
Die Nominierung von Annalena Baerbock als Präsidentin der UN-Generalversammlung hat möglicherweise eine brisante Vorgeschichte. Ursprünglich wurde die amtierende Außenministerin als Fraktionsvorsitzende neben Katharina Dröge im Bundestag gehandelt, hätte dafür Britta Haßelmann verdrängen müssen (Apollo News berichtete).
Doch dann kündigte Baerbock überraschend an, auf ein höheres Amt verzichten zu wollen – offenbar nach internen Unstimmigkeiten bei den Grünen. Demnach habe Haßelmann, die stattdessen als Bundestagsvizepräsidentin gehandelt wurde, von dem möglichen Ringtausch nur durch die Medien erfahren, berichtet Table.Media.
Daraufhin habe sich die Grünen-Politikerin quergestellt, wollte den Posten der stellvertretenden Fraktionschefin nicht an Baerbock abtreten. Als klar wurde, dass sich die Außenministerin öffentlich gegen Haßelmann hätte behaupten müssen, teilte sie in einem Schreiben Anfang März mit, „aus persönlichen Gründen“ auf den Fraktionsvorsitz zu verzichten (Apollo News berichtete).
Sie wolle sich mehr um ihre Familie kümmern. Zu wenig Zeit mit ihren Kindern, abgesagte Familienurlaube und die Trennung von ihrem Mann im November hätten sie ins Nachdenken gebracht. Dabei könnte vor allem Haßelmanns Widerstand zu Baerbocks Resignation geführt haben. Unklar ist laut dem Bericht jedoch, ob die Grünen-Politikerin damals schon wusste, dass sie stattdessen den Posten der Präsidentin der UN-Generalversammlung annehmen könnte.
Dass Baerbock diese Option erst zog, nachdem sie keine Aussichten auf ein höheres Amt bei den Grünen hatte, ist nicht unwahrscheinlich. Laut Table.Media gehen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes dennoch davon aus, diese Darstellung würde jetzt verbreitet werden, um Baerbock nachträglich zu schaden. Auch das ist aufgrund der Kritik an der Außenministerin in den vergangenen Jahren möglich.
Die Nominierung hat in jedem Fall einen Beigeschmack: Nicht nur übernimmt das Entsenderland die Gehaltszahlungen für den UN-Posten – Baerbocks Tätigkeit würde also weiterhin aus Steuergeldern finanziert. Die Grünen-Politikerin könnte sich sogar selbst in die Position gebracht und damit die seit vergangenem Juli eigentlich für das Amt vorgesehene Diplomatin Helga Schmid verdrängt haben.
Auf Apollo News-Anfrage wollte das Auswärtige Amt dieses Szenario nicht dementieren. Baerbocks Nominierung wurde als eine „Kandidatur auf hoher politischer Ebene“ gerechtfertigt, die Deutschlands „starkes Bekenntnis zu den Vereinten Nationen“ unterstreiche. Auch auf die explizite Nachfrage, ob Baerbocks Ministerium ihre eigene Nominierung für den UN-Job einfädelte, kommt von dort kein Dementi (lesen Sie hier mehr).
Nach dem enttäuschenden Abschneiden der Grünen bei der Bundestagswahl mit 11,6 Prozent kam es in der Partei zu personellen Umbrüchen. Zunächst kündigte Robert Habeck an, künftig keine Spitzenposition in der Partei verfolgen zu wollen. Dann wurden die Ungereimtheiten bei der Besetzung des Fraktionsvorsitzes bekannt, von dem Haßelmann durch die Medien erfuhr.
Der Plan damals: Baerbock übernimmt neben Dröge das Amt der Fraktionsvorsitzenden, Haßelmann wird dafür Bundestagsvizepräsidentin. Dieses Amt hatte bislang eigentlich Katrin Göring-Eckardt inne, auch weil sie als ostdeutsche Frau zur Diversität der Parteispitze beiträgt, worauf die Grünen besonderen Wert legen.
Weil die eigentlich aus Hannover stammende Baerbock seit längerem in Potsdam wohnt, wurde sie auch als ostdeutsche Frau gehandelt, womit ein Ausscheiden Göring-Eckardts gerechtfertigt worden wäre. Aber auch Omid Nouripour bewarb sich um das Amt.
Zuletzt hatte sich auch Claudia Roth, die bereits von 2013 bis 2021 Vizepräsidentin des Bundestages war, für das Amt beworben. Zu den Quoten-Vorstellungen der Grünen kann die in Ulm geborene Roth jedoch weniger beisteuern. In ihrem Bewerbungsschreiben betont sie stattdessen ihre Erfahrung. Am Montag möchte die Bundestagsfraktion der Grünen voraussichtlich über ihren Kandidaten entscheiden.