Abu Dhabi von Covestro aufkaufen. Zustimmen müssen nun nur noch die Aktionäre sowie die Bundesregierung. Bei Covestro selbst wird mit der Finalisierung des Geschäfts im Frühjahr 2025 gerechnet. Ernsthaften Widerstand dürfte es weder von der Bundesregierung noch von den Aktionären geben. Das Angebot von 62 Euro pro Aktie liegt deutlich über dem gegenwärtigen Aktienwert des Unternehmens.

Die Bundesregierung wiederum ist schon heute massiv angewiesen auf die katarische Königsfamilie. Vor etwa einem Jahr unternahm Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine bedeutsame Reise nach Abu Dhabi, um die Vereinigten Arabischen Emirate als strategischen Partner für die Lieferung von grünem Wasserstoff zu gewinnen. Zudem benötigt man Katar als Gaslieferanten. Ab 2026 soll das Emirat ganz wesentlich die einstigen Gaslieferungen aus Russland ersetzen.

Für den Industriestandort Deutschland ist die Übernahme jedoch ein weiterer Schlag. Die Entwicklung von Covestro war bisher eine Erfolgsgeschichte. 2014 spaltete sich Covestro vom kriselnden Bayer-Konzern ab. Der Börsengang erfolgte im Jahr 2015 und schon 2018 gelang der Aufstieg in den DAX. Im Geschäftsjahr 2023 erwirtschaftete der Konzern mit einer Belegschaft von über 17.500 Mitarbeitern einen Umsatz von 14,4 Milliarden Euro. Die Übernahme durch Adnoc ist ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Der Konzern ist auf die Herstellung von Kunststoffen spezialisiert und produziert unter anderem Schaumstoffe für Autositze und Spezialharze für Rotorblätter von Windkraftanlagen, was ihn zu einem unverzichtbaren Lieferanten für nachgelagerte Industrien macht. Anders als viele Konkurrenten ist Covestro von der „Transformation der Automobilindustrie“ kaum betroffen. Der Börsenwert des Unternehmens stieg entsprechend auf Jahressicht um rund 20 Prozent. Kaum ein deutsches Chemieunternehmen entwickelte sich in der jüngeren Vergangenheit besser.

Dennoch ist auch Covestro stark von den gestiegenen Energiepreisen betroffen. Der Aufkauf von Covestro kommt entsprechend in einer Phase, in der der Konzern finanziell angeschlagen ist. Nicht nur hat Adnoc erklärt, den Konzern mehrheitlich zu übernehmen, sondern auch eine Kapitalspritze in Höhe von 1,2 Milliarden Euro angekündigt. Dem Unternehmen wird damit das schwierige Geschäftsjahr 2023, das mit einem Verlust von 200 Millionen Euro abgeschlossen wurde, gerettet. Außerdem erklärte der katarische Ölkonzern, die Unternehmensschulden von 3 Milliarden Euro vollständig tilgen zu wollen.

Welche Gefahren mit der ausländischen Übernahme von Unternehmen einhergehen, zeigte sich entscheidend zuletzt 2016. Der Verkauf des Augsburger Roboterherstellers Kuka an den chinesischen Konzern Midea führte dazu, dass eine für Deutschland strategisch bedeutsame Robotertechnologie unter die Kontrolle eines chinesischen Unternehmens geriet. Bislang gibt sich Adnoc handzahm und erklärte etwa, den gegenwärtigen Vorstand bis 2028 im Amt zu belassen. Zudem besteht eine Investitionsvereinbarung, der zufolge sich Covestro verpflichtet, bis 2028 keine wesentlichen Änderungen in der Unternehmensstruktur vorzunehmen. Was danach geschieht, steht jedoch in den Sternen.

Für die Kataris macht die Übernahme Sinn. Während Adnoc bereits über Expertise in der Herstellung von Raffinerie- und petrochemischen Produkten verfügt, würde die Übernahme den Zugang zu hochmodernen Materialien ermöglichen.

Deutschland droht hingegen aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten mehr und mehr zum Schnäppchenpreis aufgekauft zu werden. Der bahneigene Logistikkonzern DB Schenker steht kurz vor dem Verkauf an den dänischen Wettbewerber DSV für 14,3 Milliarden Euro. Gleichzeitig hat der chinesische Elektronikkonzern Luxshare die Mehrheit am Nürnberger Autozulieferer Leoni übernommen. Im Bankensektor zeigt die italienische Großbank UniCredit Interesse an einer möglichen Übernahme der Commerzbank. Die bevorstehende Übernahme von Covestro ist aufgrund der Größe des Unternehmens sowie der offenkundigen politischen und kulturellen Differenzen für den Unternehmensstandort Deutschland ein noch heftigerer Schlag.

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