Beförderung fürs Vollversagen: Ampel-Aus – und alle machen weiter

vor 6 Monaten

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Aus Kanzler wird Kandidat: Nach dem Rückzug von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist klar: Olaf Scholz wird als Kanzlerkandidat der SPD in den Wahlkampf ziehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war schon vorher auf dem Grünen-Parteitag zum Kanzlerkandidaten gekürt worden, und Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zieht ebenfalls als Frontmann seiner Partei in die Kampagne und würde sein Amt gern weiterführen.

War was? Koalitionsbruch? Umfragetief? Rezession? Vertrauensverlust der Bundesregierung? Ampel-Aus – und alle machen weiter. In der Politik wollen die Akteure für ihr Versagen befördert werden.

Die Kater-Stimmung war schnell verflogen: Die drei Köpfe der gescheiterten Ampel greifen schon wieder nach den Sternen.

„Ich glaube, dass er sehr gute Chancen hat, Bundeskanzler zu werden“, sagte Boris Pistorius in den tagesthemen. „Er hat in den dreieinhalb Jahren als Kanzler einen guten Stand gehabt, indem er eine schwierige Koalition geführt hat.“ Und: „Wir stehen jetzt gemeinsam in der Verantwortung, diese Debatte zu beenden, denn es geht um viel.“

Die Botschaft: Debatten stören nur. Jetzt Geschlossenheit. Im Gleichschritt, Marsch! Wer wissen will, wie und warum Politikverdrossenheit wächst und sogenannte Populisten Zulauf erhalten, bekommt es in diesen Tagen in Echtzeit vorgeführt.

Im aktuellen Deutschlandtrend der ARD fällt die SPD um zwei Prozentpunkte auf 14 Prozent und rangiert gleichauf mit den Grünen, die um zwei Prozentpunkte zugelegt haben. Die Zufriedenheit mit Boris Pistorius ist noch einmal um sechs Punkte gestiegen (61 Prozent), die Popularität von Scholz weiter gefallen (20 Prozent). Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte kämpft die SPD realistischerweise nicht mehr um Platz eins, sondern um Platz zwei oder drei beim Zieleinlauf der nächsten Bundestagswahl. Die Folge: Olaf Scholz wird Kanzlerkandidat der SPD.

Und die Personen setzten den Ton für den Wahlkampf: Es war nicht alles schlecht. Die Ampel hat großartige Arbeit geleistet. Schon länger wird „Verantwortung zu übernehmen“ in der deutschen Politik nicht mehr mit „Konsequenzen ziehen“ übersetzt, sondern mit einem selbstgefälligen Opfermut verbrämt: „Ich mache mich nicht vom Acker“, lautet die Standardformel für den Weiterbezug von Top-Gehältern nach Minderleistung. Man tritt nicht mehr zurück oder ab, sondern die Flucht nach vorn an.

FDP-Chef Christian Lindner will keine Beförderung, sondern „nur“ seinen alten Posten als Finanzminister.

Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) hält sich hingegen weitgehend bedeckt. Kämpferisch kündigte er an, die FDP nicht nur erneut in den Bundestag, sondern sich selbst auch zurück ins Bundesfinanzministerium führen zu wollen, was angesichts der Umfragewerte unterhalb fünf 5 Prozent wenigstens kühn erscheint. Seither hielt sich der FDP-Chef mit Kampfansagen oder Angriffen auf die politischen Gegner zurück.

„Robert kann nicht nur Verantwortung, Robert, du lebst Verantwortung“, rief Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf dem Parteitag in Wiesbaden. „Keiner kann im Sturm so das Ruder herumreißen und bei Rückenwind die Segel richtig setzen wie du.“ Er sei „so lässig. So charming.“ Rückenwind? Welcher Rückenwind für die Grünen? „Ein Festival politischer Poesie, philosophischer Selbstergründung, demütiger Zuneigung zum Selbst“, schrieb die FAZ sichtlich amüsiert. Doch solche Posen und das Entschwinden in weltfremde Höhen sind im Alltag der Menschen alles andere als amüsant.

Robert Habeck ließ sich beim Parteitag der Grünen zum Kanzlerkandidaten aufstellen.

„Ist es Hybris, diesen Führungsanspruch anzumelden, ist es falsche Bescheidenheit, nicht am Zaun zu rütteln?“, fragte Habeck rhetorisch. Er wolle, so die Antwort, seine Erfahrung und seine Leidenschaft einbringen, mit der Kraft der Gesellschaft. Es gehe um die großen Fragen der Zeit und die Herausforderungen der Gegenwart. „Nicht aus Eitelkeit, sondern aus der Objektivität der Wirklichkeit.“ Daraus erwachse der „Anspruch auf Verantwortung in der Gegenwart“.

Grüße an den Gesalbten! Herr, erbarme dich unser!

Der deutsche Politikbetrieb genügt sich selbst. Er hat und macht seine eigenen Regeln. Die Ampel macht weiter, die Union erklärt AfD-Wählern, dass sie nicht dazugehören und ihre Meinung egal ist, Koalitionen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht trotz fundamentaler Gegensätze bei Westbindung und transatlantischem Bündnis aber in Ordnung gehen. Für all das mag es mehr oder weniger gute, zumeist taktische Gründe geben, und doch wird der normale Beobachter kaum zu dem Schluss kommen, dass hier Sachwalter des Gemeinwesens als Dienstleister der Bürger unterwegs sind.

Lauf, Wähler, lauf! Am 23. Februar 2025 wissen wir, zumindest, wohin die Wähler laufen.

Lesen Sie auch:Warum können Parteien nicht einfach den beliebtesten Kandidaten aufstellen?

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