
Friedrich Merz ist kein Spitzenpolitiker, dem auf den ersten Blick die Sympathie entgegenschlägt. Dreimal musste der schlaksige Sauerländer mit dem großen Selbstbewusstsein sich um den CDU-Vorsitz bewerben. Merz musste schmachvolle Niederlagen gegen durchschnittliche Politiker wie Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet einstecken. Alles nur, um am Ende Kanzler von Deutschland sein zu können. Aber selbst bei seinem größten Triumph bekommt Merz zunächst keine Mehrheit hinter sich. Als erster Kanzler muss er in einen zweiten Wahlgang, der nur durch Zuhilfenahme der Linkspartei zustande kommt. Friedrich Merz startet angeschlagen in seine Kanzlerschaft. Der Lack ist ab, noch bevor Merz im Amt ist.
An diesem Abend versucht Merz im Einzelgespräch bei Maybrit Illner, dem negativen Gesamtbild entgegenzuwirken. Wer sich noch an Auftritte von Olaf Scholz erinnern kann, dem kommt manches bekannt vor. Wie der frühe Scholz bestreitet auch Merz in der Sendung konsequent sämtliche Misstöne in seiner Koalition und spult in groben Zügen den Inhalt seiner Regierungserklärung ab. Es ist ein Auftritt, in dem Merz meist mit gebremstem Schaum spricht. Er hat anscheinend gelernt, dass er besser nicht mehr so viele Versprechen machen sollte, die er am Ende dann brechen muss. Deshalb bleibt er wie sein Vorgänger unkonkret. Seiner Beliebtheit dürfte der farblose Auftritt wenig genutzt haben.
Bevor er Kanzler wurde, hatte Friedrich Merz im Wahlkampf die große Wende in der Migrationspolitik versprochen. In Bierzelten versprach er vollmundig die Zurückweisung sämtlicher illegaler Migranten an den deutschen Grenzen noch während der ersten Tage seiner Amtszeit. Doch dem Druck von SPD und Nachbarländern konnte Merz nicht standhalten. Statt Grenzschließungen für Illegale gibt es aktuell verstärkte Kontrollen an den deutschen Grenzen und einzelne Zurückweisungen, die es wohl auch unter der Ampel gegeben hätte. Merz ist trotzdem zufrieden. „Der Innenminister hat am ersten Tag Grenzkontrollen angeordnet“, berichtet Merz sichtlich stolz. Er fügt hinzu: „Ganz ohne meine Anweisung.“ Nun sind Grenzkontrollen aber nichts Revolutionäres.
Damit entlarvt er sich und die Politik des Innenministers als reine Symbolpolitik. Es hat sich fast nichts an den Grenzen geändert. Zwar gibt es sichtbare Kontrollen, aber der konsequente Grenzschutz bleibt aus. Deutschland als Magnet der internationalen Armutsmigration hat weiterhin seine Anziehungskraft und die Regierung Merz wird wohl wenig daran ändern.
Die Haushaltslage im deutschen Staatshaushalt ist besorgniserregend. Die neuesten Steuerschätzungen sagen der Bundesregierung drastische Mindereinnahmen voraus. Grund dafür ist die stagnierende Wirtschaft. Den deutschen Unternehmen geht es so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eigentlich sollte Merz als ehemaliger Aufsichtsrat von Blackrock prädestiniert dafür sein, um die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Doch von Merz sollten sich deutsche Unternehmen nicht allzu viel erhoffen. „Ab 2028 senken wir die Körperschaftsteuer“, lobt sich Merz selbst. Bis 2028 vergehen noch knapp drei Jahre und im Jahr 2028 wird der Steuersatz lediglich um ein Prozent gesenkt. Mehr ein verspäteter Tropfen auf einen überhitzten Stein als ein großer Wurf.
Trotzdem hofft Merz auch darauf, dass die Privatwirtschaft Investitionen tätigt. „Investitionen der Wirtschaft kann der Staat nicht ersetzen“, meint er. Seine Wirtschaftspolitik ist alles in allem ziemlich ambitionslos und wenig entfesselnd. Die großflächige Entlastung für den Mittelstand bleibt aus. Wie genau eine Entbürokratisierung aussehen soll, ist völlig offen. Merz’ folgender Satz ist daher mehr als zweifelhaft: „Deutschland wird ein interessanter Standort für hochmoderne Jobs.“
Als frisch gewählter Kanzler hat Merz noch längst nicht das internationale Renommee, von dem Merz selbst denkt, er hätte es schon. Noch als Oppositionsführer im Deutschen Bundestag machte er sich lächerlich, als er Putin ein Ultimatum setzte und von der Regierung die Lieferung von Taurus forderte. Jetzt ist Merz selbst der Kanzler und liefert keinen Taurus. „Wir streiten in der Koalition nicht mehr über den Taurus“, meint Merz. Eine glatte Unwahrheit, denn in der Koalition gibt es selbstverständlich Streit über die Bewaffnung der Ukraine. Die SPD ist gegen die Lieferung von Taurus und tut dies öffentlich kund. Mancher CDU-Politiker hingegen würde den Taurus gerne liefern. Weil der russische Präsident Putin nicht an den diplomatischen Gesprächen über ein Ende des Krieges in der Ukraine teilnimmt und sich weigert, eine Waffenruhe zu vereinbaren, wird die EU neue Sanktionen erlassen.
„Ab Dienstag treten die Sanktionen in Kraft“, erklärt Merz. Es ist ein neues Kapitel in der Geschichte von bislang wirkungslosen Sanktionen der EU. Da die EU weiterhin russisches Gas und Öl kauft, treffen die Sanktionen Putins Kriegskasse kaum. Von Putin ist Merz enttäuscht. Merz hatte gehofft, dass der russische Präsident zu Verhandlungen nach Istanbul fliegt. „Putin setzt sich ins Unrecht“, kritisiert Merz. Die USA sieht Merz trotz Donald Trump weiterhin an der Seite der Europäer. „Trump hat uns gesagt, dass er den Weg mitgeht“, berichtet Merz.
Seine Rolle auf dem internationalen Parkett muss Friedrich Merz noch finden. Deutschlands Rolle in der Welt ist längst nicht mehr so wie zu Zeiten der Bonner Republik. Andere Nationen sind an Deutschland vorbeigezogen und die USA sind durch Trump unberechenbarer geworden. Ohnehin sollte sich Merz mehr um Innenpolitik kümmern als am außenpolitischen Katzentisch zu sitzen. Ein Bundeskanzler hat 2025 nicht mehr den Einfluss, wie er ihn vierzig Jahre zuvor hatte. Ein schwacher Kanzler wie Merz hat sowieso noch weniger Einfluss.