
In Bargteheide in Schleswig-Holstein wird eine marode Seniorenwohnanlage entgegen früherer Pläne nicht abgerissen, sondern für die Unterbringung von Migranten hergerichtet. Obwohl viele Senioren ihre Wohnungen im Nelkenweg bereits verlassen haben, hat der Bauausschuss nun beschlossen, die Gebäude zwischenzunutzen. Fünf Wohneinheiten sollen renoviert werden, die übrigen wurden von der Bauaufsicht als bewohnbar eingestuft. Über den Vorgang hatte zuerst das Hamburger Abendblatt berichtet.
Bürgermeisterin Gabriele Hettwer betonte, dass keine Grundsanierung nötig sei. Diese war ursprünglich der Grund, weshalb die Senioren die Räumlichkeiten verlassen sollten. „Die Kosten für die Beseitigung von Schimmel und andere Renovierungsmaßnahmen seien überschaubar.“ Eine Bauvoranfrage soll klären, ob die gesamte Anlage langfristig für Migranten nutzbar ist. Hettwer fügte hinzu: „Wie lange die Wohnungen dann tatsächlich bewohnt werden, hängt vom Baubeginn ab.“
Die Stadt plane zudem, mehr Wohnplätze als nötig bereitzustellen, um auf mögliche neue Flüchtlingsströme vorbereitet zu sein. Hettwer erläutert: „Die Entwicklungen sind aktuell rückläufig, weil die Regelungen an den Grenzen strenger sind. Es gleicht einem Blick in die Glaskugel, die Ströme von übermorgen abzuschätzen.“ Im vergangenen Jahr wurden etwa 100 Flüchtlinge in Bargteheide untergebracht, für 2025 erwartet sie einen Rückgang um 50 Prozent. Perspektivisch jedoch könnten es mehr werden.
Die Entscheidung stößt jedoch auf Kritik, insbesondere bei der SPD. Jörg Rehder bedauert, dass Senioren wegen des schlechten Zustands ausziehen mussten, während nun Flüchtlinge einziehen sollen. SPD-Fraktionskollege Andreas Bäuerle kritisiert: „Ich habe selbst gesehen, in was für einem schlechten Zustand sich die Gebäude befinden.“ Die Entscheidung habe „ein unangenehmes Geschmäckle“.
Ursprünglich skeptisch, unterstützt die FDP die Pläne nun aus wirtschaftlichen Gründen. Gorch-Hannis la Baume von der FDP Bargteheide erklärte „Wirtschaftlich gedacht spricht alles für den Einzug und die Zwischennutzung.“ Auch die CDU verteidigt die Entscheidung. „Sollen wir die Flüchtlinge etwa in Zelten unterbringen?“, fragte Sven Meding. Er betonte, die Wohnungen seien bewohnbar.
Gorch-Hannis la Baume von der FDP Bargteheide
Die Nutzung der Anlage sei auch deshalb sinnvoll, da andere Vermieter oft nur befristete Mietverträge anbieten, um Wohnungen für den Eigenbedarf freizuhalten. Der Beschluss wurde von CDU, Grünen und WfB (Wählergemeinschaft für Bargteheide) mit neun Stimmen unterstützt, die SPD stimmte mit drei Stimmen dagegen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Senioren oder Bedürftige Wohnraum verlieren und Flüchtlinge die Unterkünfte beziehen. In Baden-Baden sollten 2023 mehrere Senioren ihre Residenz, das Schwarzwaldwohnstift, verlassen, während die Betreiber ankündigte hatten, in dem Wohnkomplex Flüchtlinge unterzubringen. Der Fall endete in einem Rechtsstreit. In Münster schloss ein Obdachlosenheim, um Migranten einziehen zu lassen. Auch Fälle aus Rotterdam in den Niederlanden zeigten jüngst, dass immer wieder Altenheime und Bedürftigeneinrichtungen darunter leiden, dass Wohnraum für Migranten gebraucht wird.
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