Ausnahmezustand am Bosporus: Die Inhaftierung von Erdoğans Rivalen könnte zur Zäsur werden

vor etwa 1 Monat

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Es herrscht Ausnahmezustand am Bosporus: Ausgelöst durch die Festnahme und jetzige Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu, dem wohl größten und bekanntesten Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, am 19. März 2025. Die Anschuldigungen sind schwer: Korruption, Erpressung, Bestechung, Geldwäsche im Zusammenhang mit kommunalen Verträgen sowie die Unterstützung einer terroristischen Organisation. Besonders die angebliche Zusammenarbeit mit der pro-kurdischen Partei, DEM, während der Kommunalwahlen 2024 dient den Behörden als Begründung für den Vorwurf, İmamoğlu habe den Einfluss der als terroristisch eingestuften PKK in städtischen Strukturen begünstigt.

İmamoğlu und seine Unterstützer weisen diese Anschuldigungen als politisch motiviert zurück. Sie argumentieren, dass die Vorwürfe darauf abzielen, den beliebten Oppositionspolitiker und potenziellen Präsidentschaftskandidaten zu diskreditieren. Nach der Festnahme am Mittwoch wurde İmamoğlu am Sonntagmorgen von einem türkischen Gericht in Untersuchungshaft genommen. Damit folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft von Istanbul.

Ekrem İmamoğlu ist die zentrale Figur der türkischen Opposition. Der Politiker der Republikanischen Volkspartei (CHP) wurde 2019 zum Bürgermeister von Istanbul gewählt und besiegte damit den Kandidaten der regierenden AKP – eine Niederlage, die symbolisch schwerwiegend für Erdoğan war. Nach einer angeordneten Wiederholung der Wahl durch die Wahlkommission bestätigte İmamoğlu seinen Sieg mit noch größerem Vorsprung. Seitdem gilt er als einer der vielversprechendsten Herausforderer des Präsidenten bei künftigen Wahlen.

Bereits in der Vergangenheit hatte İmamoğlu mit juristischen Anfeindungen zu kämpfen. Im Jahr 2022 wurde er wegen angeblicher Beleidigung von Wahlbeamten zu einer Haftstrafe verurteilt. Hintergrund war eine Äußerung, in der er die Entscheidung zur Annullierung der Kommunalwahl von 2019 als „dumm“ bezeichnete. İmamoğlu erklärte, diese Bemerkung habe dem Innenminister gegolten, nicht den Wahlbeamten. Das Urteil löste breite Empörung aus: Oppositionsparteien sprachen von einer gezielten politischen Maßnahme. Der jetzige Fall scheint diese Strategie der juristischen Einschüchterung fortzusetzen.

Seit seiner Festnahme kam es in Istanbul und anderen Großstädten zu massiven Protesten. Tausende Menschen gingen auf die Straße, um gegen das Vorgehen der Regierung zu demonstrieren. Trotz eines vier Tage andauernden Verbots öffentlicher Versammlungen versammelten sich Zehntausende in Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten. Viele Demonstranten forderten offen den Rücktritt der Regierung Erdoğan und warfen ihr vor, die Demokratie systematisch zu untergraben. Die Polizei reagierte unter anderem mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und der Festnahme zahlreicher Demonstranten.

Die Proteste in der Türkei zeigen vor allem eines: Die Opposition und der Widerstand gegen Erdoğan wachsen. Besonders in den eher westlich geprägten Städten des Landes scheint die Macht des Präsidenten immer weiter zu schwinden. Ein nachhaltiger gesellschaftlicher Widerstand könnte das politische Gleichgewicht im Land langfristig verschieben. Zugleich steht Erdoğan international unter Druck. Die harte Reaktion auf die Proteste sowie die Inhaftierung İmamoğlus haben zu Kritik westlicher Regierungen und Menschenrechtsorganisationen geführt. Eine weitere Eskalation könnte diplomatische Konsequenzen und wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen.

Erdoğan, der das Land seit über zwei Jahrzehnten regiert, hat in den letzten Jahren den Justizapparat systematisch unter Kontrolle gebracht, Medienfreiheit eingeschränkt und politische Gegner verfolgt. Die Türkei hat sich weitgehend von den Grundsätzen eines demokratischen Staates verabschiedet. Doch der 71-jährige Präsident hat auch zu kämpfen. Die hohe Inflation, Währungskrisen und eine wachsende soziale Unzufriedenheit haben das Vertrauen in die Regierung geschwächt.

Die Inhaftierung İmamoğlus könnte somit zur Zäsur werden: Entweder gelingt es der Regierung, ihre Macht weiter auszubauen und abweichende Stimmen zu unterdrücken, oder es formiert sich ein breiterer gesellschaftlicher Widerstand, der zu einer echten politischen Kraft wird.

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