
Kein Klartext der Bundeswahlleiterin!
Dienstagfrüh um 9.00 Uhr war die Bundeswahlleiterin Ruth Brand in den Wahl-Ausschuss des Bundestages vorgeladen. Sie wirkte verunsichert, teils unaufgeräumt. Die öffentliche Sitzung sollte für Klarheit hinsichtlich der Neuwahlen sorgen. Vor allem ging es um eine mögliche Beeinflussung der Wahlleiterin durch das Kanzleramt.
Doch die Frage, die nach dem Ausschuss im Raum steht: Warum sagte Brand nicht deutlich den Satz: „Es gab keine politische Beeinflussung“? Wieso gab es kein klares „Nein“ oder „auf keinen Fall!“ von der Wahlchefin?
Hintergrund: Wie NIUS berichtete, könnten enge Vertraute von Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Wahlleiterin Ruth Brand über ihr Umfeld gebeten (oder gedrängt) haben, in einem Brief an Scholz vor zu frühen Neuwahlen zu warnen. Scholz’ Umfeld stand im direkten Kontakt mit Brand. Falls das stimmt, würde das bedeuten: Scholz nutzt eine Behörde zum zeitweiligen Machterhalt aus.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand und die Ausschussvorsitzende Daniela Ludwig (CSU) am Dienstagmorgen.
SPD und Grüne hatten die Sondersitzung zu Neuwahlen beraten. Die Opposition hielt dies für einen Trick, um der Union in der Debatte um mögliche Beeinflussung der Wahlleiterin zuvorzukommen. Die Union hatte zuvor beantragt, Brand solle in einen Sonder-Innenausschuss, um Rede und Antwort zu stehen.
CDU-Politiker Patrick Schnieder erklärte deshalb im Ausschuss: „Am 7. November sagte ihr Sprecher, kurzfristige Neuwahlen seien kein Problem, man sehe keine besonderen Herausforderungen. Am selben Tag haben Sie auf ihrem X-Account ausgeführt, dass man mit den Vorbereitungen begonnen habe. Einen Tag später teilen Sie dem Bundeskanzler ihre Bedenken gegenüber Neuwahlen im Januar bzw. Februar mit.“
Schnieder fragt: „WIE erklären Sie uns Ihren Sinneswandel – was ist über Nacht passiert? Gab es seitens des Innenministeriums und des Bundeskanzlers eine Beeinflussung? Warum wurde das Kanzleramt informiert – nicht das zuständige Innenministerium? Wurde es mit dem BMI abgestimmt?“
Wahlchefin Ruth Brand nimmt im Ausschuss Platz.
Ruth Brand antwortet: „Am 7. November wurde sehr früh morgens unser Auskunftsdienst angerufen, wie es mit Neuwahlen aussehe. Der Kollege habe richtig gesagt, dass wir innerhalb von 60 Tagen eine Wahl organisieren. Daraus zu machen, die Bundeswahlleiterin spricht sich für eine Neuwahl im Januar aus, ist schwierig.“
„Wir haben keinerlei Form von Sinneswandel“, erklärt sie. „Ich habe am Freitag dem Kanzleramt meine Bedenken mitgeteilt – gleichzeitig der Bundestagspräsidentin. Weil ich wegen presseöffentlicher Aussagen den Eindruck hatte, dass es auf einen sehr frühen Termin ohne Diskussion der Machbarkeit hinauslief.“
Auf die Frage, ob eine Beeinflussung stattfand, sagt die Wahlleiterin: „Das war mein erstes Schreiben an den Bundeskanzler!“
Doch eine klare Antwort: war das zum Zeitpunkt noch nicht. Auf Fragen zum Innenministerium ging sie erstmal nicht ein …
Auch die Oppositions-Politiker im Ausschuss finden die Antworten von der Bundeswahlleiterin Brand ungenügend! Deshalb hakte die Unions-Fraktion im Ausschuss weiter nach …
Unions-Politiker Volker Ullrich meinte: „Im Brief vom 8. November schreiben sie‚ ‚dies könnte zu unabwägbaren Risiken auf allen Ebenen führen und faktisch kaum realisierbar sein‘ und ‚insgesamt sehe ich in diesem Fall eine hohe Gefahr, dass Grundpfeiler der Demokratie verletzt werden könnten‘.“
Er will es ganz genau wissen: CDU-Politiker Patrick Schnieder (l.) im Wahlprüfungsausschuss am Dienstag.
Ullrich: „Inwieweit wurde bei den Formulierungen die Grenzen zwischen verwaltungstechnischer Verbreitung einerseits und andererseits zwischen tatsächlicher Einflussnahme auf einen Wahltermin überschritten? WO sehen Sie die Abgrenzung? Haben Sie im Vorfeld mit dem Innenministerium über Inhalt des Briefes gesprochen? Haben Sie mit Funktionären aus dem Kanzleramt telefoniert? Haben Sie diesen Brief mit dem Inhalt anderweitig anvisiert, BEVOR Sie ihn verfasst haben?“
DAS antwortet die Bundeswahlleiterin Ruth Brand: „Eine hohe Gefahr ist für mich ein hohes Risiko, dass sich so etwas realisiert.“ Darunter, dass es zu hohen Fehlern kommen könnte.
„Vielleicht bin ich zu sehr Techniker, und Sie interpretieren es politischer als es ist.“
Ruth Brand muss sich im Bundestag erklären.
Weiter sagt sie: „Ich habe mit Ministerin Faeser nicht im Vorfeld über den Inhalt des Briefes gesprochen. Ich habe ihm Herrn Schmidt vom Kanzleramt vorher anvisiert. Weil ich es unhöflich finde, so ein Schreiben einfach loszuschicken. Ich habe Wolfgang Schmidt vorher nicht gekannt.“
Doch immer noch sind zu diesem Zeitpunkt seitens Brand NICHT alle gestellten Fragen beantwortet ...
„Sie haben Fragen nicht beantwortet!“
CDUler Schnieder bohrt weiter nach: „Haben Sie im Vorfeld zwischen dem 7. und 8. November Kontakt mit dem Kanzleramt gehabt? Hat es Einflussnahmen gegeben auf die Entstehung des Briefes? Mit wem haben Sie gesprochen?“ Und: „Hatten Sie vorher Kontakt zur Papierindustrie?“
Brand: „Nein, Kontakt zur Papierindustrie hatten wir nicht.“
„Die Bundeswahlleiterin ist nicht weisungsgebunden“, erklärt sie vor den Abgeordneten. „Das Innenministerium ist ein Ansprechpartner. Für alle tatsächlichen Aufgaben mit dem Bundestag ist die Bundestagspräsidentin die direkte Ansprechpartnerin. Niemals würden wir Schreiben mit dem BMI abstimmen. An der Stelle gibt es keinen Dienstweg.“
Wurde SIE politisch beeinflusst? Wahlleiterin Ruth Brand.
Weiter: „Wir haben das Schreiben gemacht, OHNE das Bundeskanzleramt vorher zu informieren oder zu besprechen. Mittags habe ich mit Herrn Schmidt telefoniert. Gegen 13:00 Uhr war das Schreiben raus. Ich habe ihm im Telefonat das Schreiben angekündigt, was im Brief drin steht – ich habe mit ihm nicht Inhalte diskutiert und habe den Entwurf nicht daraufhin angepasst.“
Fazit: Die Wahlleiterin schwört, dass das Schreiben schon fertig war, als es zur Kontaktaufnahme mit Wolfgang Schmidt, dem Kanzleramtschef von Olaf Scholz (SPD), kam.
ABER: Brand hat nicht erklärt oder verneint, ob es darüber hinaus weitere Kontakte mit Mitarbeitern des Kanzleramts oder dem Scholz-SPD-Umfeld bestand. Sie hat nicht klar ausgesprochen, dass es gar keine politische Beeinflussung gegeben hat.
Ruth Brands Auftreten im Ausschuss lässt Sätze wie „Es fand keinesfalls eine politische Beeinflussung statt“ vermissen.