
Bei Hermeskeil steht ein Schild an der A1: „Letzte Tankstelle vor Saarbrücken“. Für Saarländer ist es ein Stück Heimat. Wenn sie von Köln kamen, aus dem Ruhrgebiet oder aus Hamburg, dann signalisierte ihnen das Schild, dass sie gleich zuhause sind. Auf der einen Seite der Autobahn standen an der Stelle die Baracken des KZ-Außenlagers Hinzert. Heute erinnert eine Gedenkstätte daran. Auf der anderen Seite befindet sich ein Massengrab von ermordeten Zwangsarbeitern aus Luxemburg und Frankreich – direkt unter dem Schild. Deutschland ist eine schwere Heimat.
Nun neigen Saarländer dazu, ihre Heimat liebevoll zu parodieren. Zu klein, zu putzig und zu wirtschaftlich schwach ist dieser Landstrich, um auf jemanden bedrohlich wirken zu können. Deswegen nimmt es Saarländern niemand übel, wenn sie vom Stolz auf ihre Heimat sprechen. Wenn sie von diesem Stolz schwärmen oder ihn betonen. Anders ist das mit dem Deutschsein. In den Jahren nach dem Menschheitsverbrechen des Holocausts waren die Reaktionen auf ein entsprechendes Bekenntnis deutlich heikler. Bundespräsident Gustav Heinemann (SPD) ging als Staatsoberhaupt in den 70er Jahren so weit, zu sagen, er liebe seine Frau und nicht sein Land.
Also ruderte Banaszak in der ARD. Er liebe seine Frau, sagte er. Wie Heinemann. Ohne Heinemann zu erwähnen. Der Mann ohne Eigenschaften klaut Persönlichkeit bei jemand anderem, weil ihm eine eigene Persönlichkeit fehlt. Nichts Neues. Und er liebe Duisburg. Seine Heimatstadt. Ebenfalls nichts Neues. Viele, die vor dem Bekenntnis zum Stolz auf Deutschland zurückgewichen sind, ersetzen diesen durch Regionalstolz. Nicht nur die Saarländer. Auch die extrem linken Rapper der Absoluten Beginner etwa überbetonen ihren Regionalstolz auf ihre Stadt Hamburg, um das Loch in ihrem Herzen zu füllen, das der Umgang mit der eigenen Heimat den Deutschen gebrannt hat. Selbst Staatspunk Campino tat dies mit Düsseldorf schon – selbst als in seiner Imagebildung der Punk noch wichtiger als der Staat war.
Doch die ARD hat was losgetreten bei Banaszak. Die Konservativen greifen ihn nach dem Interview an. Eigentlich etwas, das einem Grünen nur recht sein kann. Druck von außen schließt die Reihen nach innen. Doch Banaszak wird panisch. Sein Team und er löschen alte Beiträge auf X, die seine politischen Gegner am Montag mit Freude wieder nach oben gespült haben. Dass er „ja gegen Deutschland“ oder dass Deutschland „kein Grund zum Feiern“ sei, wie er an einem 3. Oktober vor gut zehn Jahren schrieb.
Damals war Banaszak Vorsitzender der Grünen Jugend. Es gibt ein berühmtes Zitat, das gleich mehreren Quellen zugeordnet wird: „Wer mit 18 Jahren noch kein Kommunist ist, der hat kein Herz, wer es mit 30 Jahren noch ist, hat keinen Verstand.“ Auf die Muster-Karriere der Grünen lässt sich das Zitat anwenden. Allerdings ist es da kein Ausdruck für den Prozess einer seelischen oder intellektuellen Reifung.
Es ist vielmehr ein Zeitplan für die Karriere vom Reißbrett: Wer mit 18 Jahren nicht auf Kommunist macht, kommt in der Grünen Jugend nicht voran. Wer in der Grünen Jugend nicht vorankommt, wird in der Partei nichts. Wer in der Partei etwas geworden ist, muss bereit sein, seine alten Überzeugungen auf Befehl über Bord zu werfen. Etwa wenn der Tagesbefehl lautet, von der Friedens- zur Kriegspartei zu werden.
Banaszak ist der grüne Durchschnitt. Das Extremste an dem Vorsitzenden ist, wie durchschnittlich er ist: Er hat keine eigene Persönlichkeit, sondern designt eine, von der er meint, sie käme öffentlich gut an. Er hat keine Überzeugungen, sondern nimmt jeweils die, die gerade gefragt sind. Dass er seine eigenen Post löscht oder löschen lässt, ist dafür das perfekte Sinnbild. Banaszak gibt ein Stück von sich selbst auf – aber er ist so sehr auf Anpassung und so wenig auf sich selbst getrimmt, dass es für ihn kein Verlust ist und auch nicht sein kann, ein Stück von sich selbst aufzugeben.
Beide Eigenschaften sind der Schlüssel zum Umgang mit der Liebe zum eigenen Land. Zum falschen Umgang der Grünen genauso wie zu einem gesunden Umgang mit dem eigenen Land. Die eine Eigenschaft heißt: Steh zu dir selbst. Golo Mann hat es richtig gesagt, als er den Widerstand der Geschwister Scholl und anderer als das Beste beschrieb, was die Deutschen geleistet hätten, wenn man akzeptiere, dass Hitler und seine Taten das Schlimmste waren. Sophie Scholl und Adolf Hitler sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Ein Deutscher hat gute Gründe auf seine Geschichte Stolz zu sein. Den Buchdruck, die religiöse Emanzipation in der Reformation oder die Aufklärung. Auf seine Persönlichkeiten wie Martin Luther, Heinrich Heine oder Konrad Adenauer. Aber er kauft Hitler und den Nationalsozialismus halt mit. Deutschsein gibt es nur im Paket.
Die andere Eigenschaft zum Umgang mit Deutschland ist das Verhältnis zu sich selbst. Jesus sagt: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Viele machen den Fehler, darin nur die Liebe zum anderen zu sehen. Doch das „wie dich selbst“ ist der eigentlich konstituierende Moment. Wer sich selbst hasst und die anderen so liebt wie sich selbst, der hasst die anderen. Die Grünen haben ein Problem mit der Selbstliebe. Die öffentlich bekannten Beispiele für die Probleme mit dem eigenen Land sind Legion. Die Probleme mit dem individuellen Selbsthass hat der Autor dieser Zeilen aus nächster Nähe erlebt.
Nicht weniges an den Grünen, was auf Außenstehende unverständlich bis gruselig wirkt, lässt sich aus diesem Selbsthass leicht erklären. Die Idee, ein 85-Millionen Volk die Bohnen und Kartoffeln von Hand pflücken und ohne Schutzmittel wachsen zu lassen, um in 100 Jahren vielleicht die Temperatur senken zu können – eine solche Idee kann nur in einem grünen Umfeld des Selbsthasses wachsen. Eine Journalistin zum Dauergast im Staatsfernsehen zu machen, die diesen Quatsch vertritt, ebenso. Dass die Grünen gerne alles verbieten wollen, was Spaß macht, hängt vor allem mit ihrem Unvermögen zusammen, selbst genießen zu können. Sie sind die, die in der Schule keine Bundesjugendspiele wollen – weil sie selbst nie eine Ehrenurkunde erhalten haben.
Banaszak liebt Duisburg. Sagt er. Aber Duisburg liebt ihn nicht. In seinem Wahlkreis erhielt er weniger als 7 Prozent. Weniger als die Linken. Nicht einmal ein Drittel von dem, was die AfD erreichte. Auch regionaler Heimatsstolz muss gefühlt sein – muss echt sein. Wenn die Beginner davon rappen, was es aus einem Gemüt macht, wenn man auch im Sommer Pullis tragen muss, weil man sonst erfriert, dann hat das was. Auch weil sie in der nächsten Strophe die Weltläufigkeit der eigenen Stadt preisen, die der Hafen ihr bringt. Sie lieben ihre Stadt. Das glaubt man ihnen. Weil sie mit dem Guten auch das Schlechte einfach akzeptieren.
Banaszak trägt Duisburg wie ein Kostüm. Das er anzieht, wenn es die Kleiderordnung gerade vorgibt. Wenn Banaszak Schmutz im Gesicht trägt, dann nicht, weil er unter Tage oder im Stahlwerk gearbeitet hat. Nicht mal, weil er sein Fahrrad repariert hat, sondern weil ihm ein Fotograf, ein Visagist und eine PR-Beraterin gesagt haben, dass Schmutz im Gesicht halt zum Duisburg-Kostüm gehöre. Würde Banaszak Duisburg wirklich lieben so wie die Beginner Hamburg, dann würde er offen über das sprechen, was seine Heimat ausmacht: Hochhäuser, in die Polizei und Ordnungsamt sich nicht mehr trauen. Kriminelle Clans oder Großfamilien, die auf der Straße ihre Fehden austragen. Wer seine Heimat liebt, der liebt auch ihre Schwächen und ihre Fehler – und sei es ein Schild, das ihm sagt, er ist bald zuhause und unter dem ein Massengrab ermordeter Häftlinge liegt.