Bei Illner: Merz in der Höhle des Löwen

vor 9 Tagen

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Bildquelle: Tichys Einblick

Donald Trump ist in den westlichen Gazetten als das personifizierte Böse verschrien. Umso erstaunter war vor allem die deutsche Presse, dass der erste Besuch von Kanzler Merz im Weißen Haus recht gesittet ablief.

Zwar blieb Merz über weite Strecken abgemeldet, weil Trump die meiste Zeit sprach. Aber es hätte doch weitaus schlimmer kommen können. Zur Wahrheit gehört aber, dass das Treffen von Trump und Merz in der amerikanischen Öffentlichkeit eher eine Randnotiz darstellt. Amerikanische Nachrichten sind nicht wie die Tagesschau, in der sich mehr als die Hälfte der Beiträge um Auslandsberichterstattung dreht. In Amerika interessieren sich Medien und Politiker fast ausschließlich für lokale Themen. Im Übrigen wird das Interesse an amerikanischen Themen auch von den ausländischen Staatsgästen erwartet. Für Merz dürfte es ein Leichtes sein, da er jahrelang für einen amerikanischen Vermögensverwalter gearbeitet hat.

Die abendliche Talkrunde bei Illner hat den ersten Besuch von Merz im Weißen Haus als thematischen Schwerpunkt. In der Runde ist man allgemein erleichtert, dass es zu keinem Eklat wie bei Selensky gekommen ist. Größeren Erkenntnisgewinn bringt die Runde allerdings dann auch nicht.

Der Stand der Dinge ist immer noch derselbe. Die deutsche Politik ist nach wie vor um ein gutes Verhältnis zu Amerika bemüht, hat aber wenig Vertrauen in Trump. Die Geldspeicher für Rüstungsausgaben sind weit geöffnet, es wird sich nur um die Milliarde hinter dem Komma gestritten. Es ist also alles beim Alten.

Grundsatzdebatten über den richtigen Weg werden unterlassen und stattdessen streitet sich Politik über Detailfragen. Ob das ZDF dafür 60 Minuten Sendezeit opfern muss, sollte kritisch hinterfragt werden.

Durch das politische Berlin dürfte an diesem Tag ein großes kollektives Seufzen bei weiten Teilen von Politik und Medien gegangen sein. Bundeskanzler Friedrich Merz hat Donald Trump besucht und er wurde nicht gedemütigt oder vorgeführt. Allerdings durfte Merz nur wenig sagen. Die meiste Zeit sprach Donald Trump und das vor allem über innenpolitische Themen.

In der Runde bei Illner sind die Gäste mehrheitlich zufrieden mit dem Besuch von Merz. Außenminister Johann Wadephul meint: “Es war wichtig für das persönliche Verhältnis.” Damit dürfte der Norddeutsche recht haben. Wenn man sich ein wenig mit der Vita des Donald Trump beschäftigt hat, dann weiß man, dass es Trump sehr darauf ankommt, dass er von seinem Gegenüber als starker Mann respektiert wird. Trump erwartet, dass das Gegenüber sich fügt und möglichst wenig Widerworte gibt. Am Beispiel Elon Musk sieht man exemplarisch, dass Trump ganz schnell eine gute persönliche Beziehung beendet, wenn es zu öffentlicher Kritik kommt.

Für Wadephul ist das Treffen ein gelungenes. “Trump nimmt Merz ernst”, analysiert der CDU-Politiker. In der Tat hat Trump offensichtlich Respekt vor Merz. Trump nannte Merz in der gemeinsamen Pressekonferenz einen “schwierigen Typen”. In der Welt von Trump ist solch eine Bezeichnung ein Kompliment. Merz dürfte bei vorangegangenen Telefonaten durchaus einen ernstzunehmenden Eindruck bei Trump hinterlassen haben. Ob die USA unter Trump wirklich der verlässliche Partner sind, den man sich wünscht, so weit will Wadephul nicht gehen. Er wünsche sich die USA an Deutschlands Seite, so der Minister.

ZDF-Mann Elmar Theveßen in Washington bewertet den Auftritt von Trump und Merz ebenfalls positiv. “Merz hat heute seine Chance genutzt”, findet Theveßen. Da Theveßen in den Vereinigten Staaten lebt und arbeitet, weiß er aber, wie man das Treffen richtig einordnet. Gut, er wusste auch schon, dass Biden auf dem Höhepunkt seiner Fitness war, als die Welt mit eigenen Augen seit Jahren etwas anderes sehen konnte, aber nun denn. Trump gehe es vor allem um seine heimischen Themen und weniger um die Belange der Europäer, berichtet der herausragende Präsidenten-Experte Theveßen von der Pressekonferenz.

Die Zeit-Journalistin Mariam Lau lobte das souveräne Auftreten von Merz. “Es gab keine Unterwerfungsgesten”, resümiert Lau ihre Sicht der Dinge. Aus deutscher Perspektive könne man durchaus zufrieden sein mit dem Besuch von Friedrich Merz. Man sollte nur nicht allzu viel hineininterpretieren. Denn Donald Trump hat im Moment für ihn wichtigere Angelegenheiten zu regeln. Er will neue Steuergesetze durch den Kongress bringen und ist mit seinen Zöllen beschäftigt. Da interessiert ihn Deutschland nur peripher. Ja, das haben auch alle eindrucksvoll gemerkt, die dem Antrittsbesuch live gefolgt sind.

Die Schleusen für gigantische Summen für Aufrüstung wurden von der Bundesregierung und oppositionellen Helfern weit geöffnet. Außenminister Wadephul spricht in der Sendung über das Volumen der finanziellen Belastungen. “Die NATO hat ausgerechnet, dass man fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts braucht”, erläutert der Außenminister. Im Fall der Bundesrepublik wären das jährlich über 200 Milliarden Euro, die in die Aufrüstung des Landes fließen sollen.

Man fragt sich, ob diese extreme Summe tatsächlich sein muss? Deutschland ist Teil Europas, in dem die meisten Staaten Teil der NATO sind. In Zeiten des Kalten Krieges mag es ja noch Sinn gemacht haben, dass die Bundesrepublik bis zu vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben hat. Schließlich gab es nicht nur Russland, sondern den Warschauer Pakt inklusive ganz Osteuropa als potenzielle Bedrohung, die man ernst nehmen musste. Heutzutage sind die meisten Staaten des Warschauer Pakts in der NATO. Deshalb verwundert Wadephuls Analyse.

Der britische Historiker Adam Tooze widerspricht dem deutschen Außenminister deshalb. “Es liegt nicht am Geld”, entgegnet Tooze. Er erklärt: “Viel wichtiger ist die Organisation.” Deutschland leistet sich zusammen mit den anderen Europäern jeweils eigene nationale Waffensysteme, obwohl gemeinsame Waffensysteme naheliegend wären. “Es ist ein Skandal, dass in Deutschland hunderte Milliarden Euro für die Bundeswehr ausgegeben wurden, ohne dass es eine Abschreckung gibt”, kritisiert Tooze. Leider wird die Diskussion an dieser Stelle nicht vertieft. Obwohl es gerade an dieser Stelle interessant ist.

Es stellen sich viele Fragen. Warum gibt es kein gemeinsames europäisches Beschaffungswesen? Wie kommt die Bedarfsanalyse der fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zustande? Wie will man in Zukunft dafür sorgen, dass das hart erarbeitete Steuergeld nicht wieder planlos zum Fenster hinausgeworfen wird? Es hätte dem Talk gut getan, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen.

Alles in allem ist der Talk eine Ansammlung von altbekannten und substanzlosen Talking-Points. Wenn deutsche Talkshows der Maßstab für die Milliarden Ausgaben der Regierung wären, dann sollte die Bundesregierung diese Ausgaben besser sein lassen. Am Ende würde nicht viel dabei herumkommen.

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