Automobilmarkt in Bewegung – die Rückkehr der Kleinwagen

vor etwa 4 Stunden

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Bildquelle: Tichys Einblick

In Anlehnung an Wagners Meistersinger und deren Lobeshymne: „Verachtet mir die Meister nicht, und ehret ihre Kunst“, könnte man diese Aufforderung auch auf die europäischen Autohersteller und das Kleinst- und Kleinwagensegment der A- und B-Klasse am Automobilmarkt umdeuten. Die noch vor wenigen Jahre bei allen Auto-Herstellern verpönten und deshalb peu à peu aussortierten Kleinwagen erleben zurzeit eine Wiedergeburt. Geburtshelfer sind dabei – zugegeben höchst unerwünscht – chinesische Autohersteller, die dabei sind, den europäischen Markt mit elektrischen Kleinwagen zu günstigen Preisen von unten aufzurollen.

Wer kennt nicht die Marken der im letzten Jahrzehnt aussortierten Kleinwagen in Europa: Peugeot 108, Ka, Smart, Smart fortwo, VW Up, Renault Twingo, Fiesta, demnächst Focus … die Reihe ist lang. Das sogenannte A/B-Segment wurde von Europas Herstellern in den letzten Jahren zunehmend verlassen bzw. vernachlässigt. Die Kosten für die Elektrifizierung waren hoch, die Gewinne wegen geringer Stückzahlen niedrig – also raus damit! Nur „big and luxury“ war gefragt. Im Gegensatz dazu hielt Toyota mit dem Kleinstwagen Aygo dem Einstiegssegment die Treue.

Die Gründe für die europäischen Hersteller der Kleinwagensegmente sind vielfältig – und für Controller auch nachvollziehbar, für Vertriebsfachleute eher nicht: Kostendruck durch geringe Stückzahlen sowie sinkende Margen als Folge der durch die EU geforderten Sicherheitstechnik sowie die immer schärferen Emissionsgrenzwerte hatten die Segmente unlukrativ gemacht.

In der Folge schrumpfte das Angebot im Kleinwagensegment massiv. Die Zahl der Modelle schrumpfte laut Jato Dynamics von neunzehn Modellen Anfang 2019 auf nur zehn Anfang 2024. Die fehlende Auswahl bei den Kleinstwagen trieb die durchschnittlichen Neuwagenpreise massiv in die Höhe, von durchschnittlich 12.750 Euro in 2019 auf knapp 18.400 Euro vier Jahre später.

All das ändert sich jetzt nachhaltig, überall hat laut Automobilwoche ein Umdenken eingesetzt. Der Wettbewerb macht’s möglich: Die wichtigsten Impulsgeber zum Wiedereinstieg in die Kleinstwagen-Klasse sind chinesische Hersteller mit kleinen und vor allem günstigen Elektroautos im Segment der A-Klasse. Mit Modellangeboten, wie sie kein deutscher Hersteller aktuell zu bieten hat. Und Volkswagen, dem Namen angemessen erst in 2027 mit ID.1 und ID Every.

Die chinesischen Wettbewerber wittern Morgenluft. Sie heißen BYD, Leapmotor, Xpeng etc. In den von den Europäern aufgegeben Segmenten kommen sie mit neuen kleinen Elektroautos und bringen diese zum Kampfpreis auf den Markt, auch der niedrigen Batteriepreise in China wegen.

Ende Mai präsentierte BYD den Dolphin Surf: Er kostet weniger als 20.000 Euro und soll der Türöffner zu großen Kundengruppen sein. Zusätzlich zu den günstigen Produktionsbedingungen in China hat der Autobauer weitere Vorteile: Allein die im vergangenen Jahr in China verkauften knapp 450.000 Surf/Seagull führten zu massiven Skaleneffekten.

Benchmark ist indessen Leapmotor, Partner von Stellantis, mit dem Modell T03, das bereits ein halbes Jahr früher in Deutschland mit einem Listenpreis von 18.900 Euro startete. Der T03 wird in Autohäusern von Stellantis-Marken verkauft.

Deutsche Hersteller, vor allem VW, müssen nachziehen. Auch wenn der Markt aufgrund der Preis-Explosion bei Kleinwagen in den letzten Jahren stark geschrumpft ist. Im Jahr 2009 zählte das Kraftfahrtbundesamt noch 368.000 Neuzulassungen im A-Segment, zehn Jahre später waren es noch 230.000. Im vergangenen Jahr waren es mit 80.000 Neuzulassungen noch gut ein Drittel. Grundsätzlich sind in Deutschland Fahrzeuge aus den kleinen Segmenten deutlich weniger gefragt als in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Italien oder Spanien sowie in Teilen Osteuropas.

Dennoch besteht die Hoffnung auf eine Rückkehr des Kleinwagenmarktes zu alter Stärke. Denn die Nachfrage ist zweifellos vorhanden, es fehlte bislang nur das preiswerte attraktive Angebot. Und das kommt nun eben aus China.

Allerdings begegnen deutsche Kunden den chinesischen Marken Umfragen zufolge immer noch mit einer gewissen Skepsis. VW darf also hoffen, denn der Konzern bringt bis 2027 mit dem ID.2 und ID.1 zwei kleinere attraktive Elektro-Modelle. Zu vergleichsweise günstigen Einstiegspreisen. Auch Renault arbeitet an der Rückkehr des elektrischen Twingo, der R5 steht schon bei den Händlern, ebenso der Dacia Spring. Hyundai ist bereits mit dem Inster auf dem Markt. Alles Autos in der Preislage um 20.000 Euro. Es tut sich also eine ganze Menge. „Das A-Segment wird das erste Segment in Deutschland sein, das voll elektrifiziert wird“, sagt Patrick Schulz, BYD-Vertriebschef in Deutschland.

Freunde der Elektromobiliät dürfen also hoffen. Und die Kunden sich über preiswerte Elektroautos freuen. Denn der Bedarf ist da, allein es fehlte bislang das Angebot. Und Rücksichten auf das Image nehmen Käufer, die auf solche Autos angewiesen sind, nicht.

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