Auswandern wegen AfD – oder doch eher wegen des Scherbenhaufens der Politik?

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Niemand weiß so recht, welches Vorbild Reiner Haseloff (CDU, 71), Deutschlands dienstältesten Ministerpräsidenten motiviert hat, aus seinem Land auswandern zu wollen, falls die AfD 2026 in Sachsen-Anhalt an die Regierung kommt. TE hat sich darüber schon einige Gedanken gemacht.

TE setzt nun die Motivforschung fort: War Merkel das Vorbild? Diese hatte im September 2015 nach der willkürlichen Öffnung der Grenzen durch sie und mit Blick auf Hundertausende an Flüchtlingen gesagt: „Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“

Vorbild könnte auch Thüringens fragwürdiger Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer (derzeit SPD) sein, der 2023 von sich gab, er würde im Fall einer Regierungsbeteiligung der AfD Deutschland noch am selben Tag mit seiner Familie verlassen.

Oder war es gar eine „Kurzstudie“ des dubiosen Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) und Co. mit dem Titel Ablehnung, Angst und Abwanderungspläne: die gesellschaftlichen Folgen des Aufstiegs der AfD. Danach erwägen angeblich fast 20 Prozent der in Deutschland Lebenden wegen des Erstarkens der AfD einen Umzug – ins Ausland oder in ein anderes Bundesland. Das „Forscher“-Konsortium hatte übrigens im März 2024 rund 3.000 Personen befragt – also kurz nach den Fake-„Enthüllungen“ der Fake-Spezialisten von Correctiv. Aber wer nimmt schon eine Studie ernst, an der das DeZIM beteiligt ist? Von 2020 bis 2024 hat das DeZIM vom Bund 5,5 Millionen Euro erhalten. DeZIM-Direktorin Naika Foroutan tut dafür dann in einem Gastbeitrag im Focus vom 4. September 2023 kund, was sie generell von Deutschland hält: „Dieses Land gehört an sich niemandem.“ Also allen, der ganzen Welt? Nur nicht der AfD und ihren zehn Millionen Wählern.

Von wem auch immer Haseloff beeinflusst war? Wir wissen es nicht. In jüngeren Jahren ist Haseloff immerhin nicht davongelaufen. Er war 1972/1973 und 1979/1980 Soldat der NVA der DDR, als späterer Diplom-Physiker Mitarbeiter in einer DDR-Fachbehörde für Umweltschutz und Umweltgestaltung. 1976 trat er der Blockpartei Ost-CDU (Volksmund: Blockflöte) bei. In der DDR funktionierte zwar nichts, aber immerhin der Antifaschismus – früh die AfD antizipierend.

Nun also hatte der seit April 2011 das Land Sachsen-Anhalt regierende Reiner Haseloff in einem „Bild“-Interview laut darüber nachgedacht, wie er sich die Zeit nach seinem 72. Geburtstag bzw. nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. September 2026 vorstellt. Entweder weitermachen als Landeschef oder Abwandern? Wer oder was entscheidet das? Das Wahlvolk. Wählt es die AfD in die Regierung, dann zieht Haseloff die Reißleine.

Wörtlich sagte Haseloff: „Ich will nur eines. Es darf nie sein, dass eine AfD auf den Regierungsbänken sitzt und dass das, was sie an Programmatik präsentiert, jemals Realität wird. Das muss verhindert werden. Dem hat sich alles unterzuordnen.“ Und weiter: „Wenn die AfD zur Macht käme, dann wäre für mich wirklich die Grundsatzüberlegung, ob ich nach 72 Jahren meine Heimat verlassen würde.“ Für ihn wäre das dann „eine unerträgliche Atmosphäre“. „Und das würde auch für meine Frau und für viele in meinem Umfeld die Grundsatzfrage stellen, ob man sich dies antun möchte.“ Haseloff sagt, er habe „Familie in ganz Deutschland“, müsse also nicht ins Ausland auswandern. Im Landtag habe man manchmal, wenn man die Augen zumache und den Rednern der AfD zuhöre, das Gefühl, „in der letzten Phase der Weimarer Republik im Reichstag“ zu sitzen oder „später“ im Berliner „Sportpalast“.

Die Lage in Sachsen-Anhalt stellte sich bei der Landtagswahl von 2021 so dar: Haseloffs CDU erzielte 37,1 Prozent, die AfD 20,8 Prozent, die Linke 11,0 Prozent, die SPD 8,4 Prozent und die FDP 6,4 Prozent, die Grünen 5,9 Prozent. Haseloff schmiedete eine Deutschland-Koalition: Schwarz-Rot-Gelb. Beim ersten Wahlgang zur Wahl des Regierungschefs am 6. September reichte es dennoch noch nicht zur Mehrheit für Haseloff, es fehlte eine Stimme. Er musste quasi in einen Hoffnungslauf, den er dann mit 53 von 97 möglichen Stimmen gewann.

Laut „Sonntagfrage“ liegt Haseloffs CDU im Juni 2025 bei 34 Prozent, die AfD bei 30, die Linke bei 11, das BSW bei 8, die SPD bei 7 Prozent. Grüne und FDP würden aus dem Landtag fliegen. Das heißt: Haseloff hätte nur dann eine Mehrheit, wenn er mit zwei der drei roten Parteien koalierte. Merkel und „Genosse Günther“ aus Schleswig-Holstein würden ihm das nahelegen. Aber was wäre der Preis?

Nun hat Haseloff noch ein Jahr Zeit, sein aktuelles Umfrageergebnis zu toppen. Auf dass es vielleicht zu einer Koalition mit nur einer der drei roten Parteien reicht. Oder aber Haseloff riskiert den Tabubruch und koaliert mit der AfD – als Senior- oder als Junior-Partner. Ob er das im Kreuz hat? Wahrscheinlich nicht, denn er war in der Bundes-CDU immer mitgeschwommen: ab 2008 als Mitglied des Bundesvorstandes der CDU.

Das heißt: Er hat Merkels Alleingänge des Atomausstiegs, der Euro-Rettung, der Aussetzung der Wehrpflicht und der Grenzöffnung immer brav mitgemacht. Würde er jetzt in seinem kleinen Bundesland auf Hardliner in Sachen Migration machen, um die AfD auszustechen, nimmt ihm das keiner ab. Auch wirtschaftlich steht Sachsen-Anhalt nicht gut da: Die Arbeitslosenquote ist mit 8,0 Prozent die fünftschlechteste in Deutschland (bundesweit sind es 6,3 Prozent).

Haseloffs „Drohung“, Sachsen-Anhalt im Falle einer AfD-Regierung zu verlassen, könnte sich im übrigen als Eigentor herausstellen. Nicht wenige haben schon gesagt: „Reisende soll man nicht aufhalten.“

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