Autofestung Premium: Warum ihr Image chinesische Eroberer scheitern lässt

vor etwa 6 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

Die deutsche Autoindustrie steht mittlerweile in der dritten Zeitenwende innerhalb weniger Jahre.

Begonnen hat alles 2010 mit Elon Musk und seinem Elektroauto Tesla. Der Tesla-Schock läutete das Ende der Vorherrschaft des fossilen Verbrennerantriebs ein, das Verbrenner-Aus der EU ab 2035 war nur das i-Tüpfelchen.

Dann kam nach Corona der China-Schock. Plötzlich tauchten die bisherigen chinesischen Auto-Lehrlinge mit in allen Belangen voll wettbewerbsfähigen Elektroautos auf. Und begannen, ihre ehemaligen Meister systematisch mit unschlagbar niedrigen Preisen vom chinesischen Markt zu verdrängen. Sie begannen auch in Europa, gepusht von hohen Überkapazitäten und der eigenen Regierung, eine Exportoffensive.

Die chinesische Autooffensive blieb zunächst nur auf den Elektro-Volumenmarkt konzentriert, das Premium-Segment blieb unangetastet. Doch dann folgte der dritte Schlag: Mit dem Auftritt Xiaomis als Autohersteller war es mit der Ruhe in der Belle Etage deutscher Premium-Konzerne vorbei.

Der chinesische Elektronik-Gigant wurde erst 2010 gegründet, binnen kurzem der weltweit drittgrößte Smartphone-Produzent und tauchte um die Jahreswende 2024/2025 plötzlich auch mit Elektroautos im Repertoire in China auf.

In kürzester Zeit machte Xiaomi Schlagzeilen. Kein Wunder: Xiaomis SU7 sieht aus wie ein Porsche (andere sagen Ferrari), hat in der Topversion mit über 495 kW/673 PS und 838 Nm Drehmoment bessere Leistungsdaten als die Konkurrenz – und ist in China zum Einstiegspreis von umgerechnet rund 28.000 Euro zu haben.

Er kostet damit in China noch nicht einmal die Hälfte seiner Vorbilder. Folge: 100.000 Bestellungen in der ersten Stunde laut Hersteller.

Der SU7 war der erste Xiaomi-Streich, doch der zweite folgte sogleich. Anfang Juni 2025 präsentierte Xiaomi den Luxus-SUV YU7. Unmittelbar nach dem Launch gingen in den ersten drei Minuten bereits 289.000 Vorbestellungen für den YU7 ein. Das Auto war damit für ein Jahr ausverkauft – ein Zustand, der alte Mercedes Fans mit Wehmut an die 60iger-Jahre erinnert.

Die etablierten Premium Hersteller Mercedes, BMW und Porsche wurden kalt erwischt, die Folgen sind nicht absehbar. Chinesische Autohersteller stellen jetzt auch im Luxussegment eine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Deren neue Elektro-Luxuslimousinen und SUV´s sind, anders als früher, im Design attraktiv, in der Batterie-Technologie fortschrittlich bis überlegen, kombiniert mit viel Elektronik-Bling-Bling, wie chinesische Kunden es lieben. Und das Ganze zu Preisen, die für deutsche Hersteller mit ihren importierten Luxusautos nicht erreichbar sind.

Alle deutschen Premium-Marken sind über Nacht auf dem Weltmarkt von der chinesischen Highend-Konkurrenz bei Elektroautos bedroht, fürs erste vor allem in China. Ob auch in Europa – in den USA bestehen derzeit noch Importverbote –, bleibt zu prüfen. Denn in Europa gibt es virtuelle Hürden, mit denen die chinesischen Hersteller bisher nicht konfrontiert waren.

Konkrete Beispiele für drohende oder angekündigte Markteintritte chinesischer Luxusmarken und Modelle in Europa sind zahlreich: Da wäre Nio mit dem ET9 und anderen Modellen und BYD mit den von den Medien hochgelobten Modellen von Yangwang. Dazu gehören der U8, ein geländegängiges SUV, das auch schwimmfähig ist, der U9, ein elektrischer Supersportwagen, der mit seiner Technologie und Beschleunigung beeindruckt und der U7: Eine Luxus-Limousine mit 1.300 PS – ein Pendant zu Maybach von Daimler.

Die traditionsreiche chinesische Marke Hongqi, bekannt für ihre Limousinen wie den H9 und das E-SUV E-HS9, wird ebenfalls als Herausforderer im Luxussegment gesehen. Li Auto positioniert sich mit seinem elektrischen SUV L9 als Konkurrent für den Mercedes-Benz GLS oder den BMW X7. Diese neue Luxuslimousine Maextro S800 von Huawei und JAC ist mit 5,48 Metern die längste Limousine der Welt und wird aufgrund ihrer technischen Merkmalen und des Designs mit Rolls-Royce verglichen. Dagegen wirken selbst ein Maybach oder Rolls-Royce zierlich.

Und schließlich wäre da noch Aito (Seres): Bekannt für ihre elektrischen und hybriden SUVs, wobei der M9 zu den meistverkauften Modellen im Luxussegment in China gehört.

Kommen die China-Premium-Autos nach Europa, wird die Lage für die deutschen Hersteller prekär – oberflächlich betrachtet. Allerdings gibt es einen Parameter, den die Chinesen nicht in ihre Rechnung einbezogen haben: Tradition.

Die europäischen Autohersteller Renault und Peugeot liefern schlagende Beispiele für fehlgeschlagene Versuche, in die deutsche Premium-Domäne vorzudringen. Beide Hersteller haben versucht, im Premiumsegment Fuß zu fassen. Und beide sind krachend gescheitert.

Beide Traditionshersteller haben im Zuge der Höherpositionierung Kunden und Marktanteile verloren, und hohe Verluste eingefahren.

Es liegt nahe, dass ein ähnliches Schicksal auch die Newcomer aus China treffen wird, wenn sie versuchen, im europäischen Luxussegment Fuß zu fassen.

Sicher werden niedrige Anschaffungspreise für China-Premium-Autos viele Autokäufer anlocken, für die bisher der Besitz eines Porsche oder Mercedes ein Traum war, den sie sich nicht leisten konnten. Marktanteilsgewinne für China-Premium sind sicher. Den etablierten Platzhirschen gehen dadurch aber kaum Kunden verloren. Und wer sich bisher ein Auto aus der Premium-Liga leisten konnte, wird sich nicht der niedrigen Preise wegen einem chinesischen Modell zuwenden.

Zu Premium gehören Merkmale wie Gediegenheit, Solidität, Bodenständigkeit und gesellschaftliche Vorbilder als gehobene, einkommensstarke und vor allem erfolgreiche Upperclass-Kundschaft. Hinzu kommt eine lange erfolgreiche Vergangenheit und Tradition als Autohersteller.

Über all das verfügen BMW, Mercedes und Porsche. Premiumautos sind in Europa keine Wegwerf-Artikel oder Dutzendware. Ihnen haftet der Hauch von Exklusivität an.

China dagegen ist ein junger Automarkt, die chinesischen Autobauer haben keine lange Tradition, das chinesische Käuferpublikum kann nicht nach Image und Heritage beim Autokauf differenzieren. Eigenschaften wie traditions- und imageabhängige Produktwertigkeit, auf die europäische Autokunden besonderen Wert legen, sind weitgehend unbekannt. In China zählt – Kapitalismus pur –, nur value for money. Ausschlaggebende Kaufkriterien in China sind möglichst viel Technologie zu niedrigstem Preis. Dies erklärt den spektakulären Erfolg von Xiaomi, BYD usw., alle als Autohersteller aus dem Elektronik-Sektor hervorgegangen und keine zwei Jahrzehnte alt.

Markterfolge chinesischer Autohersteller im Heimatmarkt lassen sich also nur bedingt auf die europäische Kundschaft übertragen. Auch Luxusmarken wie Rolex, Louis Vuitton, Hermès oder Chanel haben den zeitweiligen Ansturm von Uhren und Taschenimitationen schadlos überstanden.

Bei deutschen Verbrauchern gilt bis heute: Wo Porsche drauf steht, muss auch Porsche drin sein. Für den chinesischen Verbrauchern gilt (noch): Es muss kein Porsche drin sein, es muss aber wie ein Porsche aussehen. Hauptsache es ist billig.

Chinesische Marken werden sich bei der Eroberung des europäischen Premium-Segments die Zahnräder ausbeißen, anders als bei kleinen und mittleren Fahrzeugen. Zur Ruhe setzen dürfen sich die deutschen Premium-Hersteller deswegen aber nicht. Sie müssen in der Wahrnehmung „ihrer“ Kunden ihr Exzellenzversprechen einlösen, und ihrem Anspruch gerecht werden.

Und sie dürfen, was das Image betrifft, keine Fehler begehen – wie etwa das misslungene Rebranding von Jaguar erst kürzlich bewies.

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