
Nach seinem Interview mit Frauke Brosius-Gersdorf am Dienstagabend facht Markus Lanz das Feuer um das Richterwahl-Debakel erneut an. Mitten in dem Scheiterhaufen sitzt der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß und muss sich vor links und rechts in Acht nehmen. Besonders Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann zeigte schon in ihrer Rede im Bundestag ihre Wut gegen die Union. Denn die Union ist an der ganzen sexistischen und rechtsextremen Sache schuld – allen voran Spahn. Ganz begeistert ist Haßelmann daher von dem Interview, welches ein „Akt der Selbstbehauptung“ sei. Brosius-Gersdorf sei eine ganz ausgezeichnete Juristin und hätte es geschafft, ihre „Ehre zurückzugewinnen“ sowie die „Falschdarstellungen“ wieder gerade zu rücken – dass es tatsächlich keine „verstellte Wahrnehmungen“ gab und dies Brosius-Gersdorf in dem Interview bewies, gehört nicht zu Haßelmanns Erkenntnisgewinn.
Ploß, der in der Sendung den Kopf für Spahn hinhalten muss, bewahrt diesen kühl. Immer wieder muss er betonen, dass Brosius-Gersdorf einen „Kern der Union“ – die Würde des menschlichen Lebens – angreift und sehr wohl eine „politischen Agenda“ verfolgt. Doch Ploß hat an diesem Abend keine Chance – besonders, als er zugibt, er hätte gegen sie gestimmt. Er kann sich auch nicht durch die Einsicht retten, dass der „Prozess nicht gut gelaufen“ sei. Denn Haßelmann ist vor lauter Empörung über den Umgang mit Brosius-Gersdorf in ihrem Redeschwall über das „eklatante Führungsversagen“ von Spahn nicht zu stoppen. Ob Lanz, Ploß oder Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der WELT – keiner kommt zu Wort. Als es Alexander endlich gelingt, sich gegen Haßelmann und Amann durchzusetzen, stimmt er der Kritik über die Zerrissenheit der Union zu – als er aber daran erinnert, dass die Grünen den Widerspruch ebenso bereits in Anspruch genommen haben, wird auch er zum Feind.
Als Ploß betont, dass der Schutz des menschlichen Lebens den höchsten Stellenwert besitzt und die straffreie Abtreibung nur ein schmerzlicher Kompromiss sei, protestiert Haßelmann. Sie wolle keine Paragraph-218-Debatte führen und habe „kein Interesse daran, dass […] Männer diese Welt erklären“. Erklären soll Ploß aber dann doch, woher der Wandel in der Union nach der Nominierung aufzog. Er erzählt, dass viele Bürger sorgenvoll und wütend sich an sie gewendet hätten und die Linksverschiebung verurteilt hätten. Brosius-Gersdorf wäre ein rotes Tuch mit ihrer Identitätspolitik und wieder wirft Haßelmann hysterisch ein: „Identitätspolitik? Was soll das sein?“ Dass der von der Union zuerst vorgeschlagene Richter-Kandidat Seegmüller wegen seiner konservativen Positionen von den Grünen abgelehnt wurde, spielt Haßelmann herunter – à la grüne Doppelmoral.
Wie es denn nun weitergehen solle, fragt Lanz und übernimmt seine Sendung irgendwann wieder von Haßelmann. Von den Gästen hat keiner so recht eine These. Amann vermutet einen Rücktritt Brosius-Gersdorfs von ihrer Kandidatur und Alexander hat gehört, die Regierung habe „keinen Plan“ – er hoffe nur, dass es auf die Zeit nach seinem Urlaub verschoben wird. Zwischen heiteren Scherzen will Haßelmann wieder zu einem Redeschwall ansetzen, aber Lanz unterbricht rasch: „Frau Haßelmann, wir sind leider am Ende der Zeit.“
Diese Sendung zeigte mal wieder, wie viele Politiker „keinen Plan“ haben.