
Zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, posieren rot-grüne Politiker im Vernichtungslager. Von Juden ist nicht mehr die Rede, auch nicht in der Tagesschau. Offenbar sind sie nicht mehr die „richtigen“ Opfer.
Mit dem Gedenken an den Holocaust ist das so eine Sache. Die Lektion des Menschheitsverbrechens für die Deutschen hätte lauten können: Wir dürfen totalitäre Herrschaft nie wieder zulassen und wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass noch einmal ein Versuch unternommen wird, das jüdische Volk zu vernichten.
Stattdessen wird Auschwitz als eine Art Besserungsanstalt begriffen, die ausgerechnet das Land der Täter auf den moralischen Hochsitz der Welt katapultiert hat („Gerade wir als Deutsche!“), von dem herunter es andere Völker Mores predigt – und wo die Juden, ausgerechnet die, nichts gelernt haben: Um sich ihrer Todfeinde zu erwehren, greifen sie zur Gewalt, und das, wo Gewalt doch per se schlecht ist.
Da die Deutschen den Juden Auschwitz nicht verzeihen (Zvi Rex), strafen wir sie neuerdings mit Nichtbeachtung. Der Post, den Bundeskanzler Scholz auf der Social-Media-Plattform X (Twitter) zum internationalen Holocaust-Gedenktag, lautete wie folgt:„Söhne und Töchter, Mütter und Väter, beste Freunde, Nachbarn, Großeltern: Mehr als eine Million Menschen mit Träumen und Hoffnungen wurden in Auschwitz ermordet, ermordet von Deutschen. Wir fühlen mit und erinnern. Wir dulden kein Vergessen, nicht heute und nicht morgen.“
Menschen mit Träumen und Hoffnungen. Das könnte jeder sein, auch Kinderschänder, Hundefänger und Seiltänzer haben Träume und Hoffnungen. Wer da genau ermordet wurde, bleibt unklar. Aber wir fühlen mit den Unbekannten, klar. Und Scholz duldet kein Vergessen, anders als der Untersuchungsausschuss im Cum-Ex-Skandal, zu seinem Glück. Holocaust ohne Juden? Das fanden viele User daneben, was aber den SPD-Parteivorstand nicht davon abhielt, das Statement des Kanzlers auch noch als Zitatkachel zu posten.
Um die schäbige Inszenierung abzurunden, ließ sich der Dauergrinser Olaf Scholz in Auschwitz auch noch vor einem Ofen ablichten, gnädigerweise mit dem Rücken zum Fotografen.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck wollte nicht auf das Lager, in dem fast eine Million Juden und auch russische Kriegsgefangene, Roma, „Asoziale“ und politische Gegner der Nazis ermordet wurden, als Wahlkampfkulisse verzichten:„Heute, am 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, habe ich in Polen das Stammlager I und später das Konzentrations- und Vernichtungslager in Auschwitz-Birkenau besucht. Neben dem offiziellen Teil gab es auch ein paar Momente allein. Ich brauche dazu nichts zu sagen, denke ich.“
Nachdenklich wie immer: Robert Habeck.
Nein, Robert, brauchst du nicht. Lass' es lieber. Aber fällt Ihnen was auf? Wieder fehlt der Hinweis auf die Shoah, dafür bringt Habeck dreimal das Wort „ich“ unter. Ich, ich, ich. Nachdenklich schreitet er durch die Lagergasse, wobei offenbleibt, worüber er nachdenkt. Über das nächste Küchentischgespräch? Die bröckelnde „Brandmauer“? Daran, was es wohl in der Kantine der Gedenkstätte zu Mittag gibt? Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten? Ganz allein ist Habeck nicht, schließlich lässt er sich ablichten, so viel Selbstinszenierung muss sein, und instrumentalisieren, das machen immer nur die anderen.
Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage der Jewish Claims Conference haben zwölf Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland noch nie etwas von den Begriffen Holocaust oder Shoah gehört. Und nach einer empirischen Untersuchung der ARD-Tagesschau-Ausgabe vom 27. Januar 2025 haben 100 Prozent der etwa 5,5 Millionen Zuschauer in siebeneinhalb Minuten nicht erfahren, dass die Opfer des Holocausts Juden waren.
Die Hälfte der Hauptnachrichtensendung ist dem Gedenktag gewidmet, und es ist schon ein Kunststück, angesichts von Kippa tragenden Überlebenden um das J-Wort herumzukurven, aber der Tagesschau gelingt es. Es geht um „Überlebende“, „ehemalige Häftlinge“, „Opfer“, „Menschen“, „Männer, Frauen und Kinder“, nur nicht um Juden.
Nicht einmal der zitierte Leon Weintraub oder, einmal mehr, Margot Friedländer werden als Juden vorgestellt. Der Hauptspin ist nämlich der: die Lehre aus dem Holocaust als allgemeine Warnung schon vor Mikroaggressionen zu lernen. Sensibel zu sein „für alle Äußerungen von Intoleranz und Vorurteilen, gegenüber denen, die anders sind, die eine andere Hautfarbe haben, Religion oder sexuelle Orientierung“ haben.
„Es gibt nur menschliches Blut“, sagt Margot Friedländer. Wir erfahren, dass ihre Mutter und weitere Familienmitglieder deportiert und in Auschwitz ermordet wurden, nicht aber, warum: Weil sie einer mobilen ethnischen Minderheit angehörten? Schwul oder lesbisch waren? Einen Führerwitz erzählt hatten? Oder, möglicherweise, weil sich die Nationalsozialisten die Vernichtung der Juden in Europa zum Ziel gesetzt hatten? Ist nur so eine Spekulation. Am Ende wird auf ein Interview mit dem Holocaust-Überlebenden Roman Schwarzman in den Tagesthemen verwiesen, wiederum, ohne seine jüdische Herkunft zu erwähnen.
Warum wurden Margot Friedländer (103) und ihre Familie verfolgt? Die Tagesschau verrät es nicht.
Lange waren die beliebtesten Juden in Deutschland, wie Alexander Wendt so böse wie treffend sagte, Herr und Frau Stolperstein. Während man Israel im Stich lässt und die Regierung des jüdischen Staates maßregelt, und während weiter fröhlich Millionen von muslimischen Migranten aufgenommen werden, die den Hass auf Juden in sich tragen, kann man um die toten Juden trauern. Oder eben auch nicht, wie man sieht.
In Zeiten, wo das Bedürfnis, einer vermeintlich benachteiligten oder gar gefährdeten Gruppe anzugehören, dank der linken Identitätspolitik sehr ausgeprägt ist, schlägt der Opferneid voll durch. Das Bedürfnis nach einem „Schlussstrich“, früher im rechten politischen Spektrum ausgeprägt, wird, jedenfalls wenn es um das jüdische Leiden geht, immer stärker. Es geht auch ohne Juden! Vorgemacht hat es die DDR, in deren kommunistischer Gedenkkultur der Fokus vor allem auf das Heldentum kommunistischer Gegner des Nazi-Regimes gerichtet wurde („Opfer des Faschismus“). Die Verfolgung und Vernichtung der Juden spielte, wenn überhaupt, eine Nebenrolle im „besseren Deutschland“.
Und im „besten Deutschland, das es jemals gegeben hat“ (Frank-Walter Steinmeier), hat man jetzt eben die Juden aus dem Fokus gedrängt und andere Gruppen gefunden, die dorthin gerückt werden. Im Identitäts-Kosmos der links-grünen Ideologen rangieren die Juden ohnehin auf der dunklen Seite: privilegiert und weiß, auch wenn es in Israel dunkelbraunhäutige jemenitische Juden oder gar schwarze äthiopische Juden gibt. Die islamische Welt hingegen wird dem „globalen Süden“ zugeordnet, unterdrückt und strukturell diskriminiert vom bösen weißen Mann, auch wenn kein Volk den Sklavenhandel in einem solchen Ausmaß betrieben hat wie die Araber und demokratische Verfassungen und Menschenrechte nicht in Bagdad oder Mekka erfunden wurden.
Schon vor zwei Jahren veröffentlichte die „Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“, Ferda Ataman, eine Presseerklärung, in der sie ihrer großen Freude darüber Ausdruck verlieh, dass „der Deutsche Bundestag in der Gedenkstunde am 27. Januar wegen ihrer sexuellen Identität verfolgte Menschen in den Mittelpunkt der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus“ stellt. In den Mittelpunkt. Schon in diesem Dokument kommen die sechs Millionen ermordeten Juden nicht vor, es geht um „homosexuelle und trans* Menschen“ – und das, wo der Gröfaz nie mit der „Vernichtung der trans* Menschen in Europa“ gedroht hat und die Nationalsozialisten zwar schwule Männer verfolgten, lesbische Frauen jedoch nicht.
Glücklich, „queere“ Opfer der Nazis in den Mittelpunkt zu stellen: Ferda Ataman.Die Größenordnung fiel auch nicht sonderlich ins Gewicht, jedenfalls nicht so, dass die Opfer „in den Mittelpunkt der Erinnerung“ gestellt werden müssten, aber die Zeiten haben sich ganz offensichtlich geändert. Die „Nie wieder“-Beschwörungsformeln klingen umso hohler, je öfter Islamisten auf Kundgebungen öffentlich ihren Hass auf Juden ausleben und je weniger sicher sich Juden auf den Straßen dieses Landes fühlen.
Der Verdacht drängt sich auf, dass die deutsche Politik keinen Wert mehr darauf legt, sich zur Verantwortung gegenüber den Juden zu bekennen, weil sich die Einwanderung zahlloser Antisemiten aus islamischen Kulturen längst demografisch bemerkbar macht. Wer will schon zukünftige Wähler vor den Kopf stoßen? Es ist schon jetzt in vielen Schulen fast unmöglich für Lehrer, bei einem erheblichen Anteil von Muslimen in der Klasse vom Holocaust oder von Israel zu sprechen, oder mit ihnen eine KZ-Gedenkstätte zu besuchen. Man will in solchen Milieus nichts von Staatsräson und historischer Verantwortung hören, schon gar nicht, wenn es um Juden und den jüdischen Staat geht.
Eines zeichnet sich immer deutlicher ab: Der Holocaust ist nicht mehr der Völkermord an den Juden, denen eine Referentin im Arbeits- und Sozialministerium von Hubertus Heil, die auf den Namen Melanie Schweizer hört, bei X vielmehr einen „industriellen Massenmord“ an den Palästinensern unterstellt. Sondern er ist der Haken, an dem man die abenteuerliche Behauptung aufhängt, Antisemitismus und überhaupt alles Böse käme nur von rechts und jedes Vorurteil gegen eine Minderheit führe direkt nach Auschwitz.
Als Lehre aus dem Holocaust wird uns verkauft, jeden Menschen zu „respektieren“ – jedenfalls jeden, den das links-woke Establishment, das Juste Milieu, zu seinem Schützling erklärt hat. Dann sind auch „Hass und Hetze“ im Kampf gegen rechts statthaft. Ein Genozid wird zwecks Diskriminierung des politischen Gegners missbraucht, um diesem den Plan, einen zu verüben, unterzujubeln. Eigentlich schämt man sich als Deutscher für den Holocaust. Jetzt kommt noch die Scham über den Umgang durch Politik und Medien damit hinzu.